Sie sprechen von «enormen Fortschritten» in Genf – 6 Punkte zu den Verhandlungen
Was kam in Genf raus?
Im Ringen um einen Friedensplan für ein Ende des Ukraine-Kriegs gibt es Fortschritte. Die Frage ist, wie gross diese tatsächlich sind. Vertreter der USA und der Ukraine haben bei den Gesprächen in Genf gemeinsam einen überarbeiteten und verbesserten Entwurf erstellt. Beide Seiten seien sich einig, die intensive Arbeit an dem Vorschlag «in den kommenden Tagen» fortzusetzen und sich dabei weiter eng mit den europäischen Partnern abzustimmen, hiess es in einer gemeinsamen Erklärung, die in Kiew und Washington verbreitet wurde.
Was ist zu den Änderungen beim Friedensplan bekannt?
Bisher nicht viel. Der neue Entwurf wurde zunächst nicht veröffentlicht. US-Aussenminister Rubio blieb in seinen Ausführungen vor den Medien ebenso vage wie sein ukrainisches Gegenüber Andrij Jermak. Rubio sprach in Genf von «enormen Fortschritten». Die noch offenen Punkte seien «nicht unüberwindbar», sagte er – ohne Details zu den strittigen Themen zu nennen. Aber:
Dass Rubio nicht konkreter wurde, dürfte auch mit einem wichtigen Sachverhalt zusammenhängen: Die Entscheidung liegt am Ende bei Donald Trump. In der gemeinsamen Erklärung der beiden Staaten wurde ebenfalls darauf hingewiesen, dass die Staatsoberhäupter Trump und Selenskyj «finale Entscheidungen» treffen werden.
Was bedeutet das für die Friedensverhandlungen?
Ob die Fortschritte wirklich so enorm sind, wie dies von Rubio dargestellt wurde, ist deshalb fraglich. Denn zunächst braucht es eine Übereinstimmung zwischen den USA und der Ukraine, flankiert von den Europäern, auf Präsidentenebene.
Und dann müsste immer noch die grösste Hürde überwunden werden: Ohne die Zustimmung des russischen Präsidenten Wladimir Putin kann es keinen Frieden geben. Ob dieser Änderungen am ursprünglichen Friedensplan, den Moskau offenbar massgeblich beeinflussen konnte und der auch als «Russlands Wunschliste» bezeichnet worden war, gutheissen würde, ist angesichts ähnlicher Situationen in der Vergangenheit fraglich.
Was sagen die Ukrainer?
Bei der Pressekonferenz zeigte sich die ukrainische Delegation um Kanzleichef Andrij Jermak ebenfalls «sehr zufrieden» mit den Gesprächen. Eine Stellungnahme zu einer späteren Mitteilung des Weissen Hauses, wonach die Ukraine erklärt habe, dass der aktuelle Entwurf die Interessen des Landes widerspiegele und «kurz- und langfristige, glaubwürdige und durchsetzbare Mechanismen zum Schutz der ukrainischen Sicherheit» enthalte, kommentierte das Land dann aber nicht. Die Formulierungen in der zuvor gemeinsam vorgestellten Erklärung waren zurückhaltender.
Was sagen die Europäer?
Die Europäer sicherten sich in Genf die US-Zusicherung, dass Themen, die Nato und Europa direkt betreffen, separat behandelt werden sollen. Rubio erklärte, dass man die Meinungen der europäischen Verbündeten einholen wolle. In Genf hatten am Sonntag in unterschiedlichen Gesprächsformaten Unterhändler Deutschlands, Frankreichs, Grossbritanniens, Italiens und der EU versucht, Einfluss zugunsten der Ukraine und Europas zu nehmen.
Der ursprünglich von US-Präsident Trump vorgestellte, 28 Punkte enthaltende Friedensplan, der als Gesprächsgrundlage galt, wurde gemeinhin als enorm vorteilhaft für Aggressor Russland betrachtet. Sowohl für die Ukraine als auch für Europa waren die Bedingungen teilweise nicht akzeptabel.
Die Europäer brachten deshalb eigene Vorschläge vor, die ihre Interessen angemessener reflektieren. Dazu gehörten unter anderem:
- Die Regierung in Kiew soll keine Gebiete an Russland abgeben müssen, die sie bislang noch selbst kontrolliert.
- Die Grösse der ukrainischen Streitkräfte soll nur auf 800'000 statt auf 600'000 Soldaten begrenzt werden.
- Eingefrorenes russische Staatsvermögen soll nur dann freigegeben werden, wenn Russland Ausgleichszahlungen für die Kriegsschäden leistet.
- Ein Nato-Beitritt der Ukraine soll nicht explizit ausgeschlossen werden.
- Es soll keine allgemeine Amnestie für Kriegsverbrechen gewährt werden.
- Es soll keine 100-Tage-Frist für Neuwahlen in der Ukraine genannt werden, sondern nur eine «schnellstmögliche» Organisation davon.
Offen zeigen sich die Europäer hingegen, die im US-Plan enthaltene Wiedereingliederung Russlands in die G8-Staaten in Betracht zu ziehen.
Wie geht es weiter?
Ursprünglich hatte Donald Trump der Ukraine nur bis diesen Donnerstag – dem US-Feiertag Thanksgiving – Zeit für eine Antwort auf den Friedensplan eingeräumt. Zuletzt zeigte er sich dahingehend aber versöhnlicher.
Rubio weichte die Frist in Genf nun konkret auf. Zwar wünsche er sich ebenfalls einen Abschluss bis Donnerstag – doch «ob Donnerstag, Freitag, Mittwoch oder Montag kommende Woche» sei nachrangig. «Wir wollen, dass es bald passiert», sagte Rubio.
Derweil brachte sich der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan erneut als Vermittler ins Spiel. Er will am Montag mit Wladimir Putin telefonieren und dadurch direkte Gespräche zwischen Ukraine und Russland ermöglichen.
Auch wenn die Parteien in Genf von «enormen» Fortschritten sprachen – ob man tatsächlich so viel weiter ist, scheint fraglich.
Mit Material der Nachrichtenagenturen SDA und DPA.
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