Warum Putin über drei identische Büros verfügt
Im Zuge der Corona-Pandemie hatte sich der russische Machthaber Wladimir Putin weitgehend aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Zu Beginn des Ukraine-Kriegs war er mitunter monatelang nur in Videoaufnahmen aus seinem Büro zu sehen. Doch bereits in den Jahren zuvor hatte der inzwischen 73-Jährige viel unternommen, um seine Aufenthaltsorte zu verschleiern.
Nun zeigt eine Recherche des russischsprachigen Investigativprojekts «Sistema», was Beobachter und Journalisten seit Jahren vermutet hatten: Putin liess sich in mindestens drei seiner Residenzen nahezu identische Büros einrichten, aus denen er regelmässig Ansprachen und Live-Sendungen übertrug.
Laut der Analyse wurden über Jahre hinweg zahlreiche offizielle Termine an Orten inszeniert, an denen sich der russische Präsident in Wirklichkeit gar nicht aufhielt – er unternahm jedoch alles, um den Eindruck zu erwecken, er befinde sich in der Nähe des Kreml in seiner Hauptresidenz Nowo-Ogarjowo bei Moskau.
Für ihre Untersuchung verglichen die Reporter von «Sistema» mehr als 700 offizielle Veröffentlichungen des Kreml über vermeintliche Sitzungen und Auftritte im Präsidentenbüro. Dabei analysierten sie die Innenausstattung auf Fotos und Videoaufnahmen und konnten zahlreiche Ungereimtheiten nachweisen. Ergänzend wurden Reisedaten sowie geleakte E-Mails staatlicher Medienmitarbeiter und Putins Entourage ausgewertet.
Drei identische Arbeitszimmer
Das Ergebnis lässt sich folgendermassen zusammenfassen: Putin verfügt über drei nahezu identisch gestaltete Arbeitszimmer – eines in Nowo-Ogarjowo nahe Moskau, ein zweites in Sotschi, sowie ein drittes in Waldai, mehrere Hundert Kilometer nördlich der Hauptstadt. Dort befindet sich Putins Familienresidenz.
Ziel ist laut «Sistema», dadurch einerseits seine persönliche Sicherheit zu erhöhen, andererseits aber auch das Bild eines stets anwesenden Staatschefs aufrechtzuerhalten. Besonders in Krisenzeiten sollte der Anschein erweckt werden, Putin sei dauerhaft im Zentrum der Macht nahe dem Kreml tätig.
Putins beigefarbenes Büro
Das erste Büro steht auf dem Gelände der offiziellen Präsidentenresidenz in Nowo-Ogarjowo, westlich von Moskau. Nach Putins Rückkehr ins Präsidentenamt im Jahr 2012 entstand dort ein neues Gebäude, in dem sich das sogenannte beigefarbene Büro befindet.
Der Raum ist schlicht eingerichtet: helle Töne, klare Linien, kaum Dekoration. Persönliche Gegenstände fehlen gänzlich. Experten gehen davon aus, dass das reduzierte Design gezielt für Fernsehbilder entwickelt wurde. Putin soll darin stets als ruhender Mittelpunkt der Macht inszeniert werden.
Doppelgänger-Büro in Sotschi
Etwa ab 2018 tauchten in den Veröffentlichungen des Kreml vermehrt Bilder auf, die angeblich in Nowo-Ogarjowo aufgenommen wurden. Doch bei näherer Analyse zeigte sich: Viele dieser Aufnahmen stammten aus einem zweiten, fast identisch eingerichteten Büro in Sotschi. Das Gebäude befindet sich auf dem Gelände der Präsidentenresidenz Bocharow Rutschej und war ursprünglich als Pressezentrum für die Olympischen Winterspiele 2014 konzipiert.
Details wie leicht versetzte Türgriffe, unterschiedliche Belüftungsgitter oder die Position von Wandfugen halfen «Sistema» dabei, die Fälschung zu entlarven. Auch würden Reisedaten und Hotelbuchungen staatlicher Journalisten und Techniker belegen, dass viele angebliche Termine in der Nähe von Moskau in Wirklichkeit an der Schwarzmeerküste stattfanden, so «Sistema».
Putins Festung im Wald
Das dritte Büro befindet sich laut der Analyse von «Sistema» in Waldai, einer bewaldeten Region zwischen Moskau und Sankt Petersburg. Es gilt als Putins derzeit bevorzugter Rückzugsort – und als besonders gesicherter Standort. Die Umgebung der dortigen Residenz ist laut Recherchen mit mindestens 14 Luftabwehrstellungen geschützt – ein Sicherheitsstandard, der üblicherweise militärischen Einrichtungen vorbehalten ist.
Das Büro in Waldai wurde insbesondere vor und unmittelbar nach der russischen Invasion der Ukraine häufig genutzt, als Putin sich dort offenbar über längere Zeiträume aufhielt. Offizielle Treffen und Videokonferenzen, die in dieser Zeit angeblich in Nowo-Ogarjowo stattfanden, fanden laut «Sistema» tatsächlich in Waldai statt. Die Nachbildung des beigefarbenen Büros dort unterscheidet sich nur in kleinen Details von den anderen Versionen.

