«Die Fluglotsen müssen sich jetzt darauf konzentrieren, wie sie für ihre Kinder sorgen»
Seit nunmehr 29 Tagen stehen die USA ohne Haushalt da – es ist der zweitlängste Shutdown in der Geschichte des Landes. Hunderttausende von Regierungsangestellten befinden sich aufgrund des Shutdowns im unbezahlten Zwangsurlaub. Weil viele Amerikanerinnen und Amerikaner von Lohn zu Lohn leben, stehen mittlerweile selbst Beamtinnen und Beamte, die seit Jahrzehnten für den Staat arbeiten, bei Essensabgaben an.
Noch immer streiten Demokraten und Republikaner im Kongress über einen Übergangshaushalt. Die Demokraten beharren darauf, dass Prämienverbilligungen für die Krankenkassen weitergeführt werden. Ebenso möchten sie, dass Trump seine Kürzungen bei Medicaid, dem staatlichen Gesundheitsprogramm für ältere, behinderte und einkommensschwache Menschen, zurücknimmt.
Die Republikaner zeigen sich grundsätzlich gesprächsbereit, wollen die Prämienverbilligung jedoch losgelöst vom Übergangshaushalt behandeln.
Am Dienstag ist die Verabschiedung eines Übergangshaushalts im Senat zum 13. Mal gescheitert. Beim jüngsten Versuch stimmten 54 Senatoren für den im Repräsentantenhaus bereits verabschiedeten Entwurf, 45 Senatoren sprachen sich dagegen aus. Erforderlich sind 60 Stimmen.
Nicht vom Zwangsurlaub betroffen sind diejenigen Staatsangestellten, die einer unverzichtbaren Tätigkeit nachgehen. Polizisten, Angestellte des Secret Service, Zollbeamte – und Fluglotsen. Allerdings erhalten auch sie keinen Lohn, obwohl sie weiterarbeiten müssen.
Gestresste Fluglotsen
Dies gefährde zusehends die Sicherheit, sagen nun die fast 11'000 amerikanischen Fluglotsen, die einen vollen Monat ohne Lohn sind. US-Verkehrsminister Sean Duffy betonte an einer Medienkonferenz:
Nick Daniels, Präsident der nationalen Fluglotsen-Vereinigung, ergänzte: «Die Fluglotsen in Amerika müssen sich jetzt darauf konzentrieren, wie sie ihr Auto tanken, wie sie für ihre Kinder sorgen, wie sie die Kinderbetreuung bezahlen. Das macht das System weniger sicher.»
Für Trumps Verkehrsminister Duffy ist indes klar, wer die Schuld daran trägt, dass die Fluglotsen gratis arbeiten. Auf X schrieb er: «Wissen Sie, wer weiterhin einen Gehaltsscheck erhalten wird? Die Demokraten im Kongress, die unsere Regierung lahmlegen, um für die Gesundheitsversorgung illegaler Einwanderer zu kämpfen!» Die Flugsicherheit sei jedoch nicht gefährdet.
Democrats this week🪇 pic.twitter.com/hHAcKun35H
— Secretary Sean Duffy (@SecDuffy) October 7, 2025
Am Dienstag, am Tag des ersten ausbleibenden Lohns, haben sich Fluglotsinnen und Fluglotsen an den grossen US-Flughäfen aufgestellt und Broschüren verteilt. In diesen fordern sie die Passagiere auf, sich bei den Abgeordneten ihres Wahlkreises dafür einzusetzen, dass der Shutdown ein Ende nimmt.
Speziell betroffen seien die jüngeren Mitarbeitenden, die weniger verdienten als ihre erfahreneren Arbeitskollegen. Auch für die angehenden Fluglotsen sei die Situation schwierig. Gegenüber der New York Times sagte ein leitender Fluglotse:
In den USA fehlen mehrere Tausend Fluglotsen, schon vor dem Shutdown mussten viele von ihnen Überstunden leisten, um den Flugbetrieb aufrechtzuerhalten. Am Wochenende kam es am Los Angeles International Airport zu einem vorübergehenden Unterbruch des Flugbetriebs – 11 von 25 Fluglotsen hatten sich krankgemeldet.
Die «New York Times» sprach mit einem Mann, der seit 25 Jahren als Fluglotse tätig ist. Er hat schon diverse Shutdowns erlebt und keine Nerven mehr für die Unsicherheit, die mitfliegt. Der Mann erwägt, in Rente zu gehen, sobald er die Voraussetzungen erfüllt. Im Ruhestand sei sein Einkommen stabiler.
Gefährdetes Ernährungsprogramm
Fast 42 Millionen Amerikanerinnen und Amerikaner – ein Achtel der Bevölkerung – sind auf das staatliche Ernährungsprogramm SNAP angewiesen. Die US-Regierung gibt pro Monat acht Milliarden Dollar für das Programm aus. Ab dem 1. November kann SNAP aufgrund des Shutdowns nicht mehr staatlich finanziert werden.
Der Ansturm auf Lebensmittelausgaben dürfte riesig sein. Allerdings sind die gemeinnützigen Angebote nicht mal ansatzweise in der Lage, staatliche Ernährungsprogramme zu ersetzen.
Die taz sprach mit einem Direktor einer Organisation, die Menschen in den Bundesstaaten Washington und Idaho mit Lebensmitteln versorgt. Er sagt: «Wir werden versuchen, unser Angebot weiter zu steigern, doch dies wird bei weitem nicht ausreichen, um die erwartete Nachfrage zu bewältigen.»
Um die Suspendierung des SNAP-Programmes zu verhindern, haben 25 US-Bundesstaaten die Trump-Regierung verklagt. Sie fordern, dass ein bereitstehender Notfallfonds genutzt wird, so könnten auch im November immerhin mehr als 25 Millionen Menschen unterstützt werden.
Eine Abgeordnete des Bundesstaates New Mexico sagte: «Kindern, älteren Menschen und Veteranen das Essen vorzuenthalten, ist falsch. Punkt. Die Trump-Regierung betreibt Politik mit hungrigen Kindern und das werden wir nicht zulassen.»
Getadelter Trump
Bundesrichterin Susan Illston hat ein Machtwort gesprochen. Während des Shutdowns darf die Trump-Regierung keine Staatsangestellten entlassen, wie die Zeit schreibt.
In mehreren Bundesbehörden kam es bereits zu Massenentlassungen, insbesondere im Finanz- und Gesundheitsministerium. Trumps Regierung möchte so Druck auf die demokratischen Kongressabgeordneten ausüben, einem Übergangshaushalt zuzustimmen.
Weil eine Klage gegen Entlassungen von Beamten einging, hat Illston nun eine einstweilige Verfügung verhängt, die weitere Kündigungen vorerst untersagt.
