Bei der Sondervollversammlung der Vereinten Nationen (UNGASS) vom 19. bis 21. April in New York könnte es zu einem radikalen Kurswechsel in der internationalen Drogenpolitik kommen. Vor allem die von der organisierten Kriminalität besonders betroffenen Länder Lateinamerikas dringen auf eine neue Strategie.
Seit den 1970er Jahren versucht die Weltgemeinschaft, dem Problem der Drogenkriminalität mit einer militärisch-repressiven Strategie Herr zu werden. Vor allem die USA haben Milliarden Dollar in den Kampf investiert – mit kaum messbarem Erfolg.
In Mexiko befeuert das schmutzige Drogengeld einen Krieg zwischen den Verbrechersyndikaten und staatlichen Sicherheitskräften mit bislang mehr als 100'000 Toten, in Afghanistan finanzieren sich die radikal-islamischen Taliban mit Opiumhandel und in Kolumbien halten die Kokain-Gewinne einen Konflikt am Leben, der ideologisch eigentlich längst erledigt ist.
Die mittelamerikanischen Jugendbanden – so genannte Maras – haben Guatemala, El Salvador und Honduras in wahre Schlachtfelder verwandelt. «Massive Korruption, Gewalt und Menschenrechtsverletzungen sind die Konsequenzen eines zu häufig militarisierten Ansatzes», schreiben die Analysten des Forschungsinstituts Crisis Group.
Drei Jahre früher als vorgesehen haben Mexiko, Kolumbien und Guatemala die Sondersitzung beantragt. «Die Überprüfung des bisherigen Ansatzes kann nicht weiter aufgeschoben werden», erklärten die drei Länder. «Wir brauchen ein neues Paradigma, das den Fluss von Ressourcen ins organisierte Verbrechen stoppt.»
Lange galt: Die Produktion von Drogen muss in den Anbauländern gestoppt werden, Drogenhändler sind zu jagen und Konsumenten sind Kriminelle. Die Erfahrung allerdings zeigt, dass der repressive Ansatz nicht funktioniert.
Die Drogenprohibition treibt die Preise für Drogen und damit die Gewinne der Verbrechersyndikate in die Höhe. Wird ein Kartellboss geschnappt, rückt sofort ein Nachfolger an seine Stelle. Und in den USA beispielsweise hat die harte Linie dazu geführt, dass die Gefängnisse voll mit Leuten sind, die nur wegen Drogenbesitzes einsitzen.
«Wir müssen Alternativen zu Freiheitsstrafen für geringfügige Vergehen wie Drogenbesitz suchen und den Zugang zu Drogen für medizinische Zwecke sicherstellen», sagt der Chef des UNO-Büros für Drogen- und Kriminalitätsbekämpfung, Juri Fedotow. «Wir müssen die Menschen in den Fokus rücken.»
Zudem hat sich die Drogenpolitik weltweit extrem auseinander bewegt. Während in Uruguay Marihuana mittlerweile unter staatlicher Aufsicht angebaut und vertrieben wird, immer mehr US-Bundesstaaten Cannabis legalisieren und zahlreiche europäische Länder zumindest bei weichen Drogen einen eher liberalen Ansatz verfolgen, werden in Südostasien und im arabischen Raum immer noch Drogenschmuggler hingerichtet.
Experten hoffen nun, dass sich die Weltgemeinschaft bei der Sondersitzung in New York auf eine gemeinsame Linie verständigt.
Die USA – lange der Hardliner im Anti-Drogenkampf – haben zumindest ihre Mitverantwortung für die brutalen Verteilungskämpfe in Lateinamerika anerkannt. An der Grenze zu Mexiko läuft Tag für Tag ein perverses Tauschgeschäft: Drogen werden nach Norden geschmuggelt und Waffen nach Süden.
Selbst Optimisten glauben nicht mehr daran, dass eine liberalere Drogenpolitik der Mafia das Genick brechen kann. In Lateinamerika etwa haben die grossen Verbrechersyndikate ihr Geschäfts-Portfolio längst diversifiziert. Die Kartelle sind auch in illegalen Bergbau, Menschen- und Waffenhandel bis hin zu Produktpiraterie verwickelt. Wegen der grossen Gewinnspanne ist der Drogenhandel aber noch immer ein wichtiger Pfeiler der kriminellen Imperien.
«Unrealistische Ziele, wie den Drogenmissbrauch zu beenden oder das organisierte Verbrechen zu besiegen, sollten aufgegeben werden», sagt deshalb Vanda Felbab-Brown vom Forschungsinstitut Brookings Institution. «Die Ziele realistischer zu formulieren, ist ein entscheidender Schritt bei der Entwicklung und Umsetzung einer effizienteren Politik.» (wst/sda/dpa)