Jerome Powell, der Präsident der US-Notenbank (Fed), ist ein langjähriges Mitglied der Republikanischen Partei und wurde 2017 von Donald Trump in seinem Amt eingesetzt. Trotzdem ist das Tischtuch zwischen den beiden zerschnitten. Der Ex-Präsident hat schon mehrmals erklärt, er würde Powell vorzeitig feuern, sollte er wieder ins Weisse Haus einziehen. Auch die Unabhängigkeit der Notenbank hat Trump in Zweifel gezogen.
Powell hat daher Grund, auf einen Sieg von Kamala Harris zu hoffen. Dank des gestrigen Entscheids, die Leitzinsen in einem grossen Schritt um 50 Basispunkte zu senken, ist ein Erfolg der Vize-Präsidentin wahrscheinlicher geworden. Dies aus zwei Gründen: Erstens werden jetzt die Preise – wenn auch nicht unmittelbar – sinken, vor allem die Kosten für die Hypotheken oder Auto-Leasing-Verträge. Zweitens signalisiert die Fed damit, dass der Kampf gegen die Inflation gewonnen ist.
«Die amerikanische Wirtschaft ist sehr gut unterwegs und mit unserem heutigen Entscheid wollen wir dafür sorgen, dass es weiterhin so bleibt», begründete Powell denn auch seinen Zinsentscheid und widerspricht damit diametral dem Ex-Präsidenten. Trump wiederholt immer wieder die Mär, wonach die USA im Begriff seien, zu einem Drittweltland wie Venezuela zu verkommen.
Den gestrigen Zinsentscheid kommentiert Trump daher folgerichtig wie folgt: «Ich denke, es zeigt, dass die Wirtschaft sich in einem sehr schlechten Zustand befindet und deshalb diesen grossen Zinsschnitt braucht. Entweder das oder der Fed-Präsident will in der Politik mitmischen.»
Dass diese Aussagen von Trump einmal mehr wenig mit der Realität gemeinsam haben, erstaunt nicht wirklich. Der Zinsentscheid der Fed entspricht der ökonomischen Wirklichkeit, und er zeigt auch, dass die Unabhängigkeit der Notenbank noch hochgehalten wird. Aber der Reihe nach:
Vor Ausbruch der Pandemie lagen die Leitzinsen auch in den USA auf einem rekordtiefen Niveau. Dann passierten zwei Dinge gleichzeitig: Die globalen Lieferketten wurden unterbrochen, was zu einem sogenannten Angebots-Schock für die Wirtschaft führte. Gleichzeitig musste der Staat mit massiven Covid-Hilfen dafür sorgen, dass die Nachfrage nicht einbrach und eine Verelendungs-Spirale sich zu drehen begann. Das weitete die Geldmenge aus.
Diese beiden Faktoren führten dazu, dass die Inflation schlagartig ansprang und zeitweise beinahe die Zehn-Prozent-Marke erreichte. Zunächst unterschätzte die Fed diese Entwicklung und hielt die Inflation für vorübergehend. Als sich dies als Irrtum herausstellte, griff sie zum Zinshammer und erhöhte die Leitzinsen in rascher Folge auf eine Spanne zwischen 5,25 und 5,50 Prozent, die grösste Zinserhöhung seit 20 Jahren.
Mit dieser Massnahme wollte die Fed eine Lohn-Preis-Spirale verhindern. Sie nahm dabei auch in Kauf, eine künstliche Rezession herbeizuführen. Doch der amerikanische Arbeitsmarkt sollte sich als erstaunlich widerstandsfähig erweisen. Kaum war die Pandemie vorbei, wurden Monat für Monat weit mehr Jobs geschaffen als prophezeit. Die von der Mehrheit der Ökonomen vorausgesagte Rezession ist nie eingetroffen.
Mit dem gestrigen Entscheid signalisiert die Fed nicht nur, dass sie die Inflation für besiegt hält. Sie hat auch noch grossen Spielraum für weitere Senkungen. Derzeit liegt der Leitzinssatz rund 300 Basispunkte über dem Vor-Pandemie-Niveau. Die Fed dürfte daher in absehbarer Zeit weitere Zinsschritte einleiten, damit den Arbeitsmarkt stärken und die Arbeitslosigkeit auf sehr tiefem Niveau halten.
Der Fed ist zusammen mit der Biden-Regierung geglückt, was in der Ökonomie als eine der kniffligsten Aufgaben gilt: Sie haben ein sogenanntes Soft Landing geschafft. Will heissen: Sie haben die Inflation besiegt, ohne den Menschen eine künstliche Rezession zumuten zu müssen. Für Kamala Harris ist dies ein Grund, zu feiern. Die Wirtschaftspolitik der Biden-Regierung war bisher bei den Amerikanerinnen und Amerikanern unbeliebt.
Die Teuerung war ursprünglich höher als der Lohnanstieg, der Mittelstand ächzte unter steigenden Preisen für Benzin, Lebensmittel, Hypothekarzinsen und Mieten. Das führte dazu, dass Biden in der Frage der Wirtschaftskompetenz weit hinter Trump zurücklag. Dies, obwohl die rasche Erholung der amerikanischen Wirtschaft nach der Pandemie den Neid der restlichen Welt und eine Flut von euphorischem Lob in der Wirtschaftspresse hervorgerufen hatte.
Nun kann Harris die Früchte der Bidenomics ernten. Inzwischen steigen die Löhne deutlich stärker als die Inflation. Der Jobmarkt ist nach wie vor gesund und einzelne Preise, vor allem der psychologisch wichtige Benzinpreis, sind bereits deutlich gefallen. Der Vize-Präsidentin ist es daher gelungen, die Lücke zu Trump in Sachen Wirtschafts-Kompetenz beinahe zu schliessen. «Es steht ausser Frage, dass der Zinsentscheid der Fed Good News für Kamala Harris ist», stellt Paul Krugman in der «New York Times» fest.
Für Trump bedeutet es jedoch, dass einer seiner wichtigsten Trümpfe im Begriff ist, entwertet zu werden. Mit dem Gespenst der Inflation kann er immer weniger punkten. Umso stärker setzt er daher auf sein zweites Ass, die Immigration. Zusammen mit seinem Vize J. D. Vance verteidigt er nach wie vor die absurde These von den Haustier-verzehrenden Haitianern. Mehr noch, er will nun eine Rally in Springfield abhalten, der Stadt, in der diese Mär ihren Ursprung hat.
Wer wie Trump mit Casinos Pleite geht, sollte schweigen
unglaublich, das so viele Menschen denken, das er Lösungen hat.