Interview
Winter

Vreni Schneider: "Lara Gut ist fast unschlagbar"

Lara Gut ist der Gesamtweltcup-Sieg nicht mehr zu nehmen.
Lara Gut ist der Gesamtweltcup-Sieg nicht mehr zu nehmen.
Bild: Pier Marco Tacca/AP/KEYSTONE
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Vreni Schneider sagt, warum Lara Gut ihre Nachfolgerin wird und sie sich vor einem Olympia-Rennen schon übergeben musste

Vor 21 Jahren gewann Vreni Schneider als letzte Schweizerin den Gesamtweltcup. Jetzt dürfte sie von Lara Gut abgelöst werden. Im Interview sagt die Glarnerin, warum der Marken-Wechsel für ihre Nachfolgerin entscheidend war, weshalb die Skifahrerinnen heute besser aussehen und spricht über ein ungemütliches Erlebnis vor einem Olympia-Rennen.
11.03.2016, 13:4515.04.2016, 18:55
Felix Burch
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Mehrfache Olympiasiegerin, mehrfache Weltmeisterin, mehrfache Gesamtweltcup-Siegerin. Vreni Schneider ist eine der erfolgreichsten Skirennfahrerinnen aller Zeiten. Nach ihr gelang es keiner Frau von Swiss Ski mehr, die grosse Kristallkugel zu ergattern. Schneider ist auch heute noch im Skirennsport tätig und analysiert für watson die sportliche Leistung Lara Guts.  

21 Jahre nach Ihnen spricht alles dafür, dass Lara Gut den Gesamtweltcup holen wird. Sind Sie glücklich oder traurig?
Vreni Schneider: Nur glücklich. Das ist wunderbar. Und es ist höchste Zeit dafür!

Was macht Lara Gut so stark?
Obwohl sie rasch erfolgreich war, musste sie auch mit Niederlagen fertig werden. Daraus hat sie viel gelernt. Wie ich fuhr sie bis letzte Saison Rossignol. Dieser Marke blieb ich während meiner ganzen Karriere und die letzten 20 Jahre treu. Wegen meiner Nichte Anja wechselte ich jedoch kürzlich zu Head – so wie Lara auf diese Saison hin. Was nach einem kleinen Schritt aussieht, kann eine grosse Wirkung haben. Dass ein Team wie Head, das gespickt ist mit Superstars, Lara so gut aufgenommen hat und betreut, ist für sie psychologisch wichtiger, als es von aussen aussieht. 

Bild
Vreni Schneider 
Vreni Schneider wurde 1964 geboren und gehört zu den erfolgreichsten Skirennfahrerinnen der Geschichte. Sie dominierte das Renngeschehen in den späten 1980er und frühen 1990er Jahren. Dreimal gewann sie den Gesamtweltcup, letztmals 1995. Sie holte fünf Medaillen an Olympischen Spielen (davon drei goldene), und sechs bei Weltmeisterschaften (auch drei goldene). Insgesamt gewann sie 55 Weltcuprennen. Allein in der Saison 1988/89 stand sie bei 14 Weltcuprennen zuoberst auf dem Podest; bis heute bleibt diese Bestmarke unübertroffen. Schneider ist verheiratet und Mutter zweier Söhne. Sie führt in Elm ihre eigene Ski-, Snowboard- und Rennschule. (feb)
«Sie ist geduldiger geworden, sie hat die richtigen Leute um sich und sie hat durch das Material, das nun perfekt auf sie abgestimmt ist, noch mehr Selbstvertrauen. Diese drei Punkte machen sie fast unschlagbar.»

Sie sagen, Lara Gut habe viel lernen müssen. Meinen Sie damit auf oder neben der Piste?
Neben der Piste machte sie vor allem ganz am Anfang nicht immer eine gute Figur. Rasch galt sie als Rebellin. Das kam nicht überall gut an und sie zahlte Lehrgeld für ihr Verhalten. Ihr Talent auf den Skis war schon immer unbestritten.

Was kann sie auf dem Schnee denn besser als die anderen?
Sie ist eine fantastische Technikerin. Nebst dem Skiwechsel gelang es ihr zudem auf diese Saison hin, eine gewisse Ruhe in den ganzen Rummel um ihre Person zu bringen. Früher gab es Reibereien zwischen ihrem Privatteam und Swiss Ski, diese scheinen gelöst. Energien, die sie in solch kleinen Konflikten verpuffte, setzt sie heute im Rennen ein. Sie steht im Riesenslalom ganz anders auf dem Ski als noch Ende letzte Saison. Sie driftet nicht mehr, sie fährt die Tore viel sauberer an. 

