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Wirtschaft

Ukraine-Krieg: So dramatisch leidet die Wirtschaft laut IWF

«Katastrophale Einbussen» für die Ukraine: IWF besorgt um die Weltwirtschaft wegen Krieg

Gestörte Handelsbeziehungen und verzerrte Rohstoffmärkte: Viele Länder müssen wegen des Kriegs mit wirtschaftlichen Folgen rechnen – besonders Russland und die Ukraine.
14.04.2022, 21:20
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Vor allem wegen des russischen Angriffskriegs in der Ukraine korrigiert der Internationale Währungsfonds (IWF) seine Prognose für das Wachstum der Weltwirtschaft erneut nach unten. Dies ist bereits die zweite Korrektur seit Januar.

Container ship Volga Maersk passes the city of Kronstadt after leaving the seaport of St. Petersburg, in Kronstadt, outside St. Petersburg, Russia, Monday, April 4, 2022. (AP Photo)
Die Verkörperung unserer Konsumgesellschaft: Ein Frachtschiff vor St. Petersburg, Russland (April 2022).Bild: keystone

Für 143 Staaten, die zusammen 86 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung repräsentieren, werde die Wachstumsprognose in der kommenden Woche gesenkt, sagte IWF-Chefin Kristalina Georgiewa am Donnerstag. Als weitere Gründe für das schwächere erwartete Wachstum führte sie einem vorab verbreiteten Redemanuskript zufolge die hohen Inflationsraten, schwierigere Bedingungen auf den Finanzmärkten und die häufigen und weitgehenden Corona-Lockdowns in China an.

Der IWF hatte seine globale Wachstumsprognose bereits im Januar infolge der Omikron-Welle der Corona-Pandemie um 0.5 Prozentpunkte auf 4.4 Prozent gesenkt. Die neue Prognose soll am Dienstag im Rahmen der Frühjahrstagung von IWF und Weltbank in Washington vorgestellt werden.

Nach dem Willen der Europäer soll die Bulgarin Kristalina Georgiewa Chefin des Internationalen Währungsfonds werden. Sie führt derzeit die Geschäfte der Weltbank. (Archivbild)
IWF-Chefin Kristalina Georgiewa.Bild: KEYSTONE

Georgiewa betonte, die Herabstufung der Wachstumsprognose treffe Staaten in sehr unterschiedlichen Ausmass. Für die Ukraine sei mit «katastrophalen wirtschaftlichen Einbussen» zu rechnen, für Russland mit einem «starken Einbruch». Viele andere Länder sähen sich wegen des Kriegs Störungen der Handelsbeziehungen und Verzerrungen der Rohstoffmärkte ausgesetzt.

Ungleichheit dürfte weiter zunehmen

Insgesamt würden die Erwartungen für die meisten Nettoimporteure von Nahrungsmitteln und Energierohstoffen gesenkt – «in Afrika, dem Nahen Osten, Asien und Europa», sagte Georgiewa dem Redemanuskript zufolge. Für viele Länder werde es jetzt noch länger dauern, auf den Wachstumspfad von vor der Corona-Pandemie zurückzukommen.

«Die Alternative ist schrecklich: mehr Hunger, mehr Armut und mehr soziale Unruhen...»
Kristalina Georgiewa

Die höheren Preise für Energie und Lebensmittel heizten die Inflation weiter an, was «rund um die Welt» die Kaufkraft der Menschen schwäche. «Hunderte Millionen Familien hatten schon mit geringeren Einkommen und höheren Preisen für Energie und Lebensmittel zu kämpfen. Der Krieg hat die deutlich verschlimmert und droht, die Ungleichheit weiter zu verstärken», sagte Georgiewa.

Auch der weitere wirtschaftliche Ausblick sei «aussergewöhnlich unsicher», sagte die IWF-Chefin weiter. «Der Krieg und Sanktionen könnten eskalieren. Es könnte neue Covid-Varianten geben. Ernten könnten ausfallen.» Russland und die Ukraine hätten vor dem Krieg rund 28 Prozent der globalen Weizenexporte gestellt, Russland und Belarus 40 Prozent des wichtigen Düngemittels Kalisalz.

Die Versorgung mit Nahrungsmitteln sei daher Anlass zu «grosser Sorge». Die internationale Gemeinschaft müsse jetzt handeln, um betroffene Länder – vor allem in Afrika und dem Nahen Osten – zu unterstützen, mahnte Georgiewa. «Die Alternative ist schrecklich: mehr Hunger, mehr Armut und mehr soziale Unruhen – vor allem in Ländern, die sich seit Jahren bemüht haben, Instabilität und Konflikt hinter sich zu lassen.»

Steigende Inflationsrate

Neben den Folgen des Kriegs und der Pandemie müsse die Weltwirtschaft noch eine deutlich höhere Inflationsrate verkraften. «Zum ersten Mal seit vielen Jahren ist die Inflation für viele Länder weltweit eine klare und präsente Gefahr geworden. Das ist ein massiver Rückschlag für die Erholung der globalen Wirtschaft», sagte Georgiewa.

Auch Weltbank-Präsident David Malpass hat angesichts der steigenden Preise vor einer dramatischen Verschlechterung der Lebensbedingungen in Entwicklungsländern gewarnt. «Die hohe Inflation ist für viele ärmere Staaten eine wirtschaftliche und soziale Katastrophe», sagte er der «Wirtschaftswoche». Je ärmer ein Land sei, desto schlechter könne es sich vor steigenden Preisen schützen.

Malpass forderte deshalb einen weitreichenden Schuldenerlass für die ärmsten Länder. «Der Krieg in der Ukraine sollte jetzt zu einem Umdenken in den reichen Ländern führen. Wir müssen die armen Staaten von ihren erdrückenden Schulden befreien», sagte er. Teurere Rohstoffimporte trieben in den Entwicklungsländern derzeit die Verschuldung nach oben. Verstärkt werde das noch durch die steigenden Zinsen. (sda/awp/dpa)

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15 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Antinatalist
14.04.2022 22:35registriert September 2019
«Katastrophale Einbussen», aber lasst uns weiterhin auf die Umwelt scheissen. 👍
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Rivka
14.04.2022 22:28registriert April 2021
Und das nur, weil westliche Staaten dachten, dass man mit einem blutrünstigen Diktator mit Grossmachtsfantasien Geschäfte machen kann! 😤
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