In der zweiten Maiwoche wird in Lissabon gesungen. Oder sowas Ähnliches. In der zweiten Maiwoche? Sind es bis da nicht noch ziemlich genau zwei laaaange Monate? Sind es. Aber nicht mehr seit vergangenem Samstag. Da wurde nämlich dieser Song – zwei Tage vor der offiziellen Veröffentlichung – geleakt, und seither wetten alle wie verrückt auf Netta und machen das Warten enorm kurzweilig und turbulent.
Netta ist 25 und singt am Eurovision Song Contest für Israel. «Toy» macht Lust zum Tanzen und ist eine aufgekratzte Mischung aus Rap und mediterranem «Gangnam Style», aber auch die gewaltigen Stimmdemonstrationen, die es am ESC braucht, fehlen nicht.
Vor allem aber ist «Toy» der mit Abstand vitalste Beitrag zur Metoo-Debatte. Als solchen haben ihn die Macher (die für ungefähr alle israelischen ESC-Beiträge der letzten Jahre verantwortlich sind) nämlich konzipiert. Mit Opferkult hat Nettas Empowerment-Hymne aber nichts zu tun, sie erinnert vielmehr an eine rotzigere Einfrau-Fassung des alten Spice-Girls-Hit «Wannabe».
Kaum war «Toy» da, ging auch schon ein Streit los, in den sich so prominente Stimmen wie die österreichische Facebookerin und Künstlerin Stefanie Sargnagel mischten. Der deutsche ESC-Fachmann Jan Feddersen versuchte nämlich, in der «taz» irgendwie konstruktiv darauf hinzuweisen, dass Netta Barzilai kein Hungerhaken ist. Ein Unterfangen, bei dem er natürlich nur verlieren konnte. Er schrieb:
«Barzilai sieht nicht aus wie eine Frau, die sich an einem weiblichen Schönheitsideal aus der Schule Heide Klums orientiert. Die junge Frau sieht aus wie eine warmherzige und absolut selbstbewusste Mischung aus Tracy Turnblad (die göttliche Hauptrolle in John Waters' «Hairspray» aus dem Jahre 1988), Alison Moyet in einer cool-entgrenzten Variante und Beth Ditto. Sie ist eine junge, alle Stylesheets mit dünnkörprigen Vorschriften ignorierende Israelin, die mit größter Selbstverständlichkeit auf der Bühne ihre Frau steht.»
Unsere Lieblingswienerin Stefanie Sargnagel meldete sich unter ihrem bürgerlichen Namen Sprengnagel auf Facebook sofort («blad» ist übrigens österreichisch für dick):
Sie schlug vor jeden Journalisten, der sowas schreibt, umgehend in einer nationalen Tageszeitung einer Figurenanalyse zu unterziehen. Was sie dann mit Jan Feddersen auch umgehend machte:
Was gibt es da noch zu sagen? Genial frech. Wie Nettas ESC-Nummer.
(sme)