Der Wahlsieg von Emmanuel Macron in Frankreich soll dem Finanzplatz Paris Flügel verleihen.
Branchenvertreter hoffen, dass der wirtschafts- und europafreundliche Politiker als künftiger Präsident zahlreiche internationale Banken in die französische Hauptstadt locken wird, die im Zug des britischen EU-Austritts Geschäfte aus London abziehen. Neben Paris buhlt auch Frankfurt um die Gunst der Geldhäuser.
«Viele Banken haben auf die Wahlergebnisse gewartet, bevor sie über ihre Umzugspläne entscheiden», sagt der Chef der Standortinitiative Paris Europlace, Arnaud de Bresson, zur Nachrichtenagentur Reuters. «Macrons Sieg wird dafür sorgen, dass die Entscheidung zugunsten von Paris einen Schub bekommt.»
Der designierte Präsident, der bei Rothschild selbst Investmentbanker gewesen war, werde sich persönlich dafür einsetzen und Geldhäuser wie Investoren von den Vorteilen des heimischen Finanzplatzes überzeugen.
Nach dem Brexit brauchen in London ansässige Finanzinstitute eine eigene Gesellschaft mit Banklizenz in einem EU-Land, um ihre Produkte und Dienstleistungen in den verbleibenden 27 Mitgliedstaaten vertreiben zu dürfen.
Nach den Worten de Bressons könnte Paris insgesamt 20'000 Beschäftigte aus Grossbritannien anziehen. Unklar ist allerdings, wie der Lobbyist auf diese Schätzung kommt.
Ankündigungen einzelner Geldhäuser und Äusserungen von Branchenvertretern deuten bisher darauf hin, dass die grossen Banken in den kommenden zwei Jahren etwa 9000 Stellen auf den Kontinent verlegen wollen.
Am Finanzplatz Frankfurt wird damit gerechnet, dass die fünf grossen US-Institute bis zum Ende der Brexit-Verhandlungen mehr als 1000 Arbeitsplätze in die Mainmetropole verlagern. Das äusserte vergangene Woche der Geschäftsführer der Standortinitiative Frankfurt Main Finance, Hubertus Väth, im Reuters-Interview.
Um Banker und Finanzgeschäfte ringen neben Paris und Frankfurt auch Dublin und Luxemburg. Väth zufolge dürften die meisten Jobs nach Dublin gehen, aber die wichtigsten Manager und Geschäftsbereiche eher nach Frankfurt. Für die Stadt sprechen die stabile deutsche Wirtschaft und die gute Infrastruktur. Hinzu kommt, dass die Europäische Zentralbank dort ihren Sitz hat.
In Paris wiederum sind zahlreiche internationale Anwaltskanzleien und Vermögensverwalter angesiedelt. Ausserdem sitzt dort die EU-Finanzmarktaufsicht ESMA.
«Macrons Sieg ist ein Zeichen, dass sich Frankreich auf dem Weg befindet, dringend nötige Strukturreformen umzusetzen», sagt Lobbyist de Bresson.
Im Wahlkampf hat der linksliberale Politiker Macron Änderungen im Arbeitsrecht sowie eine Vereinfachung des Steuer- und des Rentensystems in Aussicht gestellt. Ausserdem will er Regulierungen zurückfahren, wo diese Innovationen behinderten.
Völlig unklar ist jedoch, wie lange es dauern wird, bis der neue Präsident seine Vorhaben umsetzen kann. Dafür entscheidend wird auch der Ausgang der Parlamentswahl im Juni sein.
Bislang hat von den Grossbanken lediglich die britische HSBC öffentlich gemacht, dass einige Geschäfte nach Paris verlegt werden könnten. Sie verfügt dort dank der Übernahme des französischen Instituts CCF im Jahr 2000 über die meisten Lizenzen, die eine Investmentbank braucht.
In der Finanzbranche wird erwartet, dass Paris den rivalisierenden Städten die Zähne zeigen wird. Nach Macrons Sieg würden die Bemühungen der Franzosen nun verdoppelt, verlautete aus einer internationalen Bank.
Dabei dürfte nach Prognose der auf Kapitalmarktberatung spezialisierten Firma Opimas harte Bandagen zum Einsatz kommen. «Macron versucht, so viele Geschäfte wie möglich aus Grossbritannien anzuziehen», sagte Opimas-Chef Octavio Marenzi. «Das ist ein Kampf, der noch schmutzig wird.» (sda/reu)