Ist es nicht lästig? Da kommst du nach einem anstrengenden Tag als Verlagslektorin nach Hause, hast dich mal wieder mit dem total attraktiven, supernetten Bestsellerautor herumplagen müssen – und daheim wartet der Alte und will dich schon wieder an irgendein Gitter fesseln und Analplugs ausprobieren. Gekocht hat er auch noch schlecht.
Etwas in dir winselt leise «Freiraum?». Ein Abend vor dem TV, denkst du, wär ein Traum. Oder Kinder. Wieso nicht ein Kind? Etwas, das dich bedingungslos lieben würde und nicht immer sofort mit einem erotischen Foltergerät vor dir stünde? Aber der Alte sagt: «Ich will dich nicht teilen. Mit niemandem!» Du stöhnst ihm was vor. Innerlich gähnst du.
Okay, denken wir uns nicht zu sehr in Anastasia Steele hinein, sie hat nichts mit der Realität zu tun, sie ist eine reine Erfindung und als solche überglücklich mit dem muskulösen Quälgeist und Vollblut-Psychopathen Christian Grey.
Neu hat er jetzt einen Privatjet (sie haucht ergriffen: «Is this yours?»), eine Jacht vor der Côte d'Azur, eine Villa in Aspen, ein geiles neues Auto (keine Ahnung, was für eines, ein geiles Auto halt), topdesignte Vibratoren und Analplugs.
«Fifty Shades Freed», der (hoffentlich, you never know) letzte Teil des Weltphänomens «Fifty Shades of Blutt mit Luxus» nach den Büchern von E.L. James, beginnt mit der Hochzeit von Christian und Ana und damit mit der Domestizierung des Monsieur Grey.
Es geht zwar andauernd, aber nicht mehr sooo krass zur Sache. Geflittert wird konventionell in Paris. Ana äussert schon am ersten Abend zu zweit zuhause einen Kinderwunsch, er tut blöd, aber Pech gehabt, der viele Sex hat eben einfach seine Folgen.
«Befreite Lust» heisst der neue Film auf Deutsch. Es geht aber ums Gegenteil. Darum, dass aus der Lust, die bis jetzt einen soften, aber korrekten Sadomasochismus forderte, jetzt endlich was Ausgewogeneres und gesellschaftlich Vorzeigbares wird. Zum Schluss könnte Donald Trump die beiden im Setzkasten seiner Lieblingspaare direkt neben Ivanka und Schwiegersohn Jared stellen.
In Sachen #MeToo kriegt die Trilogie im letzten Teil auch noch knapp die Kurve. Erstens ist es Ana, die das geile Auto fahren darf ... – nein, das war nicht gemeint. Das Psychopathologische, das Christian Grey bisher zum Prince of Darkness und damit zum Problem machte, weil es Anas gnadenlose Unterwerfung und Abhängigkeit verlangte, wird jetzt gelockert. Er spielt jetzt nicht mehr nur Klavier, er singt jetzt sogar dazu! Ana ist hingerissen! Her mit dem Yoghurt! Milde prickelnde Bedrohung war vorgestern.
Christian wird zum fast normalen Märchenprinzen. Manchmal hat er noch Anfälle von Kontrollwahn, aber hey, er versprach vor dem Altar schliesslich, Ana stets zu beschützen. Und er mag es nicht, dass sie in der Geschäftswelt ihren Mädchennamen behalten will. Und ... Aber das sind Petitessen.
Das plakativ Böse, Gemeingefährliche, Misogyne lässt sich jetzt praktischerweise auf eine Nebenfigur auslagern. Der Grund? Gesellschaftliches Versagen. Natürlich. Was sonst. Christian, der all seine Portfolios noch besser im Griff hat als seine Frau, könnte dies nie passieren. Was für eine neoliberale Kackscheisse.
«Fifty Shades Freed» läuft ab 8. Februar in den Kinos.
P.S. Wir versuchen, unseren Corsin Manser unter Androhung mehrerer Behandlungen mit einer neunschwänzigen Katze wieder dazu zu kriegen, ins Kino zu gehen und seine beliebte «Fifty Shades»-Sportberichterstattung zu wiederholen.