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Neues Jaguar-Logo: Wieso das Rebranding einen Shitstorm ausgelöst hat

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Leute, wir müssen mal über Jaguar reden

Jaguars Rebranding-Video hat bei Auto-Fans einen Shitstorm verursacht. Viel spannender als das sind aber die Gründe dafür.
30.11.2024, 10:3903.12.2024, 11:42
Oliver Baroni
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Vermutlich habt ihr's schon gesehen:

Video: youtube/jaguar

Oder zumindest eines der Abertausenden Memes gesichtet. Die Rede ist vom Rebranding der britischen Automarke Jaguar. Beziehungsweise vom 30-sekündigen Teaser, der dieses Rebranding ankündigte.

So. Und wer von mir nun einen Rant über Wokeismus und Traditionsverlust bei dieser doch so geschichtsträchtigen Automarke erwartet, wird enttäuscht werden (und die, die diesen Artikel nicht zu Ende lesen, werden sich in den Kommentaren selbst entlarven). Denn: Die Sachlage ist viel spannender, als es meine subjektive Meinung über jene bunten Teletubbies im Teaser-Video je sein könnte.

Jaguar Teletubbies https://www.youtube.com/watch?v=brv0xs8PiXo
Eh-oh!Bild: youtube

In der Tat wurde Jaguars Teaser-Video rundum verteufelt. Klar, die üblichen Rechtsaussen-Verdächtigen wittern wieder mal eine woke Verschwörung. Vor allem wegen der genderfluiden Models des Videos (uuuuh, scary!). Aber auch gemässigtere Kommentatoren bemängeln vor allem, dass das Filmchen null und nichts mit dem Brand Jaguar zu tun hat. Schlussendlich steht Jaguar für etwas, verdammt noch mal! Eine stolze Heritage. Seriöses Rennsport-Erbe. Sieben Le-Mans-Siege in drei verschiedenen Jahrzehnten. 80 Jahre herausragendes Styling. Eine britische Ikone.

Mike Hawthorne in seinem Jaguar D-Type, 1955. le mans motorsport auto retro history http://www.carstyling.ru/en/car/1955_jaguar_d_type_xk_ss/images/12303/
Le Mans 1955. F*ck yeah. Bild: carstyling.ru

Von dem allem ist im neuen Rebranding-Teaser genau nichts zu sehen. Und hey: Überhaupt fehlt ein Auto.

Fakt ist, dass Jaguar zur Zeit keine Autos produziert. Der Grund: Jaguar will sich neu positionieren als reiner Elektroauto-Hersteller im Luxus-Segment. Gewiss, Jaguar stellte bereits den EV i-Pace her, der allen Besitzerberichten zufolge offenbar ein vorzügliches Fahrzeug sein muss und designmässig ausserdem ein elegantes Ding ist. Aber offenbar ist die Architektur die falsche, um mittel- bis langfristig darauf eine Modellreihe aufzubauen. Und eben: Ein Rebranding ist angesagt. Alles neu. Alles.

Jaguar Rebrand 2024 http://youtu.be/rLtFIrqhfng
Wunderschön. Doch wo ist das Auto?Bild: youtube

Ebenfalls ein Fakt ist, dass 300 Millionen Menschen weltweit das Filmchen gesehen haben. Das ist eine gehörige Reichweite für einen 30-sekündigen Social-Media-Teaser. Und geschätzt wird, dass Jaguar bloss rund 50'000 Fahrzeuge pro Jahr verkaufen muss, wenn die Produktion des neuen Fahrzeugs im Jahr 2026 beginnt. So gesehen funktioniert die Promo – frei nach Oscar Wilde: «There is only one thing in the world worse than being talked about, and that is not being talked about.»

Jaguar Rebrand 2024 http://youtu.be/rLtFIrqhfng
Bild: youtube

Es ist zu erwähnen, dass «copy nothing» das ursprüngliche Mantra des Jaguar-Gründers William Lyons ist. Und in der Tat: Während ihres bald 90-jährigen Bestehens hat die Marke Jaguar immer wieder mit Revolutionärem und Unerwartetem auf sich aufmerksam gemacht.

Garantiert kam der aktuelle Backlash nicht unerwartet für Jaguar. Geschäftsführer Rawdon Glover sprach davon, wie man «eine Debatte anstossen» wolle. Das ist zweifelsohne gelungen. Gleichzeitig zeigte er sich enttäuscht «über den abscheulichen Hass, der den Leuten entgegenschlägt, die im Video erschienen». Aber letztendlich: «Wenn Farage unsere Marke hasst, ist das in Ordnung.»

