Was nach buntem Kinderkram aussieht, ist in Wahrheit ein Milliardenbusiness: In London prügeln sich Fans um die Figuren, in China werden übergrosse Sammlerstücke für sechsstellige Summen versteigert. Die bunten Charaktere mit den grossen Augen und schiefem Grinsen sind längst nicht mehr nur Spielzeug, sondern begehrte Lifestyle-Objekte, die weltweit Menschen in ihren Bann ziehen.
Doch wer ist der Mann, der hinter diesem Hype steckt? Und wie gelang es ihm, aus kleinen Plastikfiguren ein Imperium aufzubauen?
Wang Ning, 1987 in der chinesischen Provinz Henan geboren, zog es direkt nach dem Abitur an die Zhengzhou University, wo er Werbung studierte und 2009 seinen Abschluss machte. Direkt danach begann er seine Karriere beim Internetkonzern Sina, dem Betreiber der chinesischen Microblogging-Plattform Weibo, die ähnlich wie Facebook oder X funktioniert. Doch der Bürojob fesselte ihn nicht lange. Wang spürte früh, dass er unternehmerisch etwas Eigenes aufbauen wollte.
Auf einer Reise nach Hongkong entdeckte er trendige Concept-Stores, wie es sie in China damals nicht gab. Die Idee liess ihn nicht mehr los. 2010 eröffnete er in Beijing (Peking) den ersten Pop-Mart-Laden, mitten im Technologieviertel Zhongguancun. Anfangs bot er eine Mischung aus Spielzeug, Schreibwaren und Kosmetik an, doch bald merkte Wang, dass vor allem die Figuren die Kunden in seinen Laden zogen. So legte er den Grundstein für das, was Pop Mart später weltberühmt machen sollte.
2014 wagte Wang Ning einen radikalen Schritt: Er konzentrierte sich ausschliesslich auf Spielzeug und führte das Blindbox-Prinzip ein. Käufer wussten beim Kauf nicht, welche Figur sie erhalten würden. Diese Mischung aus Überraschung und Sammelreiz erwies sich als Volltreffer.
Parallel suchte Wang gezielt die Zusammenarbeit mit Künstlern. Den Anfang machte der Hongkonger Designer Kenny Wong, dessen Figur Molly mit den grossen Augen und dem runden Gesicht zur Ikone wurde.
Kurz darauf sorgte eine weitere Kooperation für Furore: Der in Hongkong geborene Künstler Kasing Lung entwarf die schräge Figur Labubu, ein Hasenwesen mit spitzen Ohren, Zähnen und breitem Grinsen. Innerhalb kürzester Zeit entwickelte sich Labubu zum Liebling der Fans, erst in China, dann weltweit.
Um sich für die nächste Stufe zu rüsten, kehrte Wang Ning 2014 noch einmal an die Universität zurück, an die Guanghua School of Management der Peking-Universität. Das theoretische Rüstzeug half ihm, die Firma professionell aufzustellen und die Expansion zu steuern.
Schon wenige Jahre später zahlte sich dieser Schritt aus: 2018 knackte Pop Mart mit Molly die Umsatzmarke von 73 Millionen US-Dollar, 2020 folgte der grosse Durchbruch an der Börse in Hongkong. Die Aktie war heiss begehrt, Pop Mart plötzlich Milliarden wert. Gleichzeitig weitete das Unternehmen sein Geschäft aus: Neben den klassischen Stores entstanden Hunderte «Robo-Shops» – Automaten, die Blindboxen wie Snacks ausspucken – sowie Flagship-Stores in den Metropolen Asiens.
Heute ist Pop Mart mit mehr als 400 Läden und Tausenden Verkaufsautomaten in Asien, Europa und Nordamerika vertreten. Der Umsatz schoss in die Milliarden, und Wang Ning etabierte sich als einer der erfolgreichsten Unternehmer Chinas.
Mit Labubu erreicht Pop Mart endgültig Kultstatus. Die grinsende Figur sorgt weltweit für Schlangen vor den Geschäften, wird von Stars wie Rihanna oder Dua Lipa gesammelt und erzielt bei Auktionen in China Summen von über 150'000 Dollar. In London kam es sogar zu Rangeleien um die begehrten Blindboxen. Labubu ist nicht mehr nur Spielzeug, sondern ein Lifestyle-Symbol – und treibt Pop Marts Umsatz wie auch den Börsenwert in immer neue Höhen.
Für Wang Ning bedeutet dieser Erfolg den endgültigen Aufstieg in wirtschaftliche Elite Chinas: Mit einem geschätzten Vermögen von mehr als 20 Milliarden Dollar zählt er heute zu den zehn reichsten Menschen des Landes – und ist der jüngste unter ihnen. Vom Werbestudenten zum Milliardär hat er gezeigt, wie sich mit Mut, Gespür für Trends und einem schief grinsenden Hasenwesen ein Imperium aufbauen lässt.
So gross der Hype auch ist: Analysten warnen, dass Pop Mart stark vom Erfolg einzelner Figuren abhängt. Neue Serien müssen immer wieder den Nerv der Sammler treffen, sonst droht der Boom abzuflauen. Auch an der Börse gilt die Aktie als überbewertet.
Doch der Selfmade-Milliardär denkt längst weiter: Pop Mart expandiert nach Europa, Amerika und in Schwellenmärkte. Wang Ning träumt von einem eigenen Unterhaltungsimperium mit Animationsfilmen, Freizeitparks und Figuren, die ähnlich wie Disney-Charaktere ganze Generationen begleiten sollen.