Lou Dobbs ist Moderator beim Fox Business Network und ein glühender Verehrer von Donald Trump. Vergangene Woche hatte er Chris Farrell in seiner Show «Lou Dobbs Tonight». Farrell gehört zu einer Lobbygruppe der äussersten Rechten names Judical Watch. Ohne die geringsten Beweise vorzulegen, behauptete er, die Flüchtlingskarawane aus Honduras sei vom Hedge-Fund-Manager George Soros finanziert worden.
Der Auftritt provozierte einen Shitstorm in den sozialen Medien. Dobbs und Farrell wurden mit dem legendären antisemitischen Pamphlet «Protokoll der Weisen von Zion» verglichen. Darin wird die These von einer Verschwörung verbreitet, die das Ziel haben soll, eine jüdische Weltherrschaft zu errichten. Das Pamphlet wurde von unbekannten Autoren zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Russland verfasst. Auch die Nazis machten gerne davon Gebrauch.
Es ist kein Zufall, dass Soros das Ziel der Attacken ist. Er war auch im Visier von Cesar Sayoc, dem mutmasslichen Bomben-Attentäter aus Florida; und er ist seit Jahrzehnten die Hassfigur der Rechten: «Der Name ‹George Soros› wird nicht mehr als Hundepfeife verwendet, sondern als Blaulicht-Sirene», schreibt das Magazin «New Yorker».
(Anm. d. Verf.: Die Töne einer Hundepfeife werden von Menschen nicht gehört. Die Metapher wird daher verwendet, um auszudrücken, dass nur Eingeweihte wissen, was mit bestimmten Äusserungen gemeint ist.)
Soros entspricht dem Klischee der Antisemiten perfekt. Er ist Jude – als Kind entkam er den Nazis in Budapest nur knapp – und er hat an den Börsen mit waghalsigen Spekulationen ein Milliardenvermögen verdient. Den grössten Teil dieses Geldes steckt er in seine Open-Society-Stiftung, die sich weltweit für eine liberale Gesellschaftsordnung einsetzt.
Damit hat sich Soros die Rechten zum Feind gemacht. In Ungarn wird ihm von Premierminister Viktor Orban unterstellt, er wolle Europa den Muslimen überlassen. Auch andere Hassprediger des ehemaligen Ostblocks prügeln auf ihn ein. In der Schweiz ist er neuerdings ins Fadenkreuz von Roger Köppel geraten.
In den USA hat das Soros-Bashing der Rechten bereits Tradition. Der ehemalige Fox-News-Moderator Glenn Beck hat ihn schon vor Jahren zum Mittelpunkt einer Weltverschwörungs-Theorie gemacht, die geradewegs aus dem «Protokoll der Weisen von Zion» stammen könnte. Breitbart, das von Steve Bannon gegründete Online-Newsportal, hetzt regelmässig gegen ihn.
1790 hatte George Washington den Juden versprochen, sie müssten keine Angst haben. «Die Regierung der Vereinigten Staaten unterstützt den religiösen Fanatismus nicht», schrieb er in einem Brief an die Synagoge von Newport. «Mögen die Nachfahren von Abraham, die in diesem Land leben, die gute Nachbarschaft der anderen geniessen – und jedermann soll in Frieden und ohne Angst unter seinem Feigenbaum sitzen können.»
Dieses Versprechen ist in der amerikanischen Geschichte öfters gebrochen worden. Der Ku-Klux-Klan hat nicht nur Schwarze, sondern auch Juden verfolgt. In den Dreissigerjahren genossen die Nazis auch auf der anderen Seite des Atlantiks Sympathien. Bekanntester Vertreter war das Fliegerass Charles Lindbergh, der sich offen zu Hitler und den Nazis bekannte, und der zeitweise als Präsidentschaftskandidat gehandelt wurde.
Faschisten, die mit braunen Hemden und Hakenkreuz-Fahnen auftreten, gibt es in den USA nur wenige, und sie sind offensichtlich durchgeknallt. Die sogenannte Alt-rigth-Bewegung hingegen befindet sich im Aufwind. Sie setzen ebenfalls auf die Reinheit und die Überlegenheit der weissen Rasse. Ihr Antisemitismus ist jedoch weniger offensichtlich.
Gelegentlich bricht der Rassismus der zivilisierten Faschisten trotzdem durch. Als Trump die Wahl gewann, jubelte Richard Spencer, der Anführer der Alt-right-Bewegung: «Heil Trump», während seine Anhänger die Arme zum Hitlergruss erhoben. An der Alt-right-Demonstration in Charlottesville im vergangenen Sommer skandierten die Teilnehmer «Juden werden uns nicht ersetzen».
Trump hat ein sehr zwiespältiges Verhältnis zu den neuen Antisemiten. 2016 hatte er in seinem Wahlkampf Flyer verteilen lassen, in denen Fotos von George Soros, dem CEO von Goldman Sachs, Lloyd Blankfein und der damaligen Präsidentin der Notenbank, Janet Yellen, zu sehen waren. Alles offensichtliche Anspielungen auf geldgierige Banken-Juden.
Die Vorfälle in Charlottesville hat Trump nie eindeutig verurteilt, sondern davon gesprochen, es hätte bei den Demonstranten «auf beiden Seiten tolle Typen» gehabt. Schliesslich haben die antisemitischen Angriffe massiv zugenommen seit Trump im Amt ist. Gemäss Angaben der Anti-Defamation League waren es 57 Prozent.
Gleichzeitig ist Trumps Schwiegersohn Jared Kushner ein gläubiger Jude. Seine Tochter Ivanka ist zum jüdischen Glauben übergetreten und er ist Grossvater von jüdischen Enkeln. Ebenso ist Trump ein grosser Förderer Israels. Er hat die US-Botschaft nach Jerusalem verlagern lassen. Israel ist daher wahrscheinlich das einzige Land der Welt, in dem Trump mehr Freunde als Feinde hat.
Trump wird von den Antisemiten und von Israel gleichzeitig verehrt. Wie lässt sich dieser seltsame Widerspruch erklären? Israel spielt im Weltbild der Evangelikalen eine herausragende Rolle. Einerseits wird Jesus nur dann wiederkehren, wenn Palästina wieder in jüdischer Hand ist.
Andererseits waren es die Juden, die gemäss christlichen Fundamentalisten Jesus gekreuzigt haben sollen. «Die Geschichte von Jesus’ Tod ist in allen christlichen Glaubensrichtungen während 2000 Jahren verbreitet worden», schreibt Jeffrey Herf in der «Washington Post». «Die katholische Kirche hat erst 1965 entschieden, dass weder die Juden zu Zeiten von Jesus noch ihre Nachkommen für den Tod von Christus verantwortlich sind. Sehr viel jüdisches Blut ist geflossen, bis die Kirche zu dieser Einsicht gelangt ist.»
Der Friede zwischen Christen und Juden ist nach wie vor brüchig. Antisemitismus und Nationalismus gehen Hand in Hand, und wenn Nationalisten wie Trump an der Macht sind, kann es für Juden sehr schnell wieder eng werden.