Vreni Schneider – strickend von Sieg zu Sieg

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Vreni Schneider
1987 in Grand Montana feierte Vreni Schneider ihren ersten Titel an Weltmeisterschaften.
quelle: keystone / str
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Die besten Social-Media-Bilder von Lara Gut

Böse Zungen behaupten, Lara Gut hole sich die grosse Kristallkugel diese Saison nur, weil mit Anna Fenninger, Mikaela Shiffrin, Tina Maze und jetzt auch noch Lindsey Vonn die Allerbesten fehlen. Sind Sie auch dieser Meinung?
Sicher nicht. Lara fuhr auch um den Gesamtweltcup mit, als alle Stars fit waren. Allerdings ist es schon so, dass die Zeit jetzt reif ist. Wenn Sie den Gesamtweltcup jetzt nicht gewinnt, wann dann? Sie fährt momentan äusserst souverän. Im Riesenslalom ist sie diese Saison noch stärker und in der Abfahrt und im Super-G, wo sie sich schon zuvor Duelle mit Lindsey auf allerhöchster Ebene austrug, bringt sie konstante Leistungen. Den Unterschied hat sie mit ihren Resultaten im Riesenslalom und in der Kombination herausgefahren.  

Das Weltcup Finale 
Zum Saisonabschluss der Frauen 2015/2016 stehen noch folgende Rennen an: 

-Super-G Lenzerheide, 12. März
-Kombination Lenzerheide, 13. März

-Abfahrt St. Moritz, 16. März
-Super-G St. Moritz, 17. März
-Slalom St. Moritz, 18. März
-Riesenslalom St. Moritz, 19. März

Ihr Vorsprung ist so gross, dass auf dem Weg zum Gesamtweltcup-Sieg fast nichts mehr passieren kann. Dennoch: Wird man so kurz vor dem Ziel noch einmal richtig nervös? 
Ein bisschen schon, aber sie packt das. Da bin ich mir sicher. Sie hat gelernt, Rennen für Rennen zu nehmen. Das tut sie jetzt auch wirklich, kann am Start alles rund um sie ausblenden. Sie ist geduldiger geworden, sie hat die richtigen Leute um sich und sie hat durch das Material, das nun perfekt auf sie abgestimmt ist, noch mehr Selbstvertrauen. Diese drei Punkte machen sie fast unschlagbar. Sie darf sich nun einfach nicht verletzen. 

«Früher achteten wir Rennfahrerinnen kaum auf das Äussere. Hübsch war nicht so wichtig. Hauptsache, man war schnell.»

Die letzten Rennen kann sie in der Schweiz fahren. Ist das ein gutes Omen?
Der Super-G auf der Lenzerheide ist technisch schwierig. Wer bitte soll da besser fahren als Lara? Dieses Rennen ist wie zugeschnitten auf sie. Danach folgt das Finale in St. Moritz. Dieses im eigenen Land bestreiten zu können, das muss etwas vom grössten sein für sie. Das durfte ich übrigens nie erleben. Lara hat in St. Moritz ihr erstes Rennen gewonnen, sie reist also mit einem guten Gefühl dort hin. Das Publikum wird sie ins Ziel tragen. Besser können die Voraussetzungen nicht sein. 

Alle Schweizer Gesamtweltcupsieger

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Alle Schweizer Ski-Gesamtweltcupsieger
Lara Gut: Saison 2015/16.
quelle: epa/keystone / gian ehrenzeller
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Ist der Gesamtweltcup überhaupt wichtig? Ist ein Olympia-Sieg nicht etwas viel grösseres?
Eine Goldmedaille an Olympischen Spielen ist emotional unerreichbar. Alles muss an einem einzigen Tag zusammenstimmen. Die mentale Stärke, der Körper, man darf aber auch nicht zu nervös sein – auch schon musste ich mich vor einem Olympia-Rennen übergeben. Geht dann alles auf, gelingt es, zu gewinnen, bleibt das ein Leben lang. Während meinen Siegerehrungen dachte ich jeweils, ich falle vom Podest, so weiche Knie hatte ich. Ich habe aber immer gesagt, dass für die Athletin selber der Gesamtweltcup wichtiger ist. Der Gesamtweltcup mit diesen vielen Rennen in mehreren Disziplinen ist schwieriger zu gewinnen als ein einziges an Weltmeisterschaften oder Olympia. 

