Ein wohl letztes Mal ist es Warren Buffett gelungen, die ganze Welt zu überraschen. Am Samstag, am Ende der jährlichen Aktionärsversammlung seines Konglomerats Berkshire Hathaway, kündigte der 94 Jahre alte Konzernchef seinen Rücktritt auf Ende Jahr an. Er habe dies nur mit seinen beiden Kindern besprochen; der designierte Nachfolger Greg Abel, innerhalb von Berkshire zuständig fürs lukrative Energiegeschäft, wusste angeblich nichts von der Entscheidung Buffetts.
Die Aktionäre – gegen 17'000 Menschen waren in einer Sportarena in Omaha (Nebraska) anwesend, weitere 20'000 waren extra in die Heimatstadt von Buffett gereist – brachen spontan in eine Standing Ovation aus. Sie dauerte mehrere Minuten lang. «Diese Antwort kann auf zwei Arten interpretiert werden», sagte der abtretende Konzernchef, der noch nie um einen Spruch verlegen war.
Klar ist: Der angekündigte Rückzug markiert das Ende einer Ära. Buffett verkörperte in der grössten Volkswirtschaft der Welt lange Zeit das nette Gesicht des Kapitalismus. Er war schwerreich, keine Frage. Noch heute wird sein Vermögen auf 168 Milliarden Dollar geschätzt, obwohl er immer wieder mit grosszügigen Spenden für gemeinnützige Organisationen für Aufmerksamkeit sorgte. Der Sohn eines republikanischen Kongressabgeordneten, aufgewachsen im Mittleren Westen des Landes, verlor aber nie die Bodenhaftung. Noch heute lebt er in Omaha, in einem vergleichsweise kleinen Haus.
Auch bediente sich Buffett über die Jahre hinweg einer einfachen Sprache, und machte damit komplexe wirtschaftliche Zusammenhänge einer breiten Bevölkerungsschicht von potenziellen Investoren verständlich. Ein Beispiel bloss: «Handel sollte keine Waffe sein», sagte Buffett am Samstag über die Wirtschaftspolitik des amerikanischen Präsidenten. (Buffett ist Demokrat, und steht Donald Trump schon lange skeptisch gegenüber.)
Das «Orakel von Omaha» wurde er deshalb oft genannt. Und wer in den vergangenen 60 Jahren einmal an einer Generalversammlung von Berkshire Hathaway teilgenommen hat und sich anhörte, wie Buffett und sein langjähriger Geschäftspartner Charlie Munger die Welt erklärten, der weiss: Diese Bezeichnung, die passte.
Dabei war Buffett nicht immer erfolgreich. So erwies sich ausgerechnet die Übernahme der Textilfirma Berkshire Hathaway, mit der er 1965 den Grundstein für sein Imperium legte, als Flop. Zwanzig Jahre später musste er das Unternehmen in Massachusetts schliessen. Später räumte Buffett ein, dass es «eines der dümmsten Dinge» gewesen sei, sein Imperium ausgerechnet so zu starten.
Der Name Berkshire Hathaway aber, der blieb. Und auch die Vision von Buffett, dass er mit strategischen, bisweilen unspektakulären Zukäufen ein Firmenimperium zimmern kann. «Value Investing» heisst diese Anlagestrategie und sie erforderte manchmal etwas Geduld, und manchmal auch etwas Glück. Aber wer Buffett von Anfang an die Treue hielt, als Aktionär von Berkshire Hathaway, dessen Vermögen wuchs in den letzten 60 Jahren um 5,5 Millionen Prozent. So ist es im aktuellen Jahresbericht des Konglomerats nachzulesen. Der Aktienindex S&P legte im gleichen Zeitraum «nur» 39'054 Prozent zu.
Heute ist Berkshire Hathaway ein Gemischtwarenladen. Grosse Versicherungsgesellschaften (Geico) gehören zum Konzern, eine Eisenbahngesellschaft (Burlington Northern Santa Fe), Energieversorgungsunternehmen und ein Farbenhersteller (Benjamin Moore). Zudem ist Berkshire Hathaway an Firmen wie American Express, Coca-Cola und Apple beteiligt, deren Aktien als Spitzenwerte gelten.
Diese Mischung wirkt bisweilen etwas zufällig, auch wenn Berkshire Hathaway hochprofitabel ist. (Im ersten Quartal 2025 erzielte das Konglomerat in einem widrigen Marktumfeld einen Gewinn von 4,7 Milliarden Dollar.) Und oft hatte man das Gefühl, dass es einzig die Person Warren Buffett war, der das Konglomerat zusammenhielt. Die Aktionäre aber, die in den Achtziger- und Neunzigerjahren dafür verantwortlich waren, eine ziemlich langweilige Generalversammlung ins «Woodstock des Kapitalismus» zu verwandeln, die waren ihm dankbar.
Die Aktionäre verziehen es ihm auch, wenn er seine eigenen Ratschläge ignorierte. So investierte Buffett über die Jahre hinweg immer wieder ins Zeitungsgeschäft, weil ihn die Medienbranche sein ganzes Leben lang fasziniert hatte. Schon als Bub verdiente Buffett sich als Zeitungsverträger ein Sackgeld; später verband in eine enge Freundschaft mit der legendären «Washington Post»-Verlegerin Katharine Graham.
Auch riss sich Buffett die führende Zeitung in seinem Wohnort, den «Omaha Word-Herald», unter den Nagel. Aber 2020 trennte sich Berkshire Hathaway vom gesamten Zeitungsgeschäft, nachdem der legendäre Investor behauptet hatte, amerikanische Lokalpublikationen hätten keine Zukunft mehr.
Aber solche abrupten Korrekturen gibt es in der Karriere von Buffett nur selten. Auch gelang es ihm, in den vergangenen sechs Jahrzehnten weitgehend skandalfrei zu geschäften – auch weil er mit Charlie Munger den geradezu idealen Geschäftspartner gefunden hatte. (Munger starb im November 2023, im Alter von 99 Jahren.)
Das sind also grosse Fussstapfen, die der 62 Jahre alte Greg Abel füllen muss. Der neue Berkshire Hathaway-Chef sicherte den Aktionären aber umgehend zu, dass er an der Investmentstrategie nichts ändern werde. Abel sagt:
(aargauerzeitung.ch)
besagt:
"ein grosser Fehler, wenn 7,5 Milliarden Leute einen nicht mögen und 300 Millionen sich damit brüsteten, wie gut es ihnen gehe"