Der saudische Thronfolger Mohammed bin Salman pflegt ein gutes Verhältnis zu Wladimir Putin. Erst vor Kurzem lobte der Kronprinz in einem Telefonat mit dem Kreml-Chef die enge Zusammenarbeit der beiden Länder bei der Kontrolle der weltweiten Ölpreise. Doch nun richtet Mohammed bin Salman eine Konferenz zum Ukraine-Krieg mit Politikern aus fast 30 Ländern aus - lädt Russland aber nicht ein. Dahinter stehen saudische Eigeninteressen.
Die Konferenz in der saudischen Hafenstadt Dschidda am Roten Meer am Wochenende ist das Folgetreffen einer ähnlichen Beratung in Kopenhagen im Juni. In Dschidda wird unter anderem US-Sicherheitsberater Jake Sullivan erwartet. Für die Bundesregierung wird der Sicherheitsberater von Bundeskanzler Olaf Scholz, Jens Plötner, nach Saudi-Arabien reisen, wie ein Regierungssprecher dieser Zeitung sagte.
Die Regierung in Kiew will bei dem Treffen am 5. und 6. August über ihren Friedensplan reden, der einen Abzug russischer Truppen aus der Ost-Ukraine und der Krim vorsieht. Die britische Zeitung «Guardian» berichtete, der Westen wolle bei der Konferenz erreichen, dass grosse Länder wie Indien und Brasilien ins antirussische Lager wechseln. Auch China soll umworben werden, doch noch ist offen, ob Beijing einen Regierungsvertreter nach Dschidda schicken wird.
Saudi-Arabien vermeidet wie viele andere Teilnehmerstaaten der Konferenz bisher eine Parteinahme im Ukraine-Krieg. Die Öl-Monarchie unterstützt Kiew zwar mit humanitärer Hilfe im Wert von 400 Millionen Dollar, beteiligt sich aber nicht an westlichen Sanktionen gegen Moskau und kooperiert mit Putin in der Gruppe Opec-Plus, einem Zusammenschluss der grössten Ölproduzenten der Welt.
Mohammed bin Salman geht es in Dschidda nicht so sehr um Fortschritte bei den Bemühungen um ein Ende des Krieges, sondern um etwas anderes: Er will sich als Vermittler in Szene setzen.
Saudi-Arabien wolle sich mit der Konferenz als «ehrlicher Makler» präsentieren, sagt Sebastian Sons, Experte für die Golf-Region bei der Bonner Denkfabrik Carpo. Die Führung in Riad wolle mit dem Treffen ihren Einsatz für Deeskalation unterstreichen und bei einem wichtigen Thema auf internationaler Ebene Präsenz zeigen, sagte Sons dieser Zeitung.
MBS, wie der saudische Kronprinz häufig genannt wird, hatte dies bereits im Mai mit einer Einladung an den ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski zum Gipfel der Arabischen Liga in Dschidda demonstriert. Schon damals bot sich der Kronprinz als Vermittler zwischen der Ukraine und Russland an.
Besonders wichtig für den Thronfolger sei bei der Ukraine-Konferenz am Wochenende ein Signal an die USA, meint Sons: «Seht her, wir sind in der Lage, in dieser Krise selbstbewusst und als Vermittler aufzutreten.» Für US-Sicherheitsberater Sullivan ist die Ukraine-Konferenz der zweite Besuch in Saudi-Arabien innerhalb weniger Tage. Er hatte erst vorige Woche mit MBS in Dschidda gesprochen.
Hochrangige Besuche aus dem Westen wie diese stärken das internationale Renommee des saudischen Kronprinzen, der nach der Ermordung des Regimekritikers Jamal Khashoggi im Oktober 2018 von den USA und Europa geächtet worden war. Heute will MBS als internationaler Krisenmanager ernstgenommen werden. Die Konferenz in Dschidda bietet ihm eine Bühne.
Dafür nimmt MBS in Kauf, dass Putins Regierung verschnupft auf das geplante Treffen reagiert. Russland wolle wissen, was in Dschidda besprochen werde, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. Mohammed bin Salman erwartet aber keinen grösseren Ärger mit Russland, das sich nicht leisten kann, noch mehr internationale Partner zu verlieren.
Auch andere Politiker nutzen diese aussenpolitische Schwäche Putins aus. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan, der wie MBS eng mit Putin zusammenarbeitet, stiess die russische Regierung vor Kurzem mit der Freilassung ukrainischer Offiziere vor den Kopf, die in russische Gefangenschaft geraten und im Rahmen eines Gefangenenaustauschs in die Türkei gekommen waren.
Zudem signalisierte Erdogan, dass er seinen Widerstand gegen die Aufnahme von Schweden in die Nato aufgeben will. Wie MBS sieht Erdogan eine Gelegenheit, seine westlichen Partner zu beschwichtigen, indem er sich etwas von Russland distanziert.
Dass Saudi-Arabien die Ukraine-Konferenz ohne Russland ausrichtet, bedeutet nach Meinung Sons nicht, dass Riad in dem Konflikt jetzt eindeutig Partei für den Westen ergreift. Riad wolle sich die Zusammenarbeit mit Russland bei Opec-Plus nicht verderben und sehe den Krieg vor allem als Problem des Westens. «Das Sowohl-als-auch geht weiter», sagte Sons über die saudische Haltung zum Ukraine-Krieg.
Internationale Politik ist ein Irrenhaus…