Gericht schliesst Donald Trump von Vorwahlen aus – selbst Demokraten sind überrascht
Mit Empörung haben führende Republikaner am Dienstag auf ein Urteil des höchsten Gerichts im US-Bundesstaat Colorado reagiert, das Donald Trump von den Wahlen im nächsten Jahr disqualifizieren würde. So sprach Speaker Mike Johnson, der Vorsitzende des Repräsentantenhauses in Washington, von einer «kaum verhüllten parteipolitisch motivierten Attacke». Und Nikki Haley, vielleicht die schärfste Kontrahentin von Trump, sagte: «Wir brauchen keine Richter, um diese Entscheidungen zu treffen. Wir brauchen Wähler, um diese Entscheidungen zu treffen.»
Trump selbst allerdings äusserte sich vorerst nicht zum Wahlverbot, das die Richter des westlichen Bundesstaates mit 4 zu 3 Stimmen beschlossen hatten. Während eines vergleichsweisen kurzen Auftrittes in Iowa ging der Präsidentschaftskandidat mit keinem Wort auf das Urteil ein. (Stattdessen hetzte Trump erneut gegen Migranten, die «das Blut unseres Landes vergiften».) Sein Wahlkampfstab kündigte derweil in einer schriftlichen Stellungnahme an, das höchste Gericht des Landes anzurufen.
Verfassungszusatz aus dem Jahr 1868
Im Zentrum des Urteils in Colorado, einem veritablen juristischen Donnerschlag, steht der dritte Absatz des 14. Zusatzartikels der amerikanischen Verfassung. Darin ist seit 1868 zu lesen, dass Funktionäre, die sich an einer Rebellion beteiligt haben, sich nicht mehr für staatliche Ämter bewerben dürfen. (Acht Personen wurden in den vergangenen 155 Jahren aufgrund dieses Passus von Wahlen ausgeschlossen.)
Gegner von Trump, unterstützt von linken Aktivisten und Interessengruppierungen, sehen in diesem etwas umständlich formulierten Absatz die ideale Handhabe, Trump in der Präsidentenwahl 2024 zu disqualifizieren. Sie argumentieren, dass der damalige Präsident vor fast drei Jahren Teil einer Rebellion gegen die Staatsgewalt gewesen sei. Am 6. Januar 2021 versuchten Trump-Anhänger in Washington, die Bestätigung des Sieges von Joe Biden bei der Präsidentenwahl zu stoppen - nachdem sie vom abgewählten Präsidenten aufgestachelt worden waren.
Der Supreme Court von Colorado teilt nun diese Meinung, nachdem Gerichte in Michigan oder Minnesota zuvor diese Argumentation zurückgewiesen hatten. Das Gericht in Denver sah es zudem als erwiesen an, dass der entsprechende Passus der Verfassung auch für Präsidenten gelte - obwohl das höchste Staatsamt nicht explizit erwähnt ist.
Die vier Richter verwiesen in ihrer Urteilsbegründung auf die Vorgeschichte des 14. Verfassungszusatz, der nach dem Ende des Bürgerkriegs (1861-1865) verabschiedet worden war. Die Autoren seien getrieben gewesen «von einem Gefühl des Verrats», hatte sich die Führungsspitze der abtrünnigen Südstaaten doch aus ehemaligen US-Amtsträgern zusammengesetzt. Entscheidend sei deshalb nicht die Position des Amtsträgers, sondern die Tatsache, dass er seinen Eid auf die Verfassung verletzt habe, heisst es im Urteil.
Alle Augen auf Supreme Court
Der Supreme Court legte das Urteil vorläufig auf Eis, um Trump Zeit für einen Rekurs vor dem höchsten Gericht des Landes - dem Supreme Court in Washington - zu geben. Die Anmeldefrist für die Vorwahl in Colorado läuft bereits am 4. Januar 2024 ab, während die Primary auf Anfang März angesetzt ist. Es ist deshalb anzunehmen, dass der Supreme Court sich bald zu Wort melden wird.
Auffallend an den ersten Reaktionen war am Dienstag, dass auch einige Demokraten mit Unbehagen auf das Urteil reagierten. Vielleicht sei dies die buchstabengetreue Umsetzung der Verfassung, war zu hören. Aber profitieren davon werde letztlich nur Trump, der schon lange behaupte, dass sein politischer Gegner alles daransetzen werde, seine erneute Kandidatur zu verhindern. (aargauerzeitung.ch)
