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Ist Trump nun ein Faschist oder nicht?

President Donald Trump smiles as he meets with American pastor Andrew Brunson in the Oval Office of the White House, Saturday Oct. 13, 2018, in Washington. Trump welcomed Brunson to the Oval Office on ...
Lächelt alles weg: Donald Trump.Bild: AP/AP
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Ist Trump nun ein Faschist oder nicht?

Der Filmer Michael Moore und der Yale-Historiker Timothy Snyder warnen davor, dass die USA in einen «freundlichen Faschismus» abgleiten.
15.10.2018, 13:3216.10.2018, 08:13
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In den Schlusssequenzen seines neuesten Films «Fahrenheit 11/9» lässt Michael Moore Trump und Hitler zu einer Person verschmelzen. Die Botschaft ist klar: Trump ist der Führer eines neuen Faschismus im 21. Jahrhundert geworden.

Moore ist ein Propagandist, der mit einem sehr breiten Pinsel malt und sich wenig um Details kümmert. Doch er ist kein einsamer Rufer in der Wüste. Prominente Historiker und Totalitarismus-Experten wie Anne Applebaum oder Timothy Snyder teilen seine Befürchtungen; und das neue Buch von der ehemaligen US-Aussenministerin Madeleine Albright trägt nicht zufällig den Titel «Faschismus».

Faschismus ist ein ausgelutschter Begriff. Zu oft wurde und wird er nach wie vor missbräuchlich verwendet. Politische Feinde werden gedankenlos als Faschisten abgestempelt. Damit werden die Gräueltaten der Nazis und der Holocaust verharmlost.

Faschismus ist zudem ein schwammiger Begriff. Der britische Historiker Ian Kershaw schreibt in seinem Buch «Höllensturz»: Faschismus zu definieren sei, als ob man einen Pudding an die Wand nageln wolle. Mit Faschismus assoziieren wir schliesslich nach wie vor Männer in braunen Hemden und schwarzen Stiefeln, die rassistische Parolen brüllen und unsägliche Grausamkeiten begehen.

Fahrenheit 11/9 Michael Moore
Schiesst aus vollen Rohren: Michael Moore im Anti-Trump-Film «Fahrenheit 11/9».Bild: Elite film

Der moderne Faschismus hat damit nichts zu tun. Es handelt sich vielmehr um ein Phänomen, das der amerikanische Soziologe Betram Gross schon 1980 in seinem gleichnamigen Buch «Freundlicher Faschismus» genannt hat. Dieser Faschismus kommt nicht in Viehwagons und Konzentrationslagern daher, sondern mit lachenden Gesichtern und TV-Shows.

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Kahlköpfig und tätowiert: Das entspricht dem Klischee eines Neonazis. Bild: AP

Donald Trump wurde als Gastgeber der Reality-TV-Sendung «The Apprentice» ein Star. In einem Punkt sind sich daher auch seine Kritiker einig: Er versteht, wie Medien funktionieren, genauso wie dies seinerzeit Hitler und Stalin taten. Trumps notorische Lügen – kürzlich hat er an einer Wahlkampfveranstaltung 74 Unwahrheiten von sich gegeben – sind Kalkül. Sein ehemaliger Wahlkampfmanager Steve Bannon hat einst erklärt, die beste Strategie sei es, die Medien permanent mit Sch… zu fluten.

Wie einst Hitler und Stalin beschimpft Trump seriöse Medien als «Fake News» und Journalisten als «Feinde des Volkes». Gleichzeitig sorgt er mit seinen Tweets für immer neue Skandale. Das Resultat ist ein nie endender News-Lärm auf allen Kanälen, der alles zudröhnt. Als die «New York Times» kürzlich enthüllte, dass die Familie Trump mehr als 400 Millionen Dollar Steuergelder hinterzogen hat, ging diese Geschichte sang- und klanglos im alltäglichen News-Lärm unter.

epa07084583 United States President Donald J. Trump speaks to supporters during a rally at the Erie Insurance Arena Arena in Erie, Pennsylvania, USA, 10 October 2018. EPA/DAVID MAXWELL
74 Lügen in einer Rede: Trump an einer Wahlkampfveranstaltung.Bild: EPA/EPA

Nicht nur Journalisten, auch politische Gegner werden von Trump beschimpft und lächerlich gemacht. Er bezeichnet die Demokraten als «böse», als «Partei des Verbrechens», die «das Land zerstört» und es «in ein neues Venezuela» verwandeln will. Überhaupt seien Demokraten ein «wütender Mob» und «zu gefährlich, um zu regieren».

