Das ungewöhnliche Stimmverhalten der amerikanischen Delegation bei den Vereinten Nationen sorgt für ein Nachbeben. «Ein trauriger Tag für die USA an der UNO», titelten die Kommentatoren des «Wall Street Journal» am Dienstag.
Der konservative Senator John Curtis donnerte auf dem Online-Dienst X: Russland und Nordkorea – zwei Staaten, mit denen die USA am Montag gegen eine Ukraine-Resolution gestimmt hatten – seien «nicht unsere Freunde». Was sich da in der UNO-Vollversammlung abgespielt habe, sei eine «dramatische Abkehr von den amerikanischen Idealen von Freiheit und Demokratie», schrieb Curtis. Und der rechte Radiomoderator Erick Erickson, normalerweise kein Anhänger der UNO, sagte über das Vorgehen der US-Delegation: «Das ist nicht richtig.»
Anlass für diese Breitseiten war eine Serie von Abstimmungen, die am Vortag am Hauptsitz der Vereinten Nationen für Aufregung gesorgt hatten. So verabschiedete die Vollversammlung eine Resolution der Ukraine am Jahrestag der russischen Invasion, die einen vollständigen Abzug der feindlichen Truppen forderte. Die USA sprachen sich gegen diesen (rechtlich unverbindlichen) Vorstoss aus, und zwar zusammen mit Russland, Weissrussland, Eritrea, Israel, Haiti, Nordkorea, Ungarn und zehn weiteren Staaten. Die Schweiz stimmte mit Ja.
Das war kein Ausrutscher der USA, wie sich in zwei weiteren Abstimmungen alsbald zeigte. So weigerten sich die Amerikaner in der Vollversammlung, einen eigenen Vorstoss zu unterstützen, nachdem es den europäischen Staaten gelungen war, die Vorlage um den Passus zu ergänzen, dass Russland im Ukraine-Krieg der Aggressor sei. Und im Sicherheitsrat sahen die Amerikaner zu, wie Russland mit seinem Veto verhinderte, dass ihre zahnlose Resolution zum Ukraine-Krieg um einen Passus zur Schuldfrage des Konfliktes ergänzt wurde. In der Schlussabstimmung enthielten sich die Europäer, während die USA mit Russlands UNO-Botschafter Wassili Nebensja Ja sagten.
Beobachter zeigten sich entsetzt über das Stimmverhalten der Amerikaner. Der langjährige UNO-Beobachter Richard Gowan, der für die Denkfabrik International Crisis Group arbeitet, sagte zu CH Media: Er könne sich nicht daran erinnern, dass die USA schon jemals gemeinsame Sache mit Nordkorea gegen den vereinten Westen gemacht hätten.
Aber eigentlich sollte diese Kursänderung niemanden überraschen. Der neue Präsident Donald Trump hat in zahlreichen Wortmeldungen klargemacht, dass er den Ausgleich mit Putin sucht. So weigert er sich beharrlich, den russischen Präsidenten als Aggressor im Ukraine-Krieg zu bezeichnen.
Hinzu kommt, dass der Posten der amerikanischen UNO-Botschafterin noch vakant ist. Trumps Kandidatin steht zwar in den Startlöchern. Aber weil Elise Stefanik derzeit Abgeordnete im Repräsentantenhaus ist und die Republikaner in der grossen Kongresskammer nur über eine hauchdünne Mehrheit verfügen, verzögert sich die Bestätigung der 40-Jährigen durch den Senat. Derweil steht an der Spitze der UNO-Botschaft eine Geschäftsträgerin.