Der blöde Ballermann-Mann ist schuld an Bills Elend. Schon wieder! In der ersten Staffel «Kaulitz & Kaulitz» trat dieser fürchterliche Marc Eggers, der Blödsinn wie «Ich bin so obergeil nach deinem Oberteil» singt und rein gar nichts mit dem famosen amerikanischen Autor Dave Eggers zu tun hat, gegen Ende hin als Bills neues Love Interest auf. Als Mann auch, der noch nie etwas mit einem Mann gehabt hatte und angeblich nicht mit Bills Ruhm umgehen konnte.
Und jetzt? Geht die Liebes-Soap in der zweiten Staffel nahtlos weiter. Jetzt erzählt uns Bill Kaulitz, wie sich Frauen bei ihm gemeldet hätten, denen Marc die roten Herzballone von Bill aus Staffel eins geschenkt habe. Frauen auch, mit denen Marc Sex gehabt habe, als er so semi-offiziell mit Bill zusammen war. Die Sache mit den Herzballonen ist natürlich schlimmer als der Sex. Marc hat damit quasi Bills Herz mehrfach verstossen. Wie kann man!?!?!
Und dann, irgendwann im Verlauf der zweiten Staffel, meldet sich der Schuft wieder bei Bill, dessen Herzklappen immer sofort weit offen stehen, wenn der Name Marc fällt. Marc hat noch eine Rechnung offen, fragt sich bloss mit wem: Mit Bill, sich selbst, dem Leben oder den Boulevard-Medien, denen die Geschichte zwischen den beiden so unterschiedlichen Entertainern immer gelegen kommt?
Marc will Bill zurück, Bill reist an den Ballermann, grosse Liebe, Hand in Hand am Strand und so, alles öffentlich jetzt, Marc ist Bills erster Boyfriend überhaupt, den die Welt kennenlernt, Bill sieht sich schon euphorisch als Braut in Weiss. Doch unter dem Firnis der Banalität lauert schon wieder die Tragödie. Denn im November 2024 kneift Marc schon wieder, steigt nicht in den Flieger, der ihn zu Bill bringen soll, schreibt: «Ich weiss nicht, was mit mir los ist, ich komme nicht.» Aus und für immer Ende. Seine Worte killen Bill. Und Bill schämt sich, dass er nicht auf seinen Bruder Tom gehört hat.
Bill und Tom Kaulitz sind zurück. Die beiden Zwillinge von Tokio Hotel, die einander alles bedeuten. Bills Antwort auf viele Fragen lautet: «Tom!» Etwa auf die Frage: Bei wem fühlst du dich so richtig sicher? Und umgekehrt. Tom sagt: «Ich hätte immer das gemacht, was du machst.» Wäre Bill Coiffeur geworden, so hätte Tom ohne nachzudenken den gleichen Beruf ergriffen. Zum Glück sind sie zusammen in einer Band. Die vor genau zwanzig Jahren mit «Durch den Monsun» ihren Durchbruch hatte. Damals waren sie 15, «kleine Kinder», sagt Tom, jetzt, im Lauf der zweiten Staffel, die sie durchs Jahr 2024 begleitet, genauer am 1. September, werden sie 35.
Wir wissen bereits, dass sie ihren Geburtstag in Zürich gefeiert haben, im unvermeidlichen Mandarin Oriental, im Icon Club und bei einem Brunch am See im Fischer's Fritz. Jetzt sehen wir endlich alles im Detail, es ist der ganz grosse Reiche-Leute-Shit, den die beiden da aufführen. Tom und Ehefrau Heidi Klum logieren in der Presidential Suite des Mandarin Oriental, was Bill eine groteske Ungerechtigkeit findet, die Party im Club trägt das Motto «Casino», es gibt Jetons und Spielgeld mit den Porträts der Brüder. Bill findet alles an Zürich wunderhübsch und die Einheimischen «ein ganz nettes Völkchen. Und alle sehen aus, als ob sie richtig Kohle hätten». Zürich sieht für ihn allerdings «gar nicht aus wie Zürich, eher so wie Grönland». Hoffentlich erfährt das Trump nie.