Rawdon Glover - fuck you Nigel.
Rawdon Glover: «Na, habe ich nun eure Aufmerksamkeit?» (oder so ähnlich ...)Bild: Jaguar

Ha. Clever. Zur Erläuterung: Nigel «Mr. Brexit» Farage ist einer dieser Rechtsaussen-Polterer, die – analog etwa wie gewisse SVP-Politiker in der Schweiz – eine ausschliessende und vergangenheitsgerichtete Definition von Nationalität haben. Solche Menschen lamentieren über den Verlust der vermeintlichen besseren Welt ihrer verklärten Vergangenheit. Nun, die Marke Jaguar hat gewiss eine durch und durch britische Identität. Bloss, welche? Tweedjacken und Spitfires und Gummistiefel und hübsche Country Pubs? The Beatles und Swinging London und Mini-Jupes? Punk Rock und Vivienne Westwood? Bergarbeiter-Streiks? Chicken Tikka Masala? Rave-Kultur und Alkoholkonsum? Banksy? Bridgerton?

Sid Vicious punk rock blut bass drogen http://clocktowertenants.com/2014_08_31_archive.html
Ur-britisch: Sid Vicious.Bild: clocktowertenants.com

Seit der Gründung von Jaguar hat sich britische Identität stetig entwickelt und verändert und zuweilen radikal umgekrempelt. Das Grossbritannien, das heute Millionen junger Besucher aus aller Welt nach London zieht, ist vielleicht ein bunter Mix aus Grime-Musik, Hollywood-Kinohits, exzentrischer Mode und der nicht totzukriegenden Fähigkeit, über sich selbst zu lachen. Farages Britishness, hingegen, steht für alternde Rentner, die in muffigen Teehäusern Kuchen essen gehen.

Hinter dieser Positionierung Jaguars steckt aber keine politische Ausrichtung, sondern gewiss eiskaltes unternehmerisches Kalkül. Eine Marke kann nicht ausschliesslich von den Menschen leben, welche die Marke zwar lieben, die Autos aber nicht kaufen. Jene alternden Rentner kaufen eh keine Jaguars. Die zukünftige Käuferschaft, so hofft Jaguar wohl, ist so jung, dass sie vielleicht noch gar nicht weiss, dass sie in fünf Jahren ein Auto kaufen wird. Ausserdem hockt diese Kundschaft in Abu Dhabi, in Asien und anderswo. Und ihr bedeuten Schwarzweiss-Fotos von Le-Mans-D-Types ziemlich genau nichts.

Vor dem Miami Beach Convention Center in der gleichnamigen Stadt in Florida.
Bienvenido a Miami. Bild: sda

Am 2. Dezember wird das Konzeptauto von Jaguar enthüllt. Lanciert wird es nicht auf einer Automesse, sondern auf der Miami Art Basel – wohlweislich. Automessen sind so gut wie tot (siehe Genf), aber Geld und Power werden auf der Miami Art Week in Hülle und Fülle anwesend sein. Auto-Fans wird es auf der Miami Art Week wenige haben. Aber Menschen, die sich demnächst mal einen stylishen fahrbaren Untersatz gönnen mögen, stehen dort Spalier.

Just sayin': Ein Jaguar E-Type steht als Ausstellungsstück im New Yorker Museum of Modern Art. Jaguars Connection zur Kunstwelt besteht schon seit jeher.

Museum of Modern Art New York - Jaguar E-Type
https://www.moma.org/calendar/exhibitions/282?installation_image_index=0
Kunst, weisch. Bild: moma.org

Der wohl wichtigste Grund für diese seismischen Veränderungen, die aktuell in der Autobranche stattfinden, ist die Elektrifizierung. Diese hat die gesamte traditionelle Hierarchie der Automarken ins Wanken gebracht – wie etwa die Deutschen zu ihrem Entsetzen feststellen mussten. Ziemlich jeder Elektroauto-Hersteller – ob Auto-Multi oder Start-up – ist fähig, gehörig schnelle, zuverlässige und komfortable Autos zu bauen. «Grace, space and pace», wie es im Jaguar-Werbeclaim von anno dazumal hiess, können alle gehörig gut. Somit stellt sich für eine Automarke die Frage, in welchem Bereich man überhaupt konkurrieren kann. Wired Magazine etwa fragt, ob es fortan nur um das Interieur eines Autos gehen wird. Nur um das Design. Alles dreht sich um die Ästhetik.

