Eigentlich sollte der Prozess gegen Bushidos Ex-Manager Arafat Abou-Chaker Ende Oktober zu Ende gehen. Doch wie das Landgericht Berlin am Montag auf Anfrage von t-online mitteilte, ist mit einem Urteil nicht vor Ende 2023 zu rechnen. Zehn weitere Verhandlungstermine wurden anberaumt. Und mindestens bei einem werde Bushido auch selbst noch als Zeuge vernommen, sagte eine Sprecherin.
Dabei, das hat ein persönlicher Vertrauter aus dem Umfeld von Bushido gegenüber t-online bestätigt, haben der Rapper und seine Frau samt der gemeinsamen acht Kinder Deutschland verlassen. Auf Instagram hatte Anna-Maria Ferchichi, Bushidos Frau, am Wochenende Fotos gepostet, die die Familie auf einem Langstreckenflug zeigen. Die «Bild» hatte berichtet, die Familie sei auf dem Weg nach Dubai, wo am 28. August das neue Schuljahr beginne.
Pläne für einen Umzug in ein anderes Land gab es schon länger. Im Prozess gegen Arafat Abou-Chaker und drei seiner Brüder hatte Bushido mehrfach erwähnt, dass er Deutschland verlassen wolle. Von Bolivien oder Kanada war die Rede.
Dass sich die Familie in Deutschland nicht mehr wohlfühlte, war ein offenes Geheimnis. Seit der Prozess gegen die Abou-Chakers wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung, gefährlicher Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Beleidigung im September 2019 begonnen hat, hat sich ihr Leben drastisch verändert.
Es hatte Hinweise auf die geplante Entführung der Kinder und auf ein Säure-Attentat auf Anna-Maria Ferchichi gegeben. Deshalb stand die Familie unter Polizeischutz. Bushido und seine Frau wurden rund um die Uhr auf Schritt und Tritt bewacht. Wie sehr sie das belaste, hatte seine Frau wiederholt in der Amazon-Doku «Unzensiert – Bushidos Wahrheit» geäussert.
Der Rapper ist zudem Nebenkläger in dem Prozess und tritt auch als Zeuge vor Gericht auf. Jedes Mal ist es ein beeindruckendes Schauspiel, wie der geläuterte Gangster-Rapper in einer Kolonne gepanzerter Limousinen vorfährt.
Im Juni war Fans zum ersten Mal auf Bildern auf dem Video-Portal Twitch aufgefallen, dass sich in der Villa Bushidos Umzugskartons stapelten. Der als Rooz bekannte Rap-Journalist Roozbeh Farhangmehr streute das Gerücht, die Ferchichis wollten nach Dubai auswandern . Sie seien schon häufiger in die Arabischen Emirate gereist.
Der Familie würden nicht nur das warme Wetter und das Leben am Meer gefallen. Auch steuerlich fahre Bushido dort besser, und vor allem fühle er sich dort sicher. Tatsächlich geht die Kriminalitätsrate in dem Emirat gegen null. Der Rap-Journalist wird mit den Worten zitiert «Du kannst in Dubai nicht hingehen und ihm (Bushido, Anm. der Red.) auf die Fresse hauen. Dubai ist einer der sichersten Orte. Die sind da sehr hart, sehr strikt.»
Ein Gangster-Rapper, auf der Flucht vor dem Mann, der ihn 2004 aus dem Vertrag mit seinem damaligen Label «Aggro Berlin» rausboxte? Der einen hohen Preis dafür verlangte, dass er ihn fortan managen und als sein «Rücken» agieren durfte, wie es im Jargon der Clans heisst? Dreissig Prozent seines Umsatzes kassierte Abou-Chaker laut Anklage dafür ein. «Arafat hat in den letzten zehn Jahren über neuen Millionen Euro mit mir verdient», sagte Bushido im September 2020 vor dem Landgericht.
Das Drama begann, als der Rapper aus dem Vertrag mit seinem Manager aussteigen wollte, weil sich seine Frau dagegen gewehrt hatte, dass sich Abou-Chaker zunehmend in sein Privatleben einmischte. Bushido behauptete, der Clan-Chef hätte ihn in seinem Büro eingesperrt und mit einem Stuhl und einer Wasserflasche attackiert. Eine Ton-Aufnahme vom Handy Abou-Chakers, die diese Szene dokumentieren sollte, hörte sich das Gericht in der vergangenen Woche an. Man hörte den Clan-Chef herumschreien. Aber Belege für tätliche Übergriffe gab es nicht.
Die Anklage gegen Arafat steht damit auf wackeligen Beinen. Die Ton-Aufnahme sei ein Fake, behauptet Bushido. Ein Zusammenschnitt von Aufnahmen, die nicht alle zur Tatzeit gemacht worden seien. Abou-Chakers Anwalt spricht von «Bullshitting». Ein Experte vom Fraunhofer-Institut soll jetzt untersuchen, ob das Tonband echt ist. Auch deshalb verzögert sich die Urteilsverkündigung. Prozessbeobachter sagen, es könne eng für den Rapper werden.
Viele seiner Weggefährten haben ihm schon den Rücken gekehrt. Einer von ihnen ist der Rapper Fler, der ebenfalls als Zeuge vor Gericht aussagte. Er behauptet, ohne seinen Manager wäre Bushido nie so erfolgreich geworden. «Wenn Du Bushido disst, kriegst Du auf die Fresse. Das war das Erfolgsrezept.» Weil sich Bushido aus dem Clan-Mileu befreit hat, gilt er vielen jetzt als Verräter. Ein Grund mehr für ihn, der Heimat den Rücken zu kehren?
Fakt ist: Der Anspruch auf Polizeischutz verfällt, wenn er das Land verlässt. Und nach einem Bericht der «Bild» haben Bushidos Bewacher das Land Berlin bisher eine halbe Million Euro im Jahr gekostet. Beim Landeskriminalamt (LKA) will das keiner bestätigen.
Aber wie t-online aus Polizeikreisen erfuhr, endet die Zuständigkeit der LKAs für den Rapper schon an der Stadtgrenze. In Dubai muss Bushido selbst für seine Sicherheit sorgen. Aber reicht der Arm seines Ex-Managers bis in die Vereinigten Arabischen Emirate? Und welchen Grund sollte er haben, Bushido auch im Ausland zu terrorisieren?
Arafat Abou-Chaker, sagen Prozessbeobachter, fühle sich jetzt schon als Sieger in dem Prozess. Ein Freispruch wäre sein grösster Triumph – und eine fürchterliche Blamage für den Mann, dem er einst zu seinem Image als Gangster-Rapper verholfen hatte. Dieses Bild von sich hat Bushido mit dem Prozess selbst zerstört. Das Publikum erlebte einen stellenweise hilflosen Familienvater, der sich zum Geldesel eines gefürchteten Clan-Chefs gemacht hatte.
Eine Niederlage vor Gericht, da sind sich alle einig, würde ihn den Rest Vertrauen in der Hip-Hop-Szene kosten. Vielleicht ganz gut, wenn er dann weit weg vom Schuss ist und woanders neu anfangen kann.
Bei Bushido: der hat Familie und wird bedroht. Da ist nichts schlechtes dabei. Peinlich ists nur, wenn du 20 Jahre davor gegen Polizei, Behörden und Gesetze schiesst…