Wie der Friedensplan von der USA und Russland zustande kam
Vertreter der US-Regierung und des Kremls sollen in den vergangenen Wochen im Geheimen einen Friedensplan für die Ukraine erarbeitet haben. Der Rahmenentwurf enthält laut übereinstimmenden US-Medienberichten 28 Punkte, die der Ukraine einige Zugeständnisse an Russland abverlangen. So soll sich die ukrainische Armee etwa vollständig aus den Gebieten Donezk und Luhansk im Osten des Landes zurückziehen und die Zahl ihrer Soldaten halbieren.
Die Ukraine gerät nun weiter unter Druck. Denn zu den aktuellen Berichten kommt noch die für den Moment aus ukrainischer Sicht ungünstige militärische Lage im Donbass sowie ein Korruptionsskandal, der das Umfeld von Präsident Wolodymyr Selenskyj erschüttert. Als indirekte Reaktion auf den angeblichen neuen Friedensplan schrieb er in sozialen Netzwerken: «Nur Präsident Trump und die USA haben genügend Kraft, dass dieser Krieg zu einem Ende kommt.»
Berichte darüber, wie der neue Plan entstanden sein soll, werfen indes ein neues Schlaglicht darauf, welche Strategie die USA offenbar verfolgen, um ein Kriegsende herbeizuführen. Die Ukraine wird dabei vor scheinbar vollendete Tatsachen gestellt, ohne jemals an ersten Gesprächen beteiligt gewesen zu sein. Stattdessen verhandelten je ein Gesandter des Weissen Hauses und des Kremls die wichtigsten Punkte. Und Washington nutzt dabei wohl einen kürzlich geschlossenen Friedenspakt für den Nahen Osten als Schablone.
Diese Männer waren an den Verhandlungen beteiligt
Das Nachrichtenportal «Axios» in Washington berichtete, der Plan sei Ende Oktober von Trumps Sondergesandtem Steve Witkoff und dem Moskauer Vertreter Kirill Dmitrijew in Miami ausgehandelt worden. Beide Männer hatten sich in der Vergangenheit bereits mehrfach getroffen – sowohl in Washington als auch in Moskau.
Den Angaben nach soll Witkoff die Überlegungen dem Chef des ukrainischen Sicherheitsrates, Rustem Umjerow, zur Kenntnis gebracht haben. Dieser hatte sich Anfang der Woche mit Witkoff in der Stadt an der Südspitze des US-Bundesstaats Florida getroffen.
Wie die «Financial Times» berichtet, soll Witkoff bei dem Treffen mit dem Ukrainer deutlich gemacht haben, er wolle, dass Selenskyj dem Entwurf zustimmt – auch wenn manche der Punkte rote Linien deutlich überschritten, die Kiew schon seit Langem gezogen hat. Dazu gehört etwa, dass die Ukraine Gebietsabtretungen an Russland ablehnt und im Falle einer Waffenruhe belastbare Sicherheitsgarantien einfordert. Garantien in Form einer Friedenstruppe hingegen lehnt der neue Entwurf ab – ein Zugeständnis an Moskau.
Laut dem «Wall Street Journal» sollen neben Witkoff auf US-Seite auch Jared Kushner, Schwiegersohn von US-Präsident Donald Trump, und Aussenminister Marco Rubio an den Verhandlungen mit Dmitrijew beteiligt gewesen sein. An die Medien jedoch sollte das Dokument nach Willen der US-Vertreter offensichtlich zu diesem Zeitpunkt noch nicht durchgestochen werden.
Witkoff kommentiert Medienbericht wohl versehentlich
Denn als «Axios»-Reporter Barak Ravid zuerst auf der Plattform X berichtete, dass die USA an einem geheimen Plan arbeiteten, reagierte Steve Witkoff nur wenige Minuten später darauf – wohl unabsichtlich. Witkoff kommentierte unter dem entsprechenden Beitrag kryptisch: «He must have got this from K.» (zu Deutsch: «Er muss es von K. bekommen haben»).
