Fox News Channel hat sich abrupt von seinem grössten Star getrennt. Am Montag gab der rechte Nachrichtensender in einer knappen Stellungnahme bekannt, dass Tucker Carlson kein Angestellter mehr sei. Eine Begründung lieferte der Kanal, der zum Medienimperium von Rupert Murdoch gehört, nicht. Carlson, 53 Jahre alt, meldete sich vorerst nicht selbst zu Wort.
Auf Fox News selbst sagte eine Moderatorin kurz vor dem Mittag (Ortszeit), die Trennung des Arbeitsverhältnisses sei im «gegenseitigen Einverständnis» erfolgt. Dieser Satz fehlt in der schriftlichen Mitteilung. Und auf den ersten Augenblick klingt er auch ein bisschen realitätsfern. Denn Fox News musste auch einräumen, dass vorerst kein Ersatz für Carlson bereitstehe.
WATCH: “We want to thank Tucker Carlson for his service to the network.”
— TV News Now (@TVNewsNow) April 24, 2023
Fox News’ @HarrisFaulkner announces on air that Fox News and @TuckerCarlson have parted ways, effective immediately. pic.twitter.com/tQUAzSiiqp
«Tucker Carlson Tonight», so hiess die seit November 2016 ausgestrahlte Sendung, hatte von Montag bis Freitag jeweils gegen 3 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer. Während gut einer Stunde, unterbrochen von mehreren Werbesendungen, sprach der rechte Kommentator jeweils über sein Lieblingsthema – zuvorderst über seinen Hass auf die Eliten des Landes, die Mitglied in der sogenannten «Uniparty» seien.
Letzteres ist ein imaginäres Gebilde, dem angeblich die führenden Politiker in Washington angehörten. «Uniparty» heisst es, weil es keinen Unterschied zwischen Demokraten und Republikanern mehr gebe, zum Beispiel, was die Unterstützung des Krieges in der Ukraine angeht. (Carlson ist ein prononcierter Kritiker des Ukraine-Kurses des Weissen Hauses.)
Am Freitag, in seiner letzten Sendung, sprach Carlson beispielsweise über die angebliche Zerstörung der amerikanischen Vorstädte, in der angeblich vor allem Menschen weisser Hautfarbe lebten. Diese Zerstörung werde von den regierenden Kräften aus machtpolitischen Gründen vorangetrieben. Das sei typisch, sagte der Moderator in einem seiner typischen Kommentare: Der Regierung gehe es nie darum, das Leben der Amerikanerinnen und Amerikaner zu verbessern.
Here was the end of what turned out to be Tucker Carlson's final Fox News show last Friday. Certainly no indication that he didn't expect to be on the air tonight. In fact Tucker's final words are, "we'll be back on Monday." pic.twitter.com/F9R5MpWHDK
— Aaron Rupar (@atrupar) April 24, 2023
Weil Carlson selbst ein Kind des Establishments ist – sein Vater war nach seiner Karriere als Journalist für die Präsidenten Ronald Reagan und George H.W. Bush tätig – gibt es wohl keine andere Fox News-Persönlichkeit, die Washington derart faszinierte. Regelmässig zerbrachen sich Vordenker in der Hauptstadt den Kopf darüber, warum sich Carlson in den vergangenen Jahren derart radikalisiert hatte.
Vergessen geht dabei heute, dass der begabte Polemiker früher ein begnadeter Journalist war. Seine Artikel in der (eingestellten) Zeitschrift «The Weekly Standard», in der er sich über das politische Personal in der Hauptstadt lustig machte, sind auch heute noch amüsant. Auch kommentierte ein junger Carlson, dessen Vorfahren auch aus der Schweiz stammten, auf den Nachrichtensendern CNN und MSNBC regelmässig das Zeitgeschehen.
Über die Gründe der Trennung lässt sich vorerst nur spekulieren. Zuletzt hatte Carlson Schlagzeilen mit abfälligen Kommentaren produziert, die er nach der Wahl 2020 privat über den Republikaner Donald Trump abgegeben hatte. Bekannt wurden diese Kommentare im Zuge eines Verleumdungsprozesses gegen Fox News, der vorige Woche überraschend mit einer Entschädigungszahlung von 787.5 Millionen Dollar endete. (In privaten Nachrichten äusserte sich Carlson auch abschätzig über seine Vorgesetzten und das Management des Medienunternehmens, für das er arbeitete.)
Trump allerdings schien nicht nachtragend zu sein. Sein erstes Fernsehinterview nach der kürzlichen Anklageerhebung in New York gab er Carlson – der den Ex-Präsidenten gewähren liess und keine kritischen Fragen stellte.
Auch sah sich Carlson mit einer Klage einer ehemaligen Angestellten konfrontiert, die sich über das sexistische Arbeitsklima beschwerte. Carlson produzierte seine Sendung zuletzt in einem Studio, das er sich eigens in einem idyllischen Dorf im Ostküsten-Staat Maine gebaut hatte. Der amerikanischen Hauptstadt, in der er gross geworden war (einst lebte er in Washington Haustür-an-Haustür mit Hunter Biden, dem Sohn von Präsident Joe Biden) hatte er spätestens während der Pandemie den Rücken zugekehrt. (aargauerzeitung.ch)