Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wertet die militärische Zusammenarbeit Russlands und Nordkoreas als neue Eskalationsstufe in Moskaus Angriffskrieg gegen sein Land. «Wir müssen reagieren und gegensteuern. Wir dürfen nicht zulassen, dass das Böse weiter zunimmt», sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videobotschaft. «Wenn die Welt jetzt schweigt und wir an der Front genauso regelmässig mit nordkoreanischen Soldaten konfrontiert werden, wie wir uns gegen Drohnen verteidigen, nützt das niemandem auf dieser Welt und verlängert nur diesen Krieg.»
Moskau weist Berichte aus der Ukraine und Südkorea, die sich unter anderem auch auf Satellitenaufnahmen berufen, über die Entsendung von angeblich bis zu 12'000 Soldaten aus Nordkorea ins benachbarte Russland seit Tagen zurück. Auch von der NATO oder den USA gibt es bisher keine Bestätigung dafür, dass Nordkorea Soldaten zur Verstärkung nach Russland geschickt hat.
Allerdings haben Russland und Nordkorea nicht nur eine enge militärische Zusammenarbeit vereinbart, sondern auch einen Beistand für den Fall von Angriffen von aussen. Deshalb könnten nordkoreanische Soldaten etwa bei der Verteidigung des von ukrainischen Truppen überfallenen russischen Gebiets Kursk zum Einsatz kommen. Die ukrainische Armee hält im Raum Kursk seit Anfang August Dutzende Orte besetzt, um den russischen Invasoren in deren Angriffskrieg eigene Eroberungen entgegenzusetzen.
Selenskyj sprach von einer «bösartigen Allianz» und «gefährlichen Kooperation» zwischen Russland und Nordkorea. «Leider könnten die Instabilität und die Bedrohungen erheblich zunehmen, sobald Nordkorea die Taktiken der modernen Kriegsführung erlernt», betonte er. Die Verbündeten der Ukraine müssten darauf eine Antwort parat haben, weil nun ein weiterer Staat Kriegsteilnehmer sei und dies zu einer neuen Bedrohung werde. Bisher setzte Kremlchef Wladimir Putin vor allem auf den ukrainischen Nachbarstaat Belarus als Aufmarschgebiet für seinen Krieg.
Der Krieg müsse gerecht und so schnell wie möglich beendet werden, sagte Selenskyj. Er warf einmal mehr auch dem Iran vor, in einer «kriminellen Allianz» mit Russland Drohnen für den Krieg gegen sein Land zu liefern. Seit Jahresbeginn habe die Ukraine mehr als 6000 Drohnenangriffe gezählt. Die Ukrainer wehren sich mit westlicher Militärhilfe seit fast 1000 Tagen gegen den russischen Angriffskrieg.
Südkoreas Aussenministerium hat derweil den russischen Botschafter in Seoul einbestellt. Bei dem Treffen übermittelte Vize-Aussenminister Kim Hong Kyun dem Diplomaten Georgi Sinowjew sein Bedauern über die Entsendung nordkoreanischer Soldaten nach Russland, wie die Nachrichtenagentur Yonhap berichtete.
Sinowjew gab nach dem Termin im Aussenministerium keine Stellungnahme gegenüber anwesenden Journalisten ab. Am Freitag hatte Südkoreas Geheimdienst NIS (National Intelligence Service) die Armee Nordkoreas beschuldigt, bereits rund 1500 Soldaten als Unterstützung für Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine entsandt zu haben.
Die Soldaten sind laut NIS in russischen Schiffen nach Wladiwostok transportiert worden, wo sie mutmasslich auf einen Einsatz im Ukraine-Krieg vorbereitet werden. Insgesamt soll sich Nordkorea dazu entschieden haben, rund 12'000 Soldaten zur Unterstützung zu schicken, auch Spezialeinheiten.
Wie der NIS weiter berichtete, sollen die Soldaten russische Uniformen sowie Falschidentitäten erhalten, um ihre wahre Herkunft zu verschleiern. Der Geheimdienst stützt seine Informationen auf Satellitenbilder sowie Gesichtserkennungssoftware, welche man in Zusammenarbeit mit dem ukrainischen Geheimdienst eingesetzt habe.
Südkoreas Präsident Yoon Suk Yeol sprach von einer ernsten Sicherheitsbedrohung «nicht nur für unser Land, sondern auch für die internationale Gemeinschaft».
Die NATO blickt besorgt auf eine mögliche Beteiligung nordkoreanischer Truppen am russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine.
«Sollte Nordkorea Truppen entsenden, um an der Seite von Russland in der Ukraine zu kämpfen, würde dies eine erhebliche Eskalation darstellen», teilte NATO-Generalsekretär Mark Rutte nach einem Gespräch mit dem südkoreanischen Präsidenten Yoon Suk Yeol mit.
Rutte hatte am Freitag nach einem Verteidigungsministertreffen der Bündnisstaaten in Brüssel gesagt, man könne eine aktive Beteiligung nordkoreanischer Soldaten an den Kriegshandlungen bislang nicht bestätigen. (sda/dpa)
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