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Die bürgerlichen «Flop5» sind an ihrem Debakel in Zürich selber schuld

Susanne Brunner der SVP, rechts, blickt neben Markus Hungerbuehler der FDP enttaeuscht ueber ihr Resultat anlaesslich der Stadtratswahlen im Stadthaus in Zuerich, aufgenommen am Sonntag, 4. Maerz 2018 ...
Betretene Mienen bei den gescheiterten Kandidaten Markus Hungerbühler (CVP) und Susanne Brunner (SVP).Bild: KEYSTONE
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Die bürgerlichen «Flop5» sind an ihrem Debakel in Zürich selber schuld

Die Bürgerlichen setzten in Zürich zum Sturm auf den Stadtrat an. Am Ende verloren sie einen ihrer drei Sitze. Wer so eklatant an den Bedürfnissen der Bevölkerung vorbei politisiert, darf sich darüber nicht wundern.
04.03.2018, 20:5605.03.2018, 11:35
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Vor sieben Jahren setzte die SVP zum «Sturm auf das Stöckli» an. Sie wollte mit ihren Topshots den Besitzstand im Ständerat ausbauen. Die Strategie geriet zum Rohrkrepierer. Am Ende hatte die SVP weniger Sitze als zuvor. Nun hat sich die Geschichte in der Stadt Zürich wiederholt: Die Bürgerlichen wollten die Mehrheit im Stadtrat erobern und verloren stattdessen einen Sitz.

An Einsatz hat es nicht gemangelt. Bis fast zur letzten Minuten war das «Top5»-Bündnis aus FDP, SVP und CVP auf Achse und warb um die Stimmen der Unentschlossenen. Gleichzeitig traten die früher oft heillos zerstrittenen Bürgerlichen so geeint auf wie lange nicht. Genützt hat es rein gar nichts: Von den drei Parteien ist nur noch die FDP im Stadtrat vertreten, mit zwei Sitzen.

Rotgrün hat zu wenig falsch gemacht

Für die bürgerliche Pleite gibt es mehrere Gründe. Der No-Billag-Effekt mag eine Rolle gespielt haben, doch primär geht es bei solchen Wahlen um Lokalpolitik. Die rotgrüne Stadtratsmehrheit hat in den letzten vier Jahren nicht geglänzt, aber auch zu wenig falsch gemacht, um von der Wählerschaft abgestraft zu werden. Zürich ist eine attraktive Stadt, die öffentlichen Einrichtungen funktionieren. Und die Finanzlage ist im wahrsten Sinne im grünen Bereich.

Natürlich ist nicht alles Gold, was glänzt. Trotz Lippenbekenntnissen zur sozialen Durchmischung konnte der Stadtrat die Umschichtung hin zu den Besserverdienenden nicht aufhalten. Das sorgt für einen anhaltenden Druck auf dem Wohnungsmarkt. Auch der Absturz der überforderten Gesundheitsdirektorin Claudia Nielsen wirft ein schiefes Licht auf die Stadtregierung.

Das Hauptproblem aber sind die Bürgerlichen selbst. Das beginnt bei der SVP, die einmal mehr den Einzug in den Stadtrat verpasst und auch im Gemeinderat eine Schlappe erlitten hat. Die guten Umfragewerte ihrer Kandidatin Susanne Brunner waren Augenwischerei. So lange die SVP-Bewerber stramm auf Parteilinie politisieren, sind sie im linksliberalen Zürich chancenlos.

Die CVP war jahrzehntelang eine kleine, aber feste Grösse im reformierten Zürich. Unter dem aus der Ostschweiz zugezogenen Stadtratskandidaten Markus Hungerbühler rückte die im christlichsozialen Milieu verwurzelte Partei nach rechts. Die Quittung dafür ist brutal: Die CVP wurde aus dem Stadt- und dem Gemeinderat geworfen und zur politischen Nullnummer degradiert.

Parkplätze statt Velowege

Was den (Rechts-)Bürgerlichen aber wirklich zum Verhängnis wurde, ist ihre verfehlte Politik. Auf der Prioritätenliste der Stadtbevölkerung ganz oben stehen günstige Wohnungen, Velowege und ein besserer ÖV. Die Bürgerlichen aber bekämpften Projekte für gemeinnützigen Wohnungsbau und machten sich stark für mehr Parkplätze.

Wer mit einer solchen Filterblasen-Politik die Bedürfnisse der Mehrheit ignoriert, darf sich über gar nichts wundern.

Die Kandidaten für den Zürcher Stadtrat

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Die Kandidaten für den Zürcher Stadtrat
Corine Mauch (SP), bisher (Stadtpräsidentin).
quelle: keystone / walter bieri
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Profitieren konnten die Grünliberalen, die mit ihrem Profil und ihrem Wähleranteil längst in den Stadtrat gehört hätten. Ihr Problem war bislang das Personal. Mit Andreas Hauri hatten sie nun den richtigen Kandidaten. Er hat eine sympathische Ausstrahlung und machte das Manko eines fehlenden Bündnisses mit einem beherzten Wahlkampf wett. Sein Wahlerfolg ist nur logisch.

Er muss auch der FDP zu denken geben. Wenn sie wirklich eine liberalere Politik in der Stadt Zürich anstrebt, muss sie eine Allianz mit den Grünliberalen ins Auge fassen. Mit der Blocher-SVP und der irrelevant gewordenen CVP kann sie nichts gewinnen. Top5 ist definitiv Flop5.

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30 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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FrancoL
04.03.2018 21:33registriert November 2015
@Peter Blunschi:
"Wer mit einer solchen Filterblasen-Politik die Bedürfnisse der Mehrheit ignoriert, darf sich über gar nichts wundern"
Das ist keine Filterblase, das ist das Credo der Bürgerlichen. Etwas anderes wäre ja auch nicht zu portieren gewesen. Das Programm der 5 Köpfe war original aus deren Denke und und prallte und wird auch in Zukunft bei der Mehrheit der Zürcher abprallen.
Ich kenne viele Zürcher, arbeite in Zürich und musste manchmal verdutzt zur Kenntnis nehmen, dass auch etliche Bürgerliche die alte und neue Regierung stützen, weil sie für Zürich und somit für viele gut ist.
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Spi
04.03.2018 21:15registriert März 2015
Mit einem Pakt mit den vorallem in Zürich unmöglich politisierenden Rechtsaussen SVP ist einfach nichts zu gewinnen. Ich hoffe, dass die Scharfmacher dort endlich abgesagt werden und dann wieder vernünftige bürgerliche Politik gemacht werden kann. Gesagt von einem FDPler.
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m. benedetti
04.03.2018 21:33registriert Januar 2017
Ein etwas kurzer Kommentar Herr Blunschi, aber im Kern durchaus zutreffend. Allerdings hat die Stadt ein Attraktivitätsproblem. An einem schönen Tag wie heute sind so ziemlich alle Plätze, Cafés, kulinarische Einrichtungen und Uferpromenaden belagert. Die Agglo mag sich über das Links-Grüne Zürich ärgern, sind aber Teil der Übernutzung der Stadt, worüber wir Stadtzürcher uns dann wieder ärgern dürfen. Aber man kann nicht alles haben, ergo freue ich mich über die links-grüne Mehrheit auch im Stadtparlament.
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