Looks like Steve Witkoff tweeted what was meant to be a DM, saying the content for this much-discussed Axios story must have come from "K." Almost certainly this refers to Kirill Dmitriev, who is quoted in the story. But it seems the Russian side is leaking this for a reason.… pic.twitter.com/xuP2lV1FcZ
— Michael Weiss (@michaeldweiss) November 19, 2025
Wen Witkoff damit meinte, ist nicht schlussendlich klar. Beobachter gehen jedoch davon aus, dass er damit auf den russischen Vertreter Kirill Dmitrijew anspielte. Vermutlich wollte Witkoff den Beitrag mit dieser Nachricht an jemanden direkt verschicken und nicht etwa öffentlich kommentieren. Zumindest legt die baldige Löschung seines Kommentars dies nahe. Dennoch wurde dieser noch vor der Entfernung von Nutzern per Screenshot festgehalten.
Dmitrijew selbst erklärte «Axios», dass der Entwurf darauf abziele, «endlich Sicherheit für Europa und nicht nur für die Ukraine» zu erreichen. Das Dokument soll dann Grundlage eines neuen Treffens zwischen Trump und Kremlchef Wladimir Putin sein. Beide hatten sich bereits im August in Alaska getroffen. Eine weitere geplante Zusammenkunft in der ungarischen Hauptstadt Budapest scheiterte jedoch kürzlich.
Moskau will von Friedensplan nichts wissen
In Moskau sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow, es gebe zwischen Russland und den USA keine neuen Vorschläge für ein Kriegsende. Es gelte weiter, was von Kremlchef Wladimir Putin und Trump bei ihrem Alaska-Gipfel besprochen worden sei. Der neue Plan entspricht nach Einschätzung der «Financial Times» weitgehend den russischen Forderungen an Kiew.
Wie bei Trumps Friedensinitiative für Gaza sollen laut «Axios» Katar und die Türkei auch an dem Ukraine-Plan beteiligt gewesen sein. Auch diese Initiative geht auf einen 20-Punkte-Entwurf der USA zurück. An den Verhandlungen, die am 10. Oktober in einer bis heute wackligen Waffenruhe gipfelten, waren ebenfalls Witkoff und Kushner beteiligt. Der Gaza-Plan diente offenbar als Blaupause für neue Überlegungen zur Ukraine.
Europa reagiert verhalten und fordert Beteiligung der Ukraine
Europäische Staats- und Regierungschefs reagierten verhalten auf den angeblichen Friedensentwurf für die Ukraine. Bundesaussenminister Johann Wadephul (CDU) erklärte am Donnerstag in Brüssel, dass Verhandlungen über einen Waffenstillstand «nur mit der Ukraine besprochen und verhandelt werden» könnten. Er forderte zudem, Europa sei bei solchen Gesprächen «einzubeziehen».
Die EU-Aussenbeauftragte Kaja Kallas stiess ins selbe Horn: «Damit jedweder Friedensplan funktioniert, müssen die Ukrainer und die Europäer an Bord sein.»
Der französische Aussenminister Jean-Noël Barrot betonte, ein Frieden in der Ukraine dürfe keine «Kapitulation» für Kiew bedeuten. Die Gespräche sollten «mit einem Waffenstillstand» an der Front beginnen, der «geordnete Gespräche über die Frage der Gebiete und der Sicherheit» ermöglichen würde.
Der polnische Aussenminister Radosław Sikorski sprach sich gegen eine mögliche Verkleinerung der ukrainischen Streitkräfte aus. Er hoffe, dass «nicht das Opfer Einschränkungen in seiner Fähigkeit zur Verteidigung auferlegt» bekomme.
Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdoğan sprach am Mittwoch in Ankara mit seinem ukrainischen Amtskollegen Selenskyj und forderte Moskau und Kiew zu neuen Verhandlungen auf. Vor dem Hintergrund der neuesten Berichte steht für Selenskyj heute in Kiew ein Treffen mit einer US-Militärdelegation an.

