So einen Deal zum Mittagsmenü findet man in der Schweiz nirgendwo, in der japanischen Hauptstadt Tokio fast überall: Nur 1000 Yen, umgerechnet etwa 5.50 Franken, für eine Art von paniertes Schnitzel, genannt Tonkatsu, eine Schüssel Reis, eine Miso-Suppe, einen grossen Salat und dazu Tee – wobei man bis auf das Schnitzel alles gratis nachbestellen darf, bis zur Ausreizung der eigenen Verdauungsgrenzen oder der Geduld der japanischen Gastgeber.
Dieses willkürlich herausgegriffene Beispiel zeigt, wie günstig das Touristenleben in Japan geworden ist durch die Schwäche des Yens, der japanischen Währung. Und dieses günstige Touristenleben wiederum ist einer der Gründe, warum sich mittlerweile die Touristen in Japan gegenseitig auf die Füsse treten, sei es in buddhistischen Tempeln wie dem Kiyomizu-Dera in Kyoto oder Fan-Pilgerstätten wie den Pokémon-Zentren in Tokio. Der Tourismus hat ein für Japan gänzlich neues Level erreicht.
Noch im Jahr 2004 zählte das Land erst 6 Millionen ausländische Besucher. Zehn Jahre später, im Jahr 2014, waren es schon mehr als doppelt so viele, rund 13 Millionen. Nochmals zehn Jahre später, also im Jahr 2024, hat sich die Gästezahl fast verdreifacht – auf nun rund 37 Millionen. Über zwei Jahrzehnte gesehen hat Japan nun sechsmal mehr ausländische Touristen.
Zum Vergleich: Für die Schweiz gibt es zwar nicht die gleiche Datengrundlage wie für Japan, aber die Zahl der ausländischen Ankünfte deutet auf ein wesentlich geringeres Wachstum hin. So lag die Zahl dieser Ankünfte im Jahr 2024 lediglich rund 50 Prozent höher als im Jahr 2005.
Dieser Wandel zieht in Japan zig weitere Veränderungen nach sich: Kleine, wie dass es auf den Bahnhöfen mehr Schilder hat auf Englisch, Koreanisch oder Chinesisch. Diese werden wohl in der leisen Hoffnung angebracht, dass die Touristen etwas weniger im Wege stehen, als sonst überall in der Welt und weniger zum zusätzlichen Hindernis im hektischen japanischen Alltag werden.
Zu den grösseren Veränderungen zählen die wirtschaftlichen. Die geballte Shoppingkraft von 37 Millionen kaufwütigen ausländischen Touristen bleibt nicht ohne Folgen. Der Tourismus ist zum zweitgrössten Exportsektor des Landes geworden, hinter Automobilen. Dieser Trend hat eine Reihe von Gewinnern geschaffen, unter anderem bei Touristen besonders beliebte japanische Marken-Artikel. So schreibt der Japan-Korrespondent der Nachrichtenagentur «Bloomberg»:
Ein besonders krasses Beispiel sind die Schuhe der Marke Onitsuka Tiger. So wie der Kauf von Uhren oder Schokolade ein Fixpunkt für viele Schweiz-Reisende ist, ist es zur Verwunderung der einheimischen Bevölkerung der Kauf von Schuhen dieser Marke. So schreibt «Bloomberg» weiter, das Schuhwerk sei «zum unerwarteten Must-have für Touristen in Japan geworden».
Onitsuka Tiger wurde als Modemarke international bekannt, als die Schauspielerin Uma Thurman in Quentin Tarantinos Filmklassiker «Kill Bill» diese Turnschuhe trug. Der Eigentümer, der Sportartikelhersteller Asics, hatte die Marke zuvor jahrzehntelang eingestellt, aber seit dem Tarantino-Film schreibt diese laut Bloomberg ständig neue Rekorde. Die Umsätze in Japan hätten sich seit 2024 verdoppelt – fast der gesamte Anstieg sei auf Touristen zurückzuführen.