Eintausend Frauen soll er gehabt haben. Siebenhundert Haupt- und dreihundert Nebenfrauen. Ein Riesenharem, den sich der Israelitenkönig Salomon, angeblich der klügste Mann seiner Zeit, da gönnte. Doch mit einer Frau sind die Verhältnisse nicht geklärt. Sie war ihm nämlich nicht untertan, sondern ebenbürtig, und ob die beiden ebenfalls eine Liebesbeziehung gehabt haben, gehört ins weite Reich der Legenden und der Hollywood-Filme. Sie war die Königin von Saba, eine Äthiopierin, deren Existenz (wie auch die von Salomon) nie bewiesen werden konnte. Trotzdem beharrte der äthiopische Kaiser Haile Selassie darauf, der 225. Nachfolger des Sohns von Salomon und der Königin von Saba zu sein.
Die Königin, die im Alten Testament ums Jahr 1000 vor Christus angesiedelt wird, reiste, so das Erste Buch der Könige, mit Kamelen, Gold, Weihrauch und kostbarem Holz nach Jerusalem, weil sie die legendäre Weisheit und Kultiviertheit von Salomon überprüfen wollte. Sie stellte ihm tausend schwierige Fragen, die er alle mühelos beantworten konnte. Beeindruckt überliess sie ihm die mitgebrachten Schätze und je nach Quelle auch sich selbst.
Sehr wahrscheinlich dürften sich unter ihren Geschenken auch die grünen Kerne der Pistazie befunden haben, denn Pistazien waren die Lieblingsnuss der Königin. So sehr, dass sie ihrem Volk zu Hause in Äthiopien verboten haben soll, Pistazien zum Eigengebrauch anzubauen. Nur der Hof durfte Pistazien essen.
Gut fünfhundert Jahre nach der Königin von Saba soll König Nebukadnezar II. ebenfalls Pistazien zum royalen Gebrauch angebaut haben, jetzt in den Hängenden Gärten der Semiramis in Babylon, die zu den sieben Weltwundern gezählt werden. Nebukadnezars Gattin, so geht die Sage, soll sich damals im fruchtbaren, aber flachen Zweistromland zwischen Euphrat und Tigris nach den Wäldern und Bergen ihrer Herkunft gesehnt haben. Für sie baute Nebukadnezar eine komplex terrassierte Parkanlage, die sich über mehrere Stockwerke erhob.
Die Pistazie ist eine zweigeschlechtliche Pflanze. Es gibt Bäume mit männlichen und andere mit weiblichen Blüten, das heisst, nur die weiblichen Bäume tragen überhaupt Früchte, und diese auch nur alle zwei Jahre. Bis zur ersten möglichen Ernte muss ein Baum sieben Jahre alt werden, bis zur ersten ertragreichen Ernte fünfzehn Jahre alt, pro Baum kann man ein bis zwei Kilo an trockenen Nüssen erwarten. Geerntet werden die Pistazien wie Oliven durch Schütteln der Bäume, dann muss das Fruchtfleisch entfernt und die Kerne in den (geplatzten) Schalen getrocknet werden.
100 Gramm geschälte Pistazien enthalten ca. 560 Kalorien, also ebenso viele wie Mandeln, etwas weniger als Milchschokolade und gut 150 Kalorien weniger als Butter. Pistazien sind kleine Gesundbomben, sie enthalten wertvolle Antioxidantien, viele Vitamine, Ballaststoffe und Eiweiss, senken den Blutzucker- und den Cholesterinspiegel – doch auch wenn das gelegentlich behauptet wird, beim Abnehmen helfen sie wirklich, wirklich nicht.
Einerseits sind sie selbst schon fett. Andererseits ist das Umfeld, in dem sie serviert werden, ebenfalls fett. Siehe Dubai-Schokolade. Siehe Baklava. Siehe Pistazien-Pesto, Pistazien-Glacé, Pistazien-Marzipan-Hefezopf oder mit Pistazienraspeln dekoriertes Gebäck oder ... Wenn Pistazie nicht als Snack-Nüsschen verzehrt wird, dann schreit sie nach ganz anderen Texturen: Nach nussig-cremiger und festlich bunter Dekadenz, die Saucen oder Krusten veredelt, etwa. Pistazie schmeckt ähnlich wie Mandeln, aber intensiver; die amerikanischen, türkischen und iranischen eignen sich besser als gerösteter und gesalzener Snack, die italienischen mit ihrem höheren Ölgehalt besser für Pasten und Glacé.
Weltweit werden aktuell gegen eine Milliarde Kilo Pistazien pro Jahr verzehrt. Der grösste Pistazien-Produzent sind (wie bei den Mandeln) die USA, 99 Prozent der gut 580 Hektar grossen Anbaufläche liegen in Kalifornien und decken gut 63 Prozent des Weltbedarfs ab. Es folgen die traditionellen Pistazien-Produzenten Türkei und Iran mit 15 und 14 Prozent. Erdnussmarktführer China und Syrien, das einstige Ur-Land der Pistazie mit seinen Plantagen rund um Aleppo, sind weit abgeschlagen.
Der erste Nachweis, dass Pistazien zu gern verzehrten Lebensmitteln gehörten, fand sich nämlich zu Beginn der 1970er-Jahre in der syrischen Ausgrabungsstätte von Tell Abu Hureyra östlich von Aleppo. Gut 10'000 Jahre vor Christus hatten die Menschen dort schon Pistazien gegessen.
Amerika kam erst viel später. Ab 1850 gab es mehrere Versuche, die Pflanze aus dem Nahen Osten in den USA anzubauen, doch erst um 1930 schmuggelte der Agrarwissenschaftler William E. Whitehouse erfolgreich drei Pistaziensorten aus dem Iran und begann, sie in Kalifornien im grossen Stil anzubauen. Er wurde so zum Begründer der amerikanischen Pistazien-Industrie.
Pistazien wurden früher übrigens nicht nur zum Geniessen, sondern auch zum Färben genutzt, und die Farbe Pistaziengrün gehörte in der Modewelt immer wieder zu den Trendfarben der Saison, zuletzt 2019, 2020, 2023 und 2024.
Und jetzt? Schliesst sich gerade ein Kreis in unserem kleinen Ausflug durch die Kulturgeschichte der Pistazie. Die kostbare grüne Versuchung der Königin von Saba findet sich stimmig wieder im Schokoladen-Hype aus der Luxusmetropole Dubai. Dazwischen liegen nur etwas mehr als dreitausend Jahre. Auch die Geschichte der Geschmäcker kennt ihre Wiederholungen.