Biden stolpert, McConnell hat Aussetzer – die alten US-Politiker bereiten Kopfzerbrechen
Nikki Haley hat schnell reagiert. Neuerdings schliesst die republikanische Präsidentschaftskandidatin den 81-jährigen Parteifreund Mitch McConnell in ihre Kritik ein, dass die USA von Politikern regiert werde, die zu alt seien – nachdem der Senator vorigen Mittwoch in einer Pressekonferenz den Faden verloren hatte und 20 Sekunden schweigend an einem Podium gestanden war. Solche Aussetzer, sagte Haley während eines TV-Interviews sinngemäss, könne sich Amerika nicht leisten.
Sie schätze McConnell zwar für seine politischen Erfolge als Fraktionschef der Republikaner im Senat. Aber: «Wir müssen damit aufhören, Politiker zu wählen, weil wir sie mögen und weil sie schon lange dabei sind.» Vielmehr brauche das Land «neue Ideen» und «Menschen, die in Bestform sind», sagte Haley. Sie fordere deshalb nicht nur Amtszeitbeschränkungen in Washington, sondern auch einen kognitiven Test für alle Politiker, die älter als 75 Jahre sind.
Haley hat leicht reden. Sie feierte zu Jahresbeginn ihren 51. Geburtstag. Für Washingtoner Verhältnisse ist sie damit jung, sehr jung. So ist der Präsident so alt wie keiner seiner Vorgänger. Und manchmal, zum Beispiel wenn Joe Biden eine Treppe hinaufsteigen muss, sieht man dem Demokraten jedes seiner 80 Lebensjahre an. Dennoch will er sich im November 2024 für eine zweite, vier Jahre dauernde Amtszeit bewerben. Ähnlich sein potenzieller Kontrahent, der Republikaner Donald Trump. Der Ex-Präsident hat kürzlich seinen 77. Geburtstag gefeiert.
Kongress kennt keine Amtszeitbeschränkungen
Im Senat, der kleinen Kammer, beträgt das mediane Lebensalter der Volksvertreter 65 Jahre, im Repräsentantenhaus 58 Jahre. Anders gesagt: Im Senat ist die eine Hälfte der 100 Abgeordneten älter als 65 Jahre, die andere jünger.
Aber diese Zahlen zeichnen ein unvollständiges Bild. Denn häufig sind es die ältesten Volksvertreter, die in Washington den Ton angeben. So feiert Bernie Sanders, der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses im Senat, bald seinen 82. Geburtstag. Der Präsident der Justizkommission, Senator Dick Durbin, ist 78 Jahre alt. Und der Demokrat Chuck Schumer, der als Mehrheitsführer die Traktandenliste des Senats kontrolliert, ist 72 Jahre alt.
Ein Grund für diese Entwicklung: Die USA werden grauer. 2022 war die Hälfte der Bewohnerinnen und Bewohner älter als 38.9 Jahre. Ein weiterer Grund: Wer es in Washington zu etwas bringen will, der benötigt Sitzleder. Chuck Schumer zum Beispiel begann seine politische Karriere im Jahr 1975. Fünf Jahre später wurde der New Yorker erstmals ins Repräsentantenhaus gewählt; 1999 folgte der Wechsel in den Senat. Im vorigen Herbst wurde er zum vierten Mal wiedergewählt; die aktuelle Amtszeit läuft Anfang 2029 ab.
Möglich sind solche extra-langen Polit-Karrieren, weil der Kongress keine Amtszeitbeschränkungen kennt. Zwar gibt es ein Minimalalter für Politikerinnen und Politiker - aber kein Ablaufdatum für Mitglieder des Senats und des Repräsentantenhauses. Zuletzt entschied der Supreme Court im Jahr 1995, dass Versuche einzelner Bundesstaaten, eine Amtszeitbeschränkung für nationale Politiker einzuführen, gegen die Verfassung verstiessen. Auch scheiterte im gleichen Jahr der Versuch des republikanisch dominierten Repräsentantenhauses, eine Amtszeitbeschränkung von zwölf Jahren in der Verfassung zu verankern. (Detail am Rande: Schumer stimmte, wenig überraschend, mit Nein.)
«Er wird schon wissen, wann die Zeit gekommen ist»
Hinzu kommt: Die beiden Grossparteien sind zwar im Washingtoner Politbetrieb allgegenwärtig, scheinen aber im Umgang mit dem Spitzenpersonal seltsam machtlos zu sein. So machen sich republikanische Senatoren schon lange Sorgen um den Gesundheitszustand von Mitch McConnell, der im Frühjahr bei einem Sturz eine Gehirnerschütterung erlitten hatte. Aber niemand scheint Einblick in die Karrierepläne des einflussreichen Fraktionschefs zu haben. «Er wird schon wissen, wann die Zeit gekommen ist», lautete die Reaktion eines Republikaners auf McConnells Aussetzer.
Ähnlich chaotisch agieren die Demokraten. Seit Monaten ist es im Kapitol in Washington ein offenes Geheimnis, dass sich die 90 Jahre alte Dianne Feinstein nicht mehr im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte befindet. Die Senatorin gibt wirre Stellungnahmen ab, und ihre Einflüsterer müssen sie daran erinnern, wie sie abstimmen will. «Sagen Sie einfach Ja», lautete die Aufforderung an Feinstein. Zu einem Rücktritt auffordern wollen die Fraktionskollegen die altgediente Politikerin aber nicht. (Feinstein hat bekannt gegeben, sich 2024 nicht mehr zur Wahl zu stellen.)
Die Idee, die Amtszeit von nationalen Politikern zu beschränken, ist im breiten Publikum höchst populär. Das weiss auch Nikki Haley. Deshalb ist ihr in Iowa - dem Bundesstaat, in dem im Januar 2024 im Rennen um das Weisse Haus die Vorwahlen beginnen werden - Applaus gewiss, wenn sie über Amtszeitbeschränkungen und kognitive Tests spricht.
Und weil Haley eine geschickte Politikerin ist, schweigt sie sich darüber aus, wann diese Amtszeitbeschränkung greifen soll. Denn einer der beliebtesten republikanischen Politiker Iowas ist ausgerechnet Chuck Grassley, 89 Jahre alt und Senator in Washington seit 1981. Während eines Auftrittes in Iowa City sagte Haley kürzlich, sie sei überzeugt davon, dass Grassley einen kognitiven Test «mit Bravour» bestehen würde.
Das ist wohl nicht falsch: Der Hobby-Landwirt ist auch im hohen Alter noch aufgeweckt, wie ein kürzliches Gespräch am Flughafen von Washington zeigte. Obwohl Grassley direkt aus einer langen Senatssitzung kam, plauderte der Republikaner am späten Abend munter über hohe Mietwagen-Gebühren und den Niedergang amerikanischer Lokalzeitungen. Sein Geheimnis? Angeblich steht der Senator jeden Morgen um 4 Uhr auf, um mehr als 3 Kilometer zu rennen. Seine aktuelle Amtsperiode läuft 2029 ab. Dann wird Grassley 95 Jahre alt sein.