James-Bond-Filme sind keine Auto-Filme. Das sind keine «Fast & Furious»-Actionstreifen, keine Rennfahrer-Biopics wie «Ford v Ferrari» oder «Rush». Bei einem Bondfilm sind Autos eigentlich blosse Staffage. Zubehör. Signifikanten eines Lifestyles, eines Images in der Semiotik der Kunstfigur 007. Demnach also nicht wichtiger als Bonds Anthony-Sinclair-Massanzug, seine Walter-PPK-Pistole oder seine Vodka Martinis.
Bloss, ... nein. Das war vielleicht in den Romanen und Kurzgeschichten Ian Flemings so. Spätestens aber seit James Bond sich in eine Filmfigur wandelte, nahmen und nehmen seine vierrädrigen Vehikel einen besonderen Stellenwert ein, werden gar zu eigenen Charakteren. Einige waren derart ikonisch, dass sie gleich in mehreren Filmen eine Rolle bekamen – besonders augenfällig im aktuellen Streifen «No Time To Die».
Dieser neuste Film stellt den hochemotionalen Abschied ‹unseres› Gen-X-Bonds dar, den Kulminationspunkt des Erzählbogens der insgesamt fünf Daniel-Craig-Episoden. Und dementsprechend wird Nostalgie mit der grossen Kelle angerührt. Immer und immer wieder tauchen Zitate aus der inzwischen fast 60-jährigen 007-Filmgeschichte auf – in den Dialogen, im Soundtrack ... und bei den Autos. Deshalb, verehrte Userschaft, ist es unumgänglich: Wenden wir uns den wichtigsten Bond-Autos aller Zeiten zu!
Fangen wir gleich bei der Über-Ikone an:
Nennt mir ein berühmteres Film-Auto. Los. Ich warte.
Eben. Es gibt schlicht kein ikonischeres Auto als James Bonds 1964er Aston Martin DB5. Und zwar in der Farbe silver birch.
Ursprünglich gab ja Ian Fleming seiner Romanfigur einen Bentley. Später liess er ihn auf einen Aston Martin DB3 umsatteln. Und in «From Russia with Love» (1963) fährt Bond zunächst noch seinen 1935er Bentley 3½ Litre Drophead Coupe. Ein Jahr später aber, in «Goldfinger», war es so weit: der Aston mit allerlei Sonderausstattungen von Q Branch.
Es ist heute kaum nachvollziehbar, wie der damals top moderne, stylishe, muskulöse DB5 dem Kinopublikum von 1964 eingefahren sein muss. Und diese Gadgets erst noch! Reifenschlitzer! Schleudersitz! Rolodex-Nummernschilder! Navigationsbildschirm! So was hatte man auf der Leinwand noch nie gesehen. Und obwohl «Goldfinger» keineswegs ein Kinderfilm war, gab es den DB5 als Spielzeug-Version – über die Jahrzehnte eines der erfolgreichsten, langlebigsten Produkte von Corgi Toys.
Derart wichtig ist das Corgi-Modell, dass Aston Martin aktuell eine lebensgrosse Version vor ihrem Hauptsitz parkiert hat.
In der Riesenschachtel drin: eines der insgesamt 25 Autos der brandneuen «DB5 Goldfinger Continuation»-Serie. Jawohl, Aston Martin baut eine limitierte Serie von DB5 mit allen Bond-Gadgets. Ohne Witz.
Kostenpunkt? You guessed it: sauviel. Zirka 3,5 Millionen Franken. Was crazy ist. Aber nur halb so crazy wie die 6,5 Millionen, die vor zwei Jahren für einen der Original-DB5 bezahlt wurde, die 1964 beim Dreh von «Goldfinger» verwendet wurden.
Wahnsinnspreise für Filmrequisiten? Ein Sportwagenhersteller, für den es sich lohnt, ein 60 Jahre altes Modell neu herzustellen? Spielzeuge in Lebensgrösse? Das gibt's nur dank Bond, James Bond.
Weshalb? Nun, dazu eine Anekdote: Selten hat man im Kino einen derart kollektiven Atemstoss aus den Zuschauerrängen wahrgenommen als bei der Premiere von «Skyfall» (2012), in jener Szene, in der James Bond das Garagentor öffnet und das Licht auf seinen 1964er Aston Martin DB5 fällt. Daniel Craig und Judi Dench fahren los, die James-Bond-Melodie ertönt ... und im Zuschauerraum brach spontaner Applaus aus.
Der DB5 ist mehr als ein Auto. Er ist eine Filmfigur aus dem Bond-Pantheon, wie sie M, Q, Moneypenny oder Felix Leiter sie auch sind. Er taucht auf, wenn massive Veränderungen bevorstehen. In «Skyfall»: Bond und M müssen mit ihrer Vergangenheit aufräumen, was zum Tod Ms führt; und zu einem Neustart bei MI6. Der Weg dorthin wird mit dem Aston zurückgelegt. In «Goldeneye»: Nachdem die Zukunft der Bondserie gar auf der Kippe gestanden war, wagte man mit Pierce Brosnan den Neustart. Der Aston war zur Stelle in der Eingangssequenz (das spontane Rennen mit Xenia Onatopp im Ferrari). Und auch in «No Time To Die», wo die vielleicht grössten Veränderungen im Bond-Epos bisher stattfinden: Der Aston bekommt seine wohl bisher grösste Actionrolle.
