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Die betagten US-Politiker werfen Fragen über Altersbeschränkungen auf

President Joe Biden leaves St. Edmund Roman Catholic Church in Rehoboth Beach, Del., after attending a Mass, Saturday, July 29, 2023. (AP Photo/Manuel Balce Ceneta)
Joe Biden
Joe Biden stolpert.Bild: keystone

Biden stolpert, McConnell hat Aussetzer – die alten US-Politiker bereiten Kopfzerbrechen

Donald Trump ist nicht der einzige betagte Politiker, der Amerika Kopfzerbrechen bereitet. In Washington ist deshalb eine Debatte über Amtszeitbeschränkungen ausgebrochen.
04.08.2023, 11:0304.08.2023, 11:03
Renzo Ruf, Iowa City / ch media
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Nikki Haley hat schnell reagiert. Neuerdings schliesst die republikanische Präsidentschaftskandidatin den 81-jährigen Parteifreund Mitch McConnell in ihre Kritik ein, dass die USA von Politikern regiert werde, die zu alt seien – nachdem der Senator vorigen Mittwoch in einer Pressekonferenz den Faden verloren hatte und 20 Sekunden schweigend an einem Podium gestanden war. Solche Aussetzer, sagte Haley während eines TV-Interviews sinngemäss, könne sich Amerika nicht leisten.

Sie schätze McConnell zwar für seine politischen Erfolge als Fraktionschef der Republikaner im Senat. Aber: «Wir müssen damit aufhören, Politiker zu wählen, weil wir sie mögen und weil sie schon lange dabei sind.» Vielmehr brauche das Land «neue Ideen» und «Menschen, die in Bestform sind», sagte Haley. Sie fordere deshalb nicht nur Amtszeitbeschränkungen in Washington, sondern auch einen kognitiven Test für alle Politiker, die älter als 75 Jahre sind.

epa10771838 Senate Minority Leader Mitch McConnell walks to a meeting with Italian Prime Minister Giorgia Meloni, in Senate Majority Leader Chuck Schumer's office near the Senate chamber, in the  ...
Mitch McConnell, 81-jährig. Bild: keystone

Haley hat leicht reden. Sie feierte zu Jahresbeginn ihren 51. Geburtstag. Für Washingtoner Verhältnisse ist sie damit jung, sehr jung. So ist der Präsident so alt wie keiner seiner Vorgänger. Und manchmal, zum Beispiel wenn Joe Biden eine Treppe hinaufsteigen muss, sieht man dem Demokraten jedes seiner 80 Lebensjahre an. Dennoch will er sich im November 2024 für eine zweite, vier Jahre dauernde Amtszeit bewerben. Ähnlich sein potenzieller Kontrahent, der Republikaner Donald Trump. Der Ex-Präsident hat kürzlich seinen 77. Geburtstag gefeiert.

Kongress kennt keine Amtszeitbeschränkungen

Im Senat, der kleinen Kammer, beträgt das mediane Lebensalter der Volksvertreter 65 Jahre, im Repräsentantenhaus 58 Jahre. Anders gesagt: Im Senat ist die eine Hälfte der 100 Abgeordneten älter als 65 Jahre, die andere jünger.

Aber diese Zahlen zeichnen ein unvollständiges Bild. Denn häufig sind es die ältesten Volksvertreter, die in Washington den Ton angeben. So feiert Bernie Sanders, der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses im Senat, bald seinen 82. Geburtstag. Der Präsident der Justizkommission, Senator Dick Durbin, ist 78 Jahre alt. Und der Demokrat Chuck Schumer, der als Mehrheitsführer die Traktandenliste des Senats kontrolliert, ist 72 Jahre alt.

epa10752257 US Senator Bernie Sanders (Independent of Vermont) speaks to the media after meeting with US President Joe Biden at the White House in Washington, DC, USA, 17 July 2023. EPA/Chris Kleponis ...
Bernie Sanders, bald 82 Jahre alt.Bild: keystone

Ein Grund für diese Entwicklung: Die USA werden grauer. 2022 war die Hälfte der Bewohnerinnen und Bewohner älter als 38.9 Jahre. Ein weiterer Grund: Wer es in Washington zu etwas bringen will, der benötigt Sitzleder. Chuck Schumer zum Beispiel begann seine politische Karriere im Jahr 1975. Fünf Jahre später wurde der New Yorker erstmals ins Repräsentantenhaus gewählt; 1999 folgte der Wechsel in den Senat. Im vorigen Herbst wurde er zum vierten Mal wiedergewählt; die aktuelle Amtszeit läuft Anfang 2029 ab.

Möglich sind solche extra-langen Polit-Karrieren, weil der Kongress keine Amtszeitbeschränkungen kennt. Zwar gibt es ein Minimalalter für Politikerinnen und Politiker - aber kein Ablaufdatum für Mitglieder des Senats und des Repräsentantenhauses. Zuletzt entschied der Supreme Court im Jahr 1995, dass Versuche einzelner Bundesstaaten, eine Amtszeitbeschränkung für nationale Politiker einzuführen, gegen die Verfassung verstiessen. Auch scheiterte im gleichen Jahr der Versuch des republikanisch dominierten Repräsentantenhauses, eine Amtszeitbeschränkung von zwölf Jahren in der Verfassung zu verankern. (Detail am Rande: Schumer stimmte, wenig überraschend, mit Nein.)

