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Klimastudie zeigt: Wolken sind der Grund für unerwartet hohe Erwärmung

Cumulus clouds are formed over Tokyo Friday, July 16, 2021. The pandemic-delayed 2020 Summer Olympics open on July 23 without spectators at most venues. (AP Photo/Jae C. Hong)
Tiefliegende Wolken kühlen die Erde – doch es werden immer weniger. Bild: keystone

Die Welt erwärmt sich schneller als gedacht – nun kennen wir den Grund

Lange rätselte die Wissenschaft, wieso die Erderwärmung so rasant voranschreitet. Nun sind Klimaforschende zu neuen Erkenntnissen gekommen: Schuld sind höchstwahrscheinlich die Wolken – beziehungsweise deren Absenz.
06.12.2024, 20:1607.12.2024, 13:42
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Rekordtemperaturen an Land, viel zu warme Ozeane und schmelzende Gletscher – 2023 war in vielerlei Hinsicht ein klimatisches Katastrophenjahr. Die Temperaturen stiegen auf 1,5 Grad und übertrafen den bisherigen Rekord um 0,17 Grad.

Forschende waren sich indes uneinig, welche Faktoren für die rasante Erwärmung wie stark verantwortlich sind, und circa 0,2 Grad blieben gänzlich unerklärt. «Im Moment ist es, ganz ehrlich, noch ein Rätselraten», räumte etwa der renommierte Schweizer Wissenschaftler Reto Knutti im April 2024 gegenüber watson ein.

Dunkelrot und orange sind die Temperaturen der Meeresoberfläche 2023 und 2024. Verglichen mit den Vorjahren sind sie überdurchschnittlich hoch.
Dunkelrot und orange sind die Temperaturen der Meeresoberfläche 2023 und 2024. Verglichen mit den Vorjahren sind sie überdurchschnittlich hoch.Climate Reanalyzer

Doch nun könnte das Rätselraten ein Ende haben. Eine neue Studie, die in der Zeitschrift «Science» veröffentlicht wurde, will das fehlende Teil des Puzzles gefunden haben: Es seien – wenig spektakulär – die Wolken.

Wie Wolken die Albedo beeinflussen

Genauer gesagt: ein Mangel ebendieser. Je weniger helle, tiefliegende Wolken über den Ozeanen hängen, desto wärmer wird die Meeres- und damit die Erdoberfläche. Denn Wasser absorbiert Sonnenlicht fast vollständig, während dichte Wolken die Sonnenstrahlen zurück in die Erdatmosphäre reflektieren – was einen kühlenden Effekt hat.

Dieses Phänomen ist bekannt als Albedo, und es wird auf einer Skala von 0 bis 1 angegeben. Dunkle Oberflächen wie Wasser oder Asphalt haben etwa niedrige Albedo-Werte, da sie kaum Licht reflektieren. Schnee oder Eis hingegen weisen besonders hohe Albedo-Werte auf.

Forschende beobachteten schon 2021 einen Rückgang der Bewölkung:

Bisher hatten Forschende gemutmasst, dass die anthropogene Klimaerwärmung oder das El-Niño-Phänomen zu den Hauptverursachern der unerwartet hohen Temperaturen 2023 gehören. Das ist zwar nicht falsch – doch NASA-Satellitendaten, Wetterdaten und Klimamodelle legen nahe, dass der Rückgang der niedrigen Wolken die Albedo des Planeten im vergangenen Jahr auf ein Rekordtief gesenkt hat. Diese Entwicklung vermöge es, die Erklärungslücke der 0,2 Grad zu schliessen.

«Wir identifizieren eine rekordverdächtig niedrige planetarische Albedo als Hauptfaktor, der diese Lücke überbrückt.»

Wieso weniger Wolken?

Beim Grund für den Rückgang der kühlenden Wolken sind sich Wissenschaftler hingegen wieder uneinig. Höchstwahrscheinlich sei es eine Kombination aus verschiedenen Faktoren, sagt der Klimaphysiker und Studienleiter Helge Gössling, der am Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven forscht.

Ein solcher Faktor: Eine neue Regelung führte 2021 zu einem starken Rückgang von Schiffsemissionen. Das reinigte zwar die Luft und diente so der Gesundheit der Menschen – vertrieb aber gleichzeitig die kühlenden Wolken.

Auch natürliche Klimaschwankungen und sich verändernde Ozeanmuster könnten laut den Studienautoren dazu beigetragen haben. Ein dritter Faktor sei aber besonders alarmierend: die Klimaerwärmung selbst.

Gefährlicher Teufelskreis zwischen Erderwärmung und Wolkenschwund

Tiefliegende Wolken mögen es kühl und feucht. Wenn sich die Erdoberfläche erwärmt, werden diese dünner oder lösen sich ganz auf. Dadurch entsteht ein Teufelskreis: Die Erwärmung vertreibt die Wolken – und deren Verschwinden treibt wiederum die Erwärmung an.

Forschende, die nicht an der Studie beteiligt waren, betonen laut CNN, welch gewichtige Rolle die Wolken auf die Klimaerwärmung haben werden. Wenn die globale Erwärmung die Wolkendecke verändert, könnte dies die Erderwärmung stärker beschleunigen als bisher prognostiziert, warnen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.

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139 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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emankciN
06.12.2024 20:33registriert August 2021
Summary: We're screwed.
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Juana
06.12.2024 23:08registriert Mai 2024
Manchmal werde ich das Gefühl nicht los, dass wir Menschen eine sehr, sehr geringe Ahnung haben, wovon wir sprechen und vor allem was wir wirklich wissen.
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Ich-möchte-verstehen
06.12.2024 22:12registriert April 2022
Eine weitere Hypothese... mit verschiedenen Möglichkeiten warum die Wolken weniger werden - und damit eine Huhn-Ei-Frage. Egal wie es ist, es kann nicht richtig sein die über Millionen von Jahren gebundenen Kohlenstoffe (Öl, Gas, Steinkohle) derart zu verbrennen wie wir es heute noch tun.
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