Vor einigen Tagen versetzte eine Meldung aus China Teile der Automobilbranche in Aufregung. Peking, das in Sachen Verkehr bis dato alles dem Batteriebetrieb unterstellt hatte, könnte umdenken, befürchteten Beobachter. Konkret laufen Förderungen und Kaufprämien von umgerechnet Tausenden Franken pro E-Auto, deren Ende erst in einem Jahr vorgesehen war, bereits jetzt aus.
Es scheint, als sollte künftig nicht mehr alles auf Batterieautos ausgerichtet werden. Stattdessen sollten etwa die Brennstoffzelle oder alternative Treibstoffe ihre Chance bekommen.
Eine gute Sache, findet etwa der Präsident des Industriekonzerns Linde, Wolfgang Reitzle. Dieser ist auch in der Schweiz kein Unbekannter: Von 2014 bis 2016 präsidierte er den Verwaltungsrat von LafargeHolcim. Mit E-Autos werde niemand auf absehbare Zeit Geld verdienen, sagte er einem deutschen Medium. Reitzels Kritik:
Auch Marktbeobachter warnen. Etwa der Chef einer Automobilberatung aus Shanghai, der der «Süddeutschen Zeitung» sagte, er erwarte nicht, dass der Anteil der Elektrofahrzeuge in China in den kommenden Jahren stark ansteigen werde.
Verliert die Elektromobilität mit China nun also ihr wichtigstes Zugpferd? Die Auswirkungen wären freilich gross, sind doch gerade europäische Hersteller und mit ihnen eine ganze Reihe an Zulieferern ein Stück weit vom Kurs der Chinesen abhängig: So verkauft etwa Volkswagen vier von zehn produzierten Autos nach China.
Und gerade der VW-Konzern hat sich mittlerweile komplett auf die Elektromobilität eingeschossen. Tausende Stellen baut der Wolfsburger Konzern im Zuge dieses Umbaus ab, so eine Ankündigung aus diesem Jahr.
Es steht die Frage im Raum: Hat sich Europas Autobranche verzockt?
Jaqueline Ives glaubt das nicht. «Die chinesische Politik sieht Elektromobilität nach wie vor als essenziellen Pfeiler der chinesischen Mobilitätswende», sagt die China-Expertin von der Beratungsfirma Sinolytics mit Sitz in Berlin und Zürich.
Das Zurückfahren der Subventionen sollte nicht als Abkehr der chinesischen Regierung von der Elektromobilität gewertet werden, sagt sie. «Vielmehr geht es nun darum, dass der E-Auto-Markt sich weiter konsolidiert und konkurrenzfähiger wird.»
Auch Ferdinand Dudenhöffer ist sicher: «China kehrt der E-Mobilität nicht den Rücken.» Vielmehr finde eine Umstellung statt, erklärt der bekannteste Automobilexperte Deutschlands: «Die Subventionen werden ersetzt durch eine Quote.»
Ab 2020 müssen mindestens zehn Prozent der in China verkauften Autos eines Herstellers elektrisch sein. Bis 2025 erhöht sich diese Quote auf 20 Prozent. Dadurch seien Hersteller gefordert, ihre E-Autos am Markt ohne Förderung zu verkaufen.
Das vorgezogene Ende der Förderungen führte laut Dudenhöffer zu einem Rückgang bei den Verkäufen in diesem Jahr. Der Professor der Universität Duisburg-Essen geht jedoch davon aus, dass die Absätze ab dem kommenden Jahr wegen der Quote wieder deutlich ansteigen.
Seine Prognose: Nach nur 1,2 Millionen E-Autos im laufenden Jahr, werden im kommenden Jahr bereits um die zwei Millionen Elektro-Fahrzeuge in China verkauft. Fünf Jahre später sollen es gar fünf Millionen sein. In den drei grössten Automärkten China, EU und USA zusammen steigt die Zahl der jährlich verkauften E-Autos dann laut Dudenhöffers Prognose auf neun Millionen an.
Die Folgen für die Beschäftigten in der Branche sind gravierend. «Durch Umstellung auf die Elektromobilität gehen Arbeitsplätze verloren, die auch durch Wachstumsprozesse in den nächsten Jahren nicht kompensiert werden können.
Wichtige Wertschöpfung beim Verbrennungsmotor fällt Stück für Stück weg und wird durch hochautomatisierte Batterie- und Elektromotorfertigung ersetzt», hält Dudenhöffer fest – und präsentiert eine gewaltige Zahl:
Von der Umstellung von Benziner auf Elektromotor bleiben freilich auch die Automobilzulieferer in der Schweiz nicht verschont. Die Firmen müssten sich darauf einstellen, betont Anja Schulze, Direktorin des swiss Center for Automotive Research (swiss CAR) der Universität Zürich. Zwar dürfte es die hiesigen Firmen gerade in Sachen Jobabbau weniger hart treffen als die deutschen Hersteller.
Allerdings nur dann, wenn sie etwas tun, mahnt Schulze. Die meisten Firmen in der Schweiz hätten jedoch verstanden, dass es sich bei der Elektromobilität nicht etwa um einen Hype handelt, der bald wieder vorbei ist. «Ich sehe überall Bewegung», sagt Schulze. Sie nennt das Beispiel des Familienbetriebs Panolin aus dem Kanton Zürich.
Das Unternehmen stellt unter anderem Öle für Benziner und Dieselmotoren her. Im Zuge der Mobilitätswende dürfte dieses Geschäft jedoch eher schrumpfen, daher hat die Firma nun ein Öl zur Kühlung von Elektromotoren entwickelt.
Wie viel die Anpassungen der Zulieferer und vor allem auch der Hersteller letztlich Wert sind, haben diese nicht allein in der Hand. Denn dass die Europäer wie beim Verbrennungsmotor auch in der Elektromobilität die Oberhand behalten, ist keineswegs ausgemacht.
Das zeigt der Blick nach China. Es gebe mittlerweile äusserst starke und konkurrenzfähige chinesische Anbieter von E-Fahrzeugen, wie etwa BYD oder BAIC, die die Anbieter von weniger hochwertigen Produkten zunehmend aus dem Markt verdrängen können, sagt Jaqueline Ives von Sinolytics.
Zwar klingen die ambitionierten Pläne der Chinesen für Europas Autoindustrie zunächst durchaus positiv. Ives verweist jedoch ebenso auf eine Zahl aus den industriepolitischen Plänen der Regierung in Peking, die nicht nur in der VW-Zentrale in Wolfsburg für feuchte Hände sorgen dürfte: Bis 2025 sollen 90 Prozent der in China verkauften E-Fahrzeuge aus chinesischer Hand stammen.
Klar, im Westen sind die Sicherheitsanforderungen strikter und die Leute mögen grössere Autos. Aber unsere Hersteller müssen sich 'ranhalten und E-Autos für den Mittelstand bauen. Sonst wird der chinesische Hersteller BYD eines Tages VW und Co. verdrängen. Warren Buffet hat bereits reagiert: er ist der zweitgrösste Aktionär von BYD.