Senate Majority Leader Chuck Schumer, D-N.Y., walks to his office at the Capitol in Washington, Thursday, July 27, 2023. Before adjourning for the August recess, Schumer worked to authorize appropriat ...
Chuck Schumer, 72 Jahre alt. Bild: keystone

«Er wird schon wissen, wann die Zeit gekommen ist»

Hinzu kommt: Die beiden Grossparteien sind zwar im Washingtoner Politbetrieb allgegenwärtig, scheinen aber im Umgang mit dem Spitzenpersonal seltsam machtlos zu sein. So machen sich republikanische Senatoren schon lange Sorgen um den Gesundheitszustand von Mitch McConnell, der im Frühjahr bei einem Sturz eine Gehirnerschütterung erlitten hatte. Aber niemand scheint Einblick in die Karrierepläne des einflussreichen Fraktionschefs zu haben. «Er wird schon wissen, wann die Zeit gekommen ist», lautete die Reaktion eines Republikaners auf McConnells Aussetzer.

Ähnlich chaotisch agieren die Demokraten. Seit Monaten ist es im Kapitol in Washington ein offenes Geheimnis, dass sich die 90 Jahre alte Dianne Feinstein nicht mehr im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte befindet. Die Senatorin gibt wirre Stellungnahmen ab, und ihre Einflüsterer müssen sie daran erinnern, wie sie abstimmen will. «Sagen Sie einfach Ja», lautete die Aufforderung an Feinstein. Zu einem Rücktritt auffordern wollen die Fraktionskollegen die altgediente Politikerin aber nicht. (Feinstein hat bekannt gegeben, sich 2024 nicht mehr zur Wahl zu stellen.)

Sen. Dianne Feinstein, D-Calif., speaks during the Senate Intelligence hearing for confirmation of U.S. Air Force Lt. Gen. Timothy Haugh to be the Director of the National Security Agency, Wednesday,  ...
Dianne Feinstein, 90-jährig und nicht mehr im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte.Bild: keystone

Die Idee, die Amtszeit von nationalen Politikern zu beschränken, ist im breiten Publikum höchst populär. Das weiss auch Nikki Haley. Deshalb ist ihr in Iowa - dem Bundesstaat, in dem im Januar 2024 im Rennen um das Weisse Haus die Vorwahlen beginnen werden - Applaus gewiss, wenn sie über Amtszeitbeschränkungen und kognitive Tests spricht.

Und weil Haley eine geschickte Politikerin ist, schweigt sie sich darüber aus, wann diese Amtszeitbeschränkung greifen soll. Denn einer der beliebtesten republikanischen Politiker Iowas ist ausgerechnet Chuck Grassley, 89 Jahre alt und Senator in Washington seit 1981. Während eines Auftrittes in Iowa City sagte Haley kürzlich, sie sei überzeugt davon, dass Grassley einen kognitiven Test «mit Bravour» bestehen würde.

FILE - Sen. Chuck Grassley, R-Iowa, testifies during a House Judiciary subcommittee hearing on Capitol Hill, Thursday, Feb. 9, 2023, in Washington. A U.S. Senate committee has accused the embattled Sw ...
Chuck Grassley.Bild: keystone

Das ist wohl nicht falsch: Der Hobby-Landwirt ist auch im hohen Alter noch aufgeweckt, wie ein kürzliches Gespräch am Flughafen von Washington zeigte. Obwohl Grassley direkt aus einer langen Senatssitzung kam, plauderte der Republikaner am späten Abend munter über hohe Mietwagen-Gebühren und den Niedergang amerikanischer Lokalzeitungen. Sein Geheimnis? Angeblich steht der Senator jeden Morgen um 4 Uhr auf, um mehr als 3 Kilometer zu rennen. Seine aktuelle Amtsperiode läuft 2029 ab. Dann wird Grassley 95 Jahre alt sein.

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57 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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ingmarbergman
04.08.2023 11:35registriert August 2017
Unsere Boomer in Bern sind nicht wirklich besser. Ein Digitalisierungsdebakel nach dem anderen.

Von all den Ü70-Richtern müssen wir gar nicht anfangen zu reden.

Ein fixes Pensionsalter für gewählte Ämter braucht es auch in der Schweiz dringend!
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Snowy
04.08.2023 12:25registriert April 2016
Persönliche und politische Vorlieben mal beiseite.

US Präsident ist der wichtigste Job der Welt und gleichzeitig einer der stressigsten. Alle paar Minuten kommt jemand, der einen Entscheid von höchster Ebene benötigt. Und dies 24/7.
Da muss man extrem schnell kombinieren und Zusammenhänge herstellen können.

Es macht einfach keinen Sinn einen 84-jährigen* einem solchen Jobprofil auszusetzen - auch wenn er noch verhältnismässig "fit" ist.

* Der Durchschnittsamerikaner ist mit 84 bereits seit 10 Jahren tot. Die Lebenserwartung für amerikanische Männer beträgt 74 Jahre...
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jyperion
04.08.2023 12:07registriert März 2015
Und diese Leute entscheiden aktuell darüber, ob man den Taïwan Konflikt eskalieren will, oder doch eher eine Invasion von Westafrika starten soll.
Ich bin eher gegen Amtszeit-Beschränkungen, weil ich keinen Grund sehe, warum man nicht von 40 bis 60 in einem Amt sein sollte, aber bei solchen Zuständen sollte man definitiv etwas Unternehmen. Ein Maximalalter von 80 Jahren, ab dem man nicht mehr kandidieren kann wäre definitiv angebracht. Stellt auch die Demokratie in Frage, wenn solche Leute offensichtlich von ihrem Stab kontrolliert werden (wie Feinstein in diesem Video kürzlich).
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