Hauptmann Andriy Malakhov liegt im Spital. Er wurde bei der erfolgreichen Gegenoffensive der ukrainischen Truppen im Osten des Landes verletzt. Während er sich erholt, hat er einem Reporter der kanadischen Zeitung «The Globe and Mail» ein Interview gegeben – Malakhovs Einheit mit dem Namen «Wilde Steppe» war beim erfolgreichen Vorstoss der ukrainischen Armee massgeblich beteiligt.
Der Hauptmann erklärt, wie er und seine 30 Soldaten es schafften, die Russen so abzulenken, dass ukrainische Truppen andernorts die feindlichen Linien durchbrechen konnten. Da die ukrainische Armee Medien noch keinen Zugang zu den zurückeroberten Gebieten gewährt, handelt es sich um einen der ersten Berichte von der Front seit Beginn der ukrainischen Gegenoffensive im Osten des Landes.
Malakhov und seine Männer schlichen sich durch die Wälder im Süden an den Rand der Ortschaft Balaklija. Direkt vor ihnen war die erste Verteidigungslinie der Russen, laut Malakhov ein Netz aus Schützengräben und befestigten Posten. Abgehörten Funksprüchen zufolge sprachen die russischen Truppen über das Geflecht unter dem Decknamen «Moskau».
Die Einheit Malakhovs war sich bewusst, dass sie zahlenmässig in der Unterzahl waren. Seiner Schätzung zufolge standen ihnen etwa 100 russische Soldaten, die noch dazu über Panzer und Artillerie verfügten, gegenüber. Dennoch griffen Malakhov und seine Soldaten am 7. September frühmorgens an –mit allem, was sie hatten.
Eine perfide Finte: Wohl aufgrund der Heftigkeit und Entschlossenheit der Attacke, dachten die Russen, dass es sich um einen Grossangriff handelt. «Sie dachten, wir seien die grösste Bedrohung, aber es war nur unsere Einheit», erklärte Malakhov gegenüber «The Globe and Mail».
Aus diesem Grund beorderten die Russen weitere Truppen, die Balaklija im Norden verteidigen sollten, in den Süden der Kleinstadt. Dadurch entblössten sie diese Verteidigungslinie – ein entscheidender Fehler, da der eigentliche ukrainische Hauptangriff nun im Norden erfolgte. Und tatsächlich: Die russischen Verteidiger konnten dem Ansturm nicht standhalten und traten am Abend des 7. September den Rückzug an. Balaklija war seit März unter russischer Kontrolle.
Nicht nur in Balaklija griffen die Ukrainer zu einer List:
Mit der Eroberung der Kleinstadt lösten die ukrainischen Einheiten eine Kettenreaktion aus, die russische Front in der Region brach zusammen. Deshalb konnten die Ukrainer in der Folge auch den wichtigen Knotenpunkt Kupjansk sowie die Stadt Isjum einnehmen. Von dort aus koordinierten die Russen die Militäroperationen in der Region. Bis Montag eroberten die Ukrainer beinahe die ganze Region Charkiw zurück.
Die Idee, sich in den Wäldern anzupirschen und den Russen einen Grossangriff mit einer kleinen Einheit vorzugaukeln, stammt indes nicht von Hauptmann Malakhov selbst. Er erklärt im Interview mit «The Globe and Mail», dass der Plan dem Oberbefehlshaber der ukrainischen Streitmächte, Walerij Saluschnyj, zuzuschreiben sei. Diesem ist Malakhovs Spezialeinheit direkt unterstellt. Saluschnyj habe Präsident Wolodymyr Selenskyj von der Effektivität von Spezialeinheiten in verwinkeltem Gelände, wie in den Sümpfen und Wäldern südlich von Balaklija, überzeugt und den Plan ausgearbeitet.
"Der Hauptmann der verantwortlichen Einheit erklärt, wie die Russen seinem Bataillon auf den Leim gingen." Und: "Der Hauptmann erklärt, wie er und seine 30 Soldaten es schafften, die Russen so abzulenken."
Egal, ob in der ukrain., russ., US-amerikan. oder CH-Armee: Ein Hauptmann steht immer einer Kompanie, bzw. Einheit vor.
Die Russen gingen also nicht "seinem" Bataillon auf den Leim, sondern seiner Einheit von seinem Bataillon.
Und auch nicht der gesamten Einheit, sondern – mit 30 Sdt – nur von einem Zug.
Etwas passt nicht.