China ist ein Phänomen. Offiziell ist die Volksrepublik ein sozialistischer Staat nach den Vorgaben des Marxismus-Leninismus. Faktisch hat sie in den letzten Jahrzehnten ein turbokapitalistisches Wirtschaftsmodell praktiziert. Die erzielten Wachstumsraten verhalfen hunderten Millionen Chinesen zum Aufstieg aus der Armut in den Mittelstand.
China ist die zweitgrösste Volkswirtschaft der Welt. Die beispiellose Erfolgsgeschichte hat im Westen viele Bewunderer, die die Schattenseiten des chinesischen Modells gerne ausblenden. Nun aber mehren sich die Anzeichen, dass die Führung in Peking sich von der bisherigen Strategie abwenden und das Wirtschaftssystem erneuern will.
Der «Einbruch» im dritten Quartal mit einem Wachstum von 4,9 Prozent gegenüber der Vorjahresperiode mag ein Ausreisser sein. Kurzfristige Faktoren spielen dabei eine Rolle, etwa die wegen der Coronakrise gestörten Lieferketten oder die Energieknappheit, für die es verschiedene Gründe gibt. Immer wieder wird Unternehmen kurzfristig der Strom abgestellt.
Längerfristig aber deutet sich nach Ansicht von Experten ein Paradigmenwechsel an. «Wirtschaftswachstum scheint nicht mehr das oberste Ziel der Regierung zu sein», sagte Jürgen Matthes vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) zu t-online. Dazu beigetragen hat paradoxerweise die schnelle Erholung nach dem Corona-Einbruch im letzten Jahr.
Sie hat für die Kommunisten den Beweis erbracht, dass sich China neue Ziele setzen kann. Diese sind laut Matthes «die Sicherung der Macht der Partei, die Stabilität des Finanzsystems, die Kontrolle über sensible Daten und der Kampf gegen die starke Ungleichheit im Land». Letztere wird von der Partei zunehmend als Bedrohung betrachtet.
In kaum einem Land ist die Ungleichheit so gross wie im Reich der Mitte. Der Boom hat eine Kaste Superreicher geschaffen, während viele Menschen in ländlichen Regionen von der Hand in den Mund leben. Nach dem Willen von Staatschef Xi Jinping sollen jedoch alle Menschen bis 2050 «im wesentlichen gemeinsamen Wohlstand erreichen».
Das aggressive Vorgehen gegen die Ungleichheit bekamen vor allem die grossen Tech-Firmen zu spüren. Vor einem Jahr wurde der Börsengang der Ant Group, der Fintech-Tochter des Online-Händlers Alibaba, kurzfristig abgesagt. Zuvor hatte Gründer Jack Ma das Finanzsystem kritisiert. Er ist seitdem kaum noch öffentlich aufgetreten.
Gegen andere Tech-Konzerne geht der Staat ebenfalls vor, etwa Tencent oder Baidu, das «chinesische Google». Sie «durften» Milliarden für wohltätige Zwecke spenden. Intensiviert wird der Kampf gegen Steuerhinterziehung. Das wohl bekannteste Opfer ist die populäre Schauspielerin Zhao Wei. Ihre öffentliche Präsenz wurde praktisch ausradiert.
Eine ähnliche Erfahrung machte der private Nachhilfemarkt. Die Regierung zog seinem Geschäftsmodell den Boden unter den Füssen weg. Indirekt will sie damit die auch nach dem Ende der Ein-Kind-Politik zu tiefe Geburtenrate ankurbeln. Wegen den hohen Kosten für eine erstklassige Ausbildung können sich viele Eltern nicht mehr als ein Kind leisten.
Diese Beispiele zeigen, wie sehr die Kommunistische Partei gewillt ist, in Wirtschaft und Gesellschaft einzugreifen. Und der grösste Stresstest steht ihr erst noch bevor, bei der «Abwicklung» des aufgeblähten und heillos überschuldeten Immobiliensektors. Er hat in den letzten Jahren wesentlich zum chinesischen Wirtschaftswunder beigetragen.
Nun erleben Käufer und Investoren ihr blaues Wunder. Der Fall des mit 300 Milliarden US-Dollar verschuldeten Immobilienriesen Evergrande sandte in den letzten Wochen Schockwellen um den Globus. In deren Sog gerieten andere Bauunternehmen in Schieflage. Beim Wohnen sind die Exzesse des chinesischen Modells besonders krass.
In Hotspots wie der südchinesischen Tech-Metropole Shenzhen sind die Wohnkosten weit höher als in London oder New York, zwei Städten mit einem notorisch angespannten Immobilienmarkt. In weniger bekannten chinesischen Grossstädten hingegen gibt es riesige Leerstände. Unzählige Wohnungen finden mangels Nachfrage keine Mieter oder Käufer.
Wegen der Immokrise gerät auch das chinesische Finanzsystem zunehmend in Schieflage. Die Regierung ist gefordert, denn geplatzte Immobilienblasen führen oft zu einer anhaltenden Wirtschaftskrise. Für IW-Experte Jürgen Matthes spricht einiges dafür, dass «an Evergrande ein Exempel statuiert werden wird, um die Überhitzung im Immobilienmarkt einzudämmen».
Faktisch könnte dies bedeuten, dass die Wohnungskäufer vom Staat «gerettet» werden und die Investoren bluten müssen, vor allem die ausländischen. Für internationale Konzerne dürfte das Geschäftsklima im Reich der Mitte ohnehin rauer werden, glauben Experten. Sie können auf den riesigen Markt nicht verzichten, müssen dafür aber ihre Technologie teilen.
Mit Investitionen in Hightech und Greentech will China sein Wirtschaftsmodell fit machen für die Zukunft. Einem Aspekt aber wird alles untergeordnet: dem Machterhalt der Kommunistischen Partei Chinas. Und jenem von Xi Jinping, der sich zunehmend als Alleinherrscher gebärdet und einen Personenkult wie zu Zeiten von Mao Zedong praktiziert.
Xi fürchtet den Kontrollverlust, deshalb geht er immer härter gegen Bereiche vor, die sich der Kontrolle entziehen könnten: Tech-Firmen, Showbiz-Stars, Kryptowährungen. Auch beim Kampf gegen Ungleichheit geht es letztlich um die Sicherung seiner Macht. Worauf das hinausläuft, schildert eine Journalistin und Unternehmerin unter Pseudonym in der «Zeit»:
Nun für den Planeten ist dies ein Segen…
Sollte man Weltweit einführen. Also nicht, dass man sich nur ein Kibd leisten kann, aber dass man sich nur eines leisten will / soll…
Dies um unseren Planeten zu entlasten…