Bonds Aston Martin DB5 steht für Kontinuität, für Vertrautheit. Ein filmisches Utensil, das signalisiert: Die Zeiten ändern sich, die Menschen auch, die Schurken und Schergen, die Bondfrauen, der MI6, selbst Bond ändert sich ..., doch er trinkt weiterhin Vodka Martinis, und am Ende ist eben doch Verlass darauf, dass er's richten wird. Weil: Da, guck' – der Aston.
So. Damit könnte man von mir aus diesen Artikel abschliessen ... wären da nicht noch ein, zwei weitere erwähnenswerte Göppel. Zum Beispiel:
Am besten wirken Autos in Filmen, wenn sie nicht allzu krass als Product-Placement erkennbar sind. Was sich durchaus schwierig gestalten lässt. Gerade die Bond-Serie ist seit Beginn weg sehr von Product-Placement geprägt, und auch heuer scheint Jaguar Land Rover PLC, um nur ein Beispiel zu nennen, weiterhin sehr investiert zu sein. Die neuen Land Rover Defenders etwa werden gefeatured. Aber so aufsässig wie in den Pierce-Brosnan-Jahren, als man dem armen 007 irgendwelche BMWs vor die Nase setzte (BMW? Seriously?), ist es aber bei weitem nicht mehr. Vielmehr ist das Auto-Casting in «No Time To Die» sehr gelungen, dürfen sich Carspotter unter anderem ab einem 2000er Toyota Land Cruiser freuen, einem Land Rover 3 aus den 1970ern und gar einem Maserati Quattroporte IV aus den 1990ern. Und, ach ja, all' die anderen Aston Martins.
Agentenkollegin Nomi, die ein klein wenig besser und flinker und, naja, jünger als Bond ist, fährt dementsprechend den modernen Aston Martin DBS Superlegerra.
Und in Qs Labor ist auch ein Aston Martin Valhalla zu sehen, ...
... doch in Erinnerung bleibt ein anderer. Ein anderer alter Bekannter: der Aston Martin V8 Vantage.
«British Brute in a Suit» nennt man in Fachkreisen diese Autoserie liebevoll. Ein stylishes Design mit einem röhrigen V8 darunter. Auch hier ist dieser automobile Blick zurück mit Bedacht gewählt. Auch hier ist das Vehikel mehr als blosse Staffage, sondern erzählt einen Teil der Geschichte (ich spoile jetzt mal noch nichts).
Sehr früh während den Dreharbeiten sickerte raus, dass Bond im neuen Streifen wieder seinen alten V8 Vantage fahren wird. Und einmal mehr wurde damit die Macht Bonds über den Oldtimermarkt evident: Seither sind die Preise für solche Vehikel explodiert.
Bleibt ausser Aston Martin nur eine einzige weitere Bond-Automarke, die zu erwähnen wäre. Ein einziges Modell, gar:
Das perfekte Auto für die Disco-Ära, in der sich James Bond in «For Your Eyes Only» (1977) befand: Ein futuristischer Keil aus der Feder Giorgetto Giugiaros, dessen sensationelles Design nur noch von seiner Fähigkeit übertrumpft wurde, sich in ein U-Boot zu verwandeln. Damit war ein Instant-Klassiker geboren worden. Lotus, mehrfacher Formel-1-Weltmeister – und nun auch das offizielle Gefährt von Bond, James Bond.
Roger Moore merkte früh, dass es keinen Sinn machte, Sean Connerys Härte nachzuahmen. Stattdessen schuf er eine leichtfüssigere, mitunter parodistische Version der Filmfigur. Ein Bond, der sich nicht immer allzu ernst nahm. Und dazu passte der Esprit: klein und gemein. Und es war uns allen absolut egal, dass die gezeigte U-Boot-Technik in Realität nie und nimmer umsetzbar gewesen wäre. Es machte schlicht zu viel Spass.
Vier Jahre später hatte der Esprit – diesmal in der sowas-von-1980er ‹Turbo›-Version – nochmals die Ehre. Bezeichnenderweise sind seine beiden Filme, «The Spy Who Loved Me» und «For Your Eyes Only», die zwei besten der Roger-Moore-Ära.
In Sachen Bond-Autos gab es etliche Perlen. Und etliche Pleiten. Zur ersten Gattung gehören gewiss der weisse Toyota 2000 GT aus «You Only Live Twice», der Mercury Cougar aus «On Her Majesty's Secret Service» oder – ein Geniestreich – der Citroën 2CV aus «For Your Eyes Only». Zu den Pleiten gehören alle Brosnan-BMWs, sowie Daniel Craigs Product-Placement Ford-Mondeo-Mietwagen in «Casino Royale».
Aber entscheidet doch selbst:
Gesucht ist das grösste Bond-Auto aller Zeiten!