Hannah ist ein achtjähriges Mädchen aus den USA. Jeden Tag lädt ihre Mutter von ihr Videos auf Instagram und YouTube, in denen Hannah neue Nahrungsmittel probiert. Entweder verzieht sie das Gesicht und ihre Augen füllen sich mit Tränen oder sie lächelt zufrieden. Ein Dazwischen gibt es selten. Der Grund für diese extremen Reaktionen: Hannah hat eine vermeidend-restriktive Essstörung (ARFID).
Hannas Mutter will mit der Präsenz auf den sozialen Medien auf die Essstörung aufmerksam machen, die gerade bei Kindern mehr vorkommt, als man meinen könnte. Und sie hat damit Erfolg: Rund eine halbe Million Menschen folgen dem Mädchen auf Instagram.
Es gibt gewisse Dinge, die Hanna sehr gerne isst und als «safe food», also «sicheres Essen», bezeichnet. Andere sind «fear foods», vor diesen Lebensmitteln hat Hannah Angst, weil sie schlechte Erfahrungen damit gemacht hat.
Sie hat Angst vor Geschmack, Geruch, Textur, Temperatur oder dem Aussehen dieser Nahrungsmittel, denn sie verbindet damit etwa Ersticken, Erbrechen oder Schmerzen – oder eine Kombination.
Die Krankheit ist in der breiten Bevölkerung eher unbekannt. Das zeigt auch ein Blick in Hannahs Kommentarspalten. Unter jedem Post steht: «picky eater», auf Schweizerdeutsch: «Schnäderfräss».
Doch ARFID ist eine ernstzunehmende Krankheit – wie Dagmar Pauli, Chefärztin und stellvertretende Direktorin der Kinder- und Jugendpsychiatrie Zürich, einordnet.
Eine vermeidend-restriktive Essstörung bei Kindern diagnostizieren Ärzte vor allem, wenn eine Unterernährung trotz ausreichendem Nahrungsangebot vorliegt. Der Body-Mass-Index liegt in einem zu tiefen Bereich für das Alter.
Pauli erklärt gegenüber watson: «Meist zeigt sich bei Betroffenen eine Interaktionsstörung mit den Bezugspersonen rund um das Essen. Im Unterschied zu den typischen Essstörungen wie zum Beispiel die Anorexie ist es so, dass hinter der Nahrungsverweigerung kein Schlankheitswunsch steht.»
Die Betroffenen hätten kein verzerrtes Körperbild und sie hätten keine Angst vor der Gewichtszunahme. Pauli sagt: «Es beginnt nicht mit einer Diät. Den Kindern ist nicht bewusst, warum sie nicht gut essen können.»
ARFID könne aber in einzelnen Fällen genauso gefährlich werden wie eine Anorexie, aber das sei eher selten, meist verlaufe die Krankheit langwierig, aber nicht so akut wie die Anorexie, und es brauche viel Zeit, bis das Kind wieder zunehmen kann.
Darüber, wie viele Kinder in der Schweiz betroffen sind, kann Pauli keine Aussage machen. Laut verschiedenen Studien ist davon auszugehen, dass rund 1 Prozent der Erwachsenen und 5 Prozent der Kinder weltweit betroffen sind.
Pauli erklärt, dass sich Picky Eating dadurch auszeichne, dass das Kind selektiv isst, das heisst meist, es möchte gerne Süssigkeiten essen oder wenige ausgewählte Nahrungsmittel, etwa Spaghetti ohne Sauce, Pommes frites, aber kaum Gemüse oder Früchte.
«Kinder mit einfachem Picky Eating sind häufig eher schlank, aber nicht wirklich untergewichtig, also anders als bei ARFID», so Pauli.
Aber Picky Eating könne auch dazu führen, dass sich später daraus ein ARFID entwickelt oder auch eine typische Anorexie, wenn die Kinder älter werden und dann der Wunsch hinzukommt, dünn sein zu wollen.
Pauli schlussfolgert: «Wenn ein Kind Picky Eating hat, das betrifft rund 20 Prozent der Kinder, aber normal gewichtig ist, dann kann man die Eltern beruhigen: Meist wächst es sich aus. Die Eltern sollten nicht zu besorgt sein und das Kind nicht dazu zwingen, mehr verschiedene Nahrungsmittel zu essen, weil sich sonst eine Interaktionsstörung entwickeln kann, woraus dann eben ARFID entsteht – mit Untergewicht.»
Aber ehrlich. Ist wohl auch nicht gesund wenn dir Mama jedes mla beim Essen die Kamera ins Gesicht drückt. Finde ich ebenso krank...