Hyundai Pony Heritage EV - retro auto elektroauto restomod 1980s https://www.instagram.com/p/CNcM-BrpvVP/
Hyundai macht's schon mal vor. Ausgerechnet. Bild: Hyundai

Was an sich keine schlechte Sache sein muss. Damals, als sich die Autohersteller via Ästhetik konkurrierten, bekamen wir den E-Type.

Jaguar pokert ordentlich hoch mit seinem aktuellen Imagewandel. Doch klappt es mit dem Autoverkauf nicht, wären schon mal die Weichen gestellt für die Wandlung in eine Mode- oder Lifestyle-Marke. Jene Branche, nämlich, boomt.

Land Rover Defender 2020 alter Land Rover retro 4x4 offroader auto
Links: Erfolg. Rechts: Verklärung.Bild: land rover

Auto-Puristen werden natürlich eine solche Haltung verabscheuen. Aber als Autohersteller tut man gut daran, nicht zu sehr auf Auto-Fans zu hören. Denn diese beschäftigen sich gerne mit Dingen, die normalen Autokäufern völlig gleichgültig sind. Gerry McGovern, der Creative Director von Jaguar (der Mann also, der für das Konzeptauto verantwortlich ist, das am 2. Dezember enthüllt wird), war der Designer des neuen Land Rover Defender. Land-Rover-Fans hassten das neue Design, weil es nicht der vermeintlichen Essenz von Land Rover entsprach. Sie wünschten sich jenes alte Militär-/Landwirtschaftswerkzeug, bekamen aber einen Luxus-SUV vorgesetzt. Doch siehe da: Der neue Defender ist unglaublich erfolgreich.

Nein, mir gefällt das Jaguar-Teaser-Video nicht.

Es ist ... schlicht zu wenig interessant.

Der Kontext, aus dem es entstanden ist, ist aber faszinierend. Gewiss mag es traurig sein, zuzusehen, wie eine so geliebte, altehrwürdige Industrie derart radikal umgekrempelt wird. So ähnlich muss es Pferde-Fans ergangen sein, als sich Autos durchsetzten. Interessant ist dennoch, dass ich ob dem ganzen Gerede über Neupositionierungen trotzdem immer wieder auf Parallelen zur Lancierung des Jaguar E-Types im Jahr 1961 gestossen bin. Vielleicht entspricht das aktuelle Rebranding viel mehr einer Jaguar-Tradition, als uns bewusst wäre.

New Jaaaaaaaaag.
Jaguar? Bist du's?Bild: Jalopnik

Letztendlich aber steht und fällt alles mit dem Auto, das nächste Woche am 2. Dezember enthüllt wird. Gespannt sind wir nun alle. Das zumindest hat Jaguar richtig gemacht.

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134 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Unifersalgenie
30.11.2024 11:04registriert Oktober 2024
Nein, "müssen" wir nicht. Unter dem Strich ist es die alte Leier: Ideologische Betonköpfe, die ihre Traditionen bedroht sehen, streiten mit anderen ideologischen Betonköpfen, die gerne das Bild einer Gesellschaft sehen möchte, wie sie weder existiert, noch für die Mehrzahl der Menschen erstrebenswert erscheint. Das Ganze wird via Social Media von der "seriösen" Presse aufgegriffen und erhält damit etwa Faktor 1000000 die Aufmerksamkeit, wie es dem Sachverhalt angemessen wäre. "Darüber reden" ist also mehr als überflüssig....
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Roomba Hafen
30.11.2024 11:22registriert August 2024
Jaguar will sich als reiner Elektroauto-Hersteller im Luxus-Segment positionieren? Blöd weil Leute welche das Geld dafür hätten, sind nicht affin für den Woke-Quatsch, oder sicher zu wenige um für einen rentablen Absatz zu sorgen.

Ich lass mich überraschen, entweder ist das Design ein „Gamechanger“, wenn nicht gilt auch hier unterdessen: go woke, go broke..
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rolf.iller
30.11.2024 14:15registriert Juli 2014
Bud Light war bis vor kurzem das beliebtesten Bier der USA. Das hatte sich dann radikal geändert mit einer "woken" Werbekampagne. Man hatte damit massiv Marktanteile verloren. Selbst, Leuten, denen das eigentlich Wurst war, wollten nicht mehr mit einem Bud Light öffentlich gesehen werden. Ich befürchte ähnliches für Jaguar. Schade für eine Marke, die antriebstechnisch sich fortschrittlich entwickelt.
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