Schliesslich greift Trump regelmässig die tragenden Institutionen des Rechtsstaates und der Demokratie an: Das FBI und das Justizdepartement stehen wegen der Russland-Affäre in der Kritik. Nach einer miserablen Woche an den Börsen beschimpft Trump nun auch die Notenbank. Sie sei «verrückt» geworden, weil sie die Leitzinsen zu stark erhöht habe. Selbst konservative Ökonomen waren konsterniert.

Aussenpolitisch lässt Trump den Streit mit China eskalieren. Bereits ist von einem neuen «Kalten Krieg» die Rede. «Interviews mit hohen Vertretern des Weissen Hauses machen klar, dass die neuesten Angriffe keine Ausnahme von Trumps China-Politik waren», meldet etwa das «Wall Street Journal». «Sie entsprechen genau dem, was die Regierung will.»

Lügen, Medien manipulieren, politische Gegner diffamieren, Institutionen des Rechtsstaates unterhöhlen und mit Kriegen drohen: Trump beherrscht das Einmaleins des «freundlichen Faschismus». «Doch Trump fehlt ein entscheidendes Merkmal des faschistischen Typus», wendet Edward Luce in der «Financial Times» ein. «Er hat sich die Staatsorgane nicht unterworfen.»

«Totalitäre Herrscher säubern zuerst die Armee und installieren Loyalisten», so Luce weiter. «Danach machen sie systematisch das Gleiche bei Polizei, Geheimdiensten und anderen Institutionen. Erst dann kann die Zivilgesellschaft unterworfen werden. Mr. Trump versucht dies erst gar nicht. Vielleicht, weil er weiss, wie schwierig dies in Amerika sein würde und daher hat er das Pentagon bisher in Ruhe gelassen.»

Das könnte sich ändern. Bereits bezeichnet Trump seinen eigenen Verteidigungsminister, den Vier-Sterne-General Jim Mattis, als «Demokraten» und signalisiert damit, dass er ihn nach den Novemberwahlen feuern könnte. Dass dieses Schicksal Justizminister Jeff Sessions droht, pfeifen die Spatzen von den Dächern. Allgemein wird mit einer Reorganisation der US-Regierung gerechnet.

Trump mit Hitler gleichzusetzen, lässt sich nicht vertreten. Die sich mehrenden Anzeichen eines «freundlichen Faschismus» sind jedoch nicht mehr zu übersehen. Die Gefahr, dass die USA in ihre schlimmste Krise seit dem Bürgerkrieg schlittern, ist real.

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Video: srf
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87 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Ritiker K.
15.10.2018 14:03registriert Mai 2018
Wie war nun schon wieder die treffende Bezeichnung von Donald Trump durch einen User hier in den Kommentaren:

Twitler

passt....
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Ueli der Knecht
15.10.2018 13:55registriert April 2017
"Dieser Faschismus kommt nicht in Viehwagons und Konzentrationslagern daher, sondern mit lachenden Gesichtern und TV-Shows."

Der Faschismus der 30er-Jahren kam nicht "in Viehwagons und Konzentrationslagern" oder "braunen Hemden und schwarzen Stiefeln und unsäglichen Grausamkeiten" daher. Das sind nicht die Anfänge von Faschismus, sondern dessen üblen Folgen.

Faschismus wusste sich stets attraktiv zu verkleiden, und die Leute zu begeistern und zu verführen. Blau ist das neue Braun.

"Ist Trump nun ein Faschist oder nicht?"

Jedenfalls ist Trump faschistoid. Faschismus-ähnlich.
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Snowy
15.10.2018 13:50registriert April 2016
Danke für diese treffende Analyse.
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