International
Wladimir Putin

Darum vergleicht sich Putin mit Peter dem Grossen

Darum vergleicht sich Putin mit Peter dem Grossen

Wenn Wladimir Putin über die russische Geschichte redet, hat er stets die Gegenwart im Blick. Sein jüngster Exkurs über Zar Peter den Grossen liest sich wie eine Drohung gegen den Rest Europas.
10.06.2022, 15:1210.06.2022, 15:28
Mehr «International»
Ein Artikel von
t-online

In einem wortreichen Artikel behauptete Wladimir Putin im Juli 2021, dass die Ukraine gar keine von Russland unabhängige Nation sei. Die Trennung der beiden sei ein historischer Fehler, vorangetrieben von äusseren Feinden und schwachen Führern im Innern.

Peter der Grosse auf einem Ölgemälde, das Jean-Marc Nattier zugeschrieben wird.
Peter der Grosse auf einem Ölgemälde, das Jean-Marc Nattier zugeschrieben wird.Bild: gemeinfrei

Bis ins 17. Jahrhundert ging der Kremlchef zurück, um seinen vermeintlichen Anspruch auf das Nachbarland zu rechtfertigen. Neun Monate später fielen russische Truppen in die Ukraine ein. Wenn Putin sich jetzt mit Peter dem Grossen vergleicht, ist also Aufmerksamkeit geboten.

«21 Jahre lange führte Peter der Grosse den Grossen Nordischen Krieg gegen Schweden», so Putin am Donnerstag bei der Eröffnung einer Ausstellung zum 350. Geburtstag des Zaren. Der russische Präsident fährt fort:

«Und auch wenn es so aussieht, als hätte er Schweden etwas weggenommen, hat er doch in Wahrheit nur zurückgeholt, was Russland gehörte. Offenbar ist es auch unser Los: Zurückzuholen und das Land zu stärken. Wenn wir dies als Grundlage unsres Daseins akzeptieren, werden wir die vor uns liegenden Aufgaben lösen».

>> Alle aktuellen Entwicklungen im Liveticker

Krieg gegen Schweden machte Russland zur Grossmacht

Der Krieg, über den Putin hier spricht, dauerte von 1700 bis 1721 und begründete Russlands Status als Grossmacht. In mehreren Friedensverträgen wurde die europäische Landkarte neu gezeichnet, Russland löste Schweden als Vormacht in der Ostsee ab und verleibte sich Estland, Livland und Karelien ein. Die Region gehörte bis dahin zu Schweden, jetzt gründete der Zar dort das nach ihm benannte Sankt Petersburg.

Russian President Vladimir Putin attends a meeting with young entrepreneurs and startup developers on the eve of the St. Petersburg International Economic Forum (SPIEF), at the Technograd Training Com ...
Überaus gut gelaunt: Wladimir Putin am Donnerstag bei der Eröffnung einer Ausstellung zum 350. Geburtstag des Zaren. Bild: keystone

Der Krieg leitete auch den Niedergang der Königlichen Republik Polen-Litauen ein, die seit dem 14. Jahrhundert einen gemeinsamen Staat bildeten, der das heutige Litauen, Lettland und Belarus sowie grosse Teile der heutigen Ukraine und kleinere Teile des heutigen Russlands, Estlands, Rumäniens und der Republik Moldau umfasste.

Putin missbraucht das Trauma der Fremdbestimmung 

Aber was will uns Putin damit sagen? Der Hinweis auf den 21 Jahre dauernden Krieg dürfte sich an das heimische Publikum richten. Nach 107 Tagen «militärischer Spezialoperation in der Ukraine» wachsen auch in Russland Skepsis und Unzufriedenheit über den Verlauf des Krieges, der eigentlich nur drei Tage dauern sollte.

Die Botschaft scheint klar: Genau wie Peter der Grosse befinde sich auch Putin auf historischer Mission zur Wiederherstellung russischer Grösse. Nur Geduld, und wenn es Jahre dauert!

Wie eine Drohung liest sich dagegen der Hinweis auf den Sieg Peters des Grossen über Schweden, zu dem damals auch Finnland gehörte. Nach dem Überfall auf die Ukraine wollen beide Länder ihre Neutralität aufgeben und der Nato beitreten – der Kreml spricht von einer direkten Bedrohung russischer Interessen in der Ostsee und droht bereits mit der Stationierung weiterer Truppen.

Wenn Putin sich jetzt mit Peter vergleicht, heisst das: Wir haben euch einmal besiegt, wir können es wieder tun!

Die Drohung dürfte aber nicht nur in Skandinavien verstanden werden. Die baltischen Länder und Polen gehören zu den entschiedensten Unterstützern der Ukraine. Mehr Waffenhilfe leisten nur die USA und Grossbritannien.

Das Trauma von Teilung und Fremdbestimmung ist in den Ländern zwischen Deutschland und Russland besonders ausgeprägt und wurzelt in eben jener Epoche, auf die sich Putin nun beruft.

Erst am Donnerstag stellte Putins Partei «Einiges Russland» die seit 1991 geltende Unabhängigkeit Litauens in Frage. Auch hier scheint die Botschaft klar: Ihr habt keine Chance gegen Russland, nicht einmal, wenn ihr euch verbündet. (tol)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Russischer Tag des Sieges: Putins Rede zum Ukraine-Krieg
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
135 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
LURCH
10.06.2022 18:14registriert November 2019
Vielleicht sollte er sich von seiner Grösse her eher mit Napoleon vergleichen.
Aber dieser hatte es wenigstens bis Russland geschafft, wogegen der russische Gnom es nicht einmal über den Donbas schaffen wird.
Und wie es für Napoleon geendet hat, wissen wir ja alle.
1193
Melden
Zum Kommentar
avatar
MasterJ
10.06.2022 15:18registriert Mai 2021
Er darfs sogar noch weiter zurückgehen wo es noch kein Russisches land gab und entsprechend alle hanebüchenen ansprüche aufgeben
13643
Melden
Zum Kommentar
avatar
Lafayet johnson
10.06.2022 15:44registriert Juli 2020
Die Lügen der russischen Regierung sind so dermaßen unerträglich, zynisch und menschenverachtend. Nichts ist ihnen zu blöd.

Selbst eine Hungersnot in Afrika wird in Kauf genommen.

Man muss das stoppen!
12537
Melden
Zum Kommentar
135
    «Vielleicht hat Trumps absurde Zolltarif-Karte zu einer historischen Wende geführt»
    China hat die besseren Karten im Handelskrieg gegen die USA, Donald Trumps Strafzoll-Liste stellt einen Wendepunkt in der Weltwirtschaft dar. Warum das so ist, erklärt James Johnstone, Experte für Emerging Markets bei der britischen Investmentgesellschaft Redwheel.

    Jetzt ist er also da, der Handelskrieg zwischen den USA und China. Wer gewinnt?
    Wir haben erst Anzeichen, dass es einen Handelskrieg geben wird. Bis anhin handelt es sich um einen Scheinkrieg.

    Zur Story