Glaubt man den getwitterten Betroffenheits-Bekundungen von Barack Obama und anderen hochrangigen Politikern, dann war George H. W. Bush ein Demokratieförderer und Wohltäter sondergleichen.
Und auch der Apple-Chef lobte den am Freitag verstorbenen Staatsmann in den höchsten Tönen ...
Doch die Wahrheit ist vielschichtiger.
George H. W. Bush sei eine öffentliche Person gewesen. Einer von nur 44 Männern, die jemals als Präsident der Vereinigten Staaten gedient haben, kommentiert The Intercept. Deshalb könne man nicht zulassen, dass seine Amtszeit dermassen «dreist beschönigt» werde.
Die unbequeme Wahrheit sei, dass die Präsidentschaft von George Herbert Walker Bush viel mehr mit den erkennbar kriegerischen, korrupten und rechtsgerichteten republikanischen Persönlichkeiten gemein hatte, die nach ihm kamen, als es nun in den Nachrufen dargestellt werde.
Der Blick zurück mit sechs unbequemen Fakten:
Der Name Willie Horton sollte für immer mit Bushs Präsidentschaftskandidatur von 1988 verbunden sein, kommentiert The Intercept.
Horton verbüsste eine lebenslange Freiheitsstrafe für Mord in Massachusetts – wo Bushs demokratischer Gegner Michael Dukakis Gouverneur war. Dann floh der verurteilte Gewalttäter, der unter fragwürdigen Umständen Wochenend-Urlaub erhalten hatte, und vergewaltigte eine Frau.
Kurz darauf wurde im US-Fernsehen ein rassistischer TV-Spot ausgestrahlt, der verdeutlichte, dass Horton schwarz und sein Opfer weiss war. Die rassistische Stimmungsmache sollte Dukakis das Präsidentenamt kosten.
Bushs Kampagnenleiter entschuldigte sich später für den TV-Spot, respektive dafür, den Gewalttäter Horton gegen Dukakis verwendet zu haben. Nicht aber Bush.
13 Jahre bevor sein Sohn George W. Bush über Massenvernichtungswaffen fabulierte, um die Invasion und Besetzung des Iraks zu rechtfertigen, machte der Vater seine eigenen falschen Behauptungen, um die Luftbombardierung desselben Landes zu rechtfertigen. Der Golfkrieg wurde «auf einem Berg von Kriegspropaganda verkauft», wie die Untersuchung des Journalisten Joshua Keating ergab.
Unter Bush senior warfen die USA 88'500 Tonnen Bomben auf den Irak und das von Irakern besetzte Kuwait ab, von denen viele zu schrecklichen zivilen Verlusten führten.
Als amtierender US-Präsident war Bush Oberbefehlshaber der Streitkräfte und damit oberster Verantwortlicher.
1992 wurde geschätzt, dass der Golfkrieg von Bush senior den Tod von 158'000 Irakern verursacht hatte, darunter 13'000 sofortige zivile Todesfälle und 70'000 Todesfälle durch die Schäden an Strom- und Kläranlagen.
Die US-Staatsangestellte, die dies publik machte, wurde von ihren Vorgesetzten mit Entlassung bedroht, wegen der Veröffentlichung angeblich «falscher Informationen».
Im gleichen Jahr wurde Bill Clinton neuer Präsident.
Die Iran-Contra-Affäre wurde während der Präsidentschaft von Ronald Reagan in den 80er-Jahren enthüllt. Demnach liess die US-Regierung Einnahmen aus geheimen Waffenverkäufen an den Iran an die rechtsgerichtete Guerilla-Bewegung der Contras in Nicaragua weiterleiten.
In die höchst fragwürdigen Geschäfte eingeweiht war auch der damalige Vizepräsident, George H. W. Bush. Dieser weigerte sich allerdings standhaft, auszusagen, und behinderte so die Untersuchung.
Schlimmer noch: In den letzten Tagen seiner Präsidentschaft begnadigte Bush sechs Angeklagte in der Iran-Contra-Affäre, darunter den ehemaligen Verteidigungsminister Caspar Weinberger, und zwar am Vorabend von Weinbergers Prozess wegen Meineids und Behinderung der Justiz.
Das klinge sehr nach einem «Trumpschen Fall von Behinderung der Justiz», kommentiert The Intercept.
Der Investigativ-Journalist Glenn Greenwald twitterte:
Walsh: Bush 41's pardons of his own close aides, several of whom had been convicted of lying to investigators, "demonstrates that powerful people with powerful allies can commit serious crimes in high office -- deliberately abusing the public trust without consequence."
— Glenn Greenwald (@ggreenwald) 1. Dezember 2018
Im September 1989 wandte sich der US-Präsident via Fernsehansprache an die Nation und hielt ein Säckchen mit Crack in die Kamera. Die Droge sei in einem Park gleich gegenüber dem Weissen Haus beschlagnahmt worden. Bush nutzte die Gelegenheit, um eine Erhöhung der Ausgaben für den Drogenkrieg um 1,5 Milliarden Dollar zu fordern:
Recherchen der «Washington Post» ergaben später, dass Bundesagenten den Drogendealer dorthin gelockt hatten.
Seit Beginn der #MeToo-Bewegung Ende 2017 behaupteten mindestens acht verschiedene Frauen, dass der ehemalige Präsident sie betatscht habe. In den meisten Fällen sei dies passiert, während sie mit ihm für Fotos posierten.
Das harte Fazit von The Intercept: Der 41. Präsident der Vereinigten Staaten hatte viel mehr gemeinsam mit den beiden republikanischen Präsidenten, die nach ihm kamen, als seine Fans uns heute glauben lassen möchten.
Du möchtest noch eine ganz andere Perspektive lesen? Wie wär's mit dem Einfluss, den Bush auf unseren Nachbarn Deutschland und den Kalten Krieg hatte? Der frühere «Spiegel»-Korrespondent Richard Kiessler meint:
Hier geht's zu seiner Lobeshymne. Titel: «Wie George Bush zum ‹Freund der Deutschen› wurde».
(dsc)