Sie haben alles erreicht und sind trotzdem nie abgehoben. Wie schafft das Lara Gut?
Im Erfolg sind alle deine «Freunde», alle wollen sich ein Stück abschneiden. Kommen schwierigere Zeiten, sind viele dieser neuen «Freunde» rasch wieder weg. Man lernt, wer wichtig ist, wer immer für einen da ist. Doch das weiss Lara haargenau, sie braucht keine Tipps von mir. Trotz ihres jungen Alters kann sie schon Medaillen an Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften vorweisen. Kommt jetzt noch der Gesamtweltcup dazu, macht sie das in Zukunft noch stärker. Das beflügelt ungemein, gibt Sicherheit. 

Das sind die grössten Rivalitäten aller Zeiten

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Die grössten Sport-Rivalitäten der Geschichte
Es ist im Fussball wohl die grösste Rivalität aller Zeiten – Cristiano Ronaldo gegen Lionel Messi Die beiden teilen sich fast alle Rekorde untereinander auf, nur in Sachen Weltfussballer hat der Argentinier mit sechs Auszeichnungen (fünf für Ronaldo) die Nase vorn.
quelle: x90031 / stringer/spain
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Könnte der angebliche «Zicken-Krieg» zwischen ihr und Lindsey Vonn dafür sorgen, dass in Zukunft Dritte von zuoberst winken?
Nein, das glaube ich nicht. Ich denke, sie akzeptieren sich und machen sich gegenseitig stark. Beides sind hübsche Frauen. Mir persönlich gefällt Lara besser, weil sie die Natürlichere ist. Ich finde, zu viel Schminke passt nicht auf die Piste. 

Das Äussere spielt heute eine grössere Rolle. Wie finden Sie diese Entwicklung?
Früher achteten wir Rennfahrerinnen kaum auf das Äussere. Hübsch war nicht so wichtig. Hauptsache, man war schnell. Allerdings dachte ich mir mehr als einmal – beim betrachten von Siegerfotos – dass ich mir die Haare etwas besser hätte zurechtlegen können (lacht). ​

Oft sass das Stirnband etwas weit unten. Vreni Schneider 1991 an der WM in Saalbach Hinterglemm. 
Oft sass das Stirnband etwas weit unten. Vreni Schneider 1991 an der WM in Saalbach Hinterglemm. 
Bild: KEYSTONE

Wie gut kennen Sie Lara Gut eigentlich?
Wir haben uns verschiedentlich gesehen, zum Beispiel in Zermatt auf dem Gletscher. Sie ist eine sehr offene Person und kommt jeweils sofort auf mich zu. Dass sie als aktueller Skistar immer Zeit findet, mir kurz Hallo zu sagen, finde ich schön. ​Am meisten Kontakt habe ich mit Dominique Gisin und Fabienne Suter. Beide sagten mir, dass ich früher ihr Vorbild war. Wir schreiben uns immer wieder über WhatsApp. 

Was ist Ihnen geblieben von all den Erfolgen?
Das Menschliche, die Freundschaften. Ich habe zu Trainern, Physiotherapeuten, Servicemännern und natürlich zu meinen damaligen Team-Kolleginnen noch heute Kontakt. Ich weiss, nur dank Ihnen, die mich herausgefordert und angetrieben haben, konnte ich schnell sein. Pokale und Medaillen verstauben im Schrank, die Erinnerungen an die Team-Kolleginnen hingegen bleiben lebendig. Auch Lara ist so erfolgreich, weil das ganze Schweizer Team stark ist, vor allem Fabienne Suter in der Abfahrt.  

Vreni Schneider fährt zu WM-Gold 

WM-Slalom in Saalbach Hinterglemm.
YouTube/Alexx87

2015: Die erfolgreichsten Schweizer Ski-Weltmeister der Neuzeit

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Alle Schweizer Ski-Weltmeister der Neuzeit
Skination Schweiz, Weltmeisternation Schweiz! Alle Weltmeister seit 1970, also auch Michela Figini, Pirmin Zurbriggen und die erfolgreichste von allen, Erika Hess (v.l.).
quelle: keystone / str
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