Heidi – «mein Mann ist da recht einfach gestrickt» – trägt auf Toms innigsten Wunsch einen viel zu engen Mikro-Mini in Métalisé-Hellblau und gleicht einer Kreuzung aus Nixe und Auto. Tom schenkt Bill ein Survival-Training, Bill Tom einen Benimmkurs und Heidi den beiden Tauchen mit Haien vor Hawaii. Marc schreibt Bill: «Du bist das Beste, was mir in meinem Leben passiert ist», Tom beisst sich fast die Zunge ab beim Versuch, nichts Negatives über Marc zu sagen.
Denn das ist Toms grösster Kummer: Dass er seine Heidi gefunden hat (die beiden demonstrieren auch im sechsten Ehejahr noch immer Fifty Shades of Verknalltheit) und dass Bill einfach keinen findet. «Ich will nicht, dass ich alles habe und du nicht», sagt er. Hat man schon jemals einen derart altruistischen Satz von einem Bruder oder einer Schwester gehört? Und weil Tom so denkt, versucht er auch immer, Männer für Bill zu organisieren, Hauptsache behaart, leider ohne Erfolg.
Bill ist, bei all seinem lustigen flirrenden Getue, 2024 der Mensch, von dem sich das Glück grosszügig abwendet. Nicht nur sein Herz bleibt unbehaust, auch der ganze Bill hat kein Haus mehr, ein Wasserrohrbruch verwüstet seine hübsche Frank-Lloyd-Wright-Villa in Los Angeles auf längere Zeit, und wie wir wissen, geht das auch 2025 so weiter, die Waldbrände in Kalifornien bedrohen sein Haus, er wird evakuiert. Was kann man da tun? Frustshoppen. Sich mal als Schauspieler in einem richtig cheapen Horrorfilm versuchen. Und obsessiv einen viel zu teuren neuen Pool planen, was Tom fast in den Wahnsinn treibt.
Tom markiert ja gerne den markigen Vernunftbär und den bodenständigen Praktiker, der alles im Griff hat, doch wenn man genau hinschaut, kann er weder Kartoffeln schälen («zuhause kocht immer meine Frau für mich»), noch ein Duvet richtig beziehen, und dass Vogeleier unterschiedliche Farben haben, ist ihm auch neu. Der Werkzeuggurt, den er sich im Baumarkt kauft, ist ebenso sehr Accessoire wie Bills überteuerte Stiefel.
Die Bruderdynamik ist erneut sehr, sehr, sehr rührend, sie sind so glücklich, wenn sie zu zweit sind, egal ob bei den hawaiianischen Haien, auf der Bühne, im Studio oder auf einem Sofa. Sie sind ein inniges und enorm unterhaltsames Theater der vielfältig schillernden Eintracht oder der «Brüderseelen», wie sie sich selbst nennen.
Neben all ihrem Gequatsche auf Netflix und in ihrem Podcast «Kaulitz Hills» sind sie gemeinsam mit Gustav und Georg weiterhin Tokio Hotel, sind ganz normale Berufsmusiker mit einem knallharten Tour- und Probe-Alltag. Spoiler: Auch hier geht verflixt vieles schief.
Was sich die beiden ausserdem teilen, ist eine ausgewachsene Alkohol- und Penisfixiertheit. Champagner gibt's spätestens zum Frühstück und Tom tüftelt an einer eigenen Tequilamarke herum. Der grössenwahnsinnige Glitzerteufel Bill trägt gerne goldene Finken mit erigierten Penissen drauf. Ihrer Mutter legen sie eine Packung Kondome aufs Gästebett. Und Tom liess sich einst Heidi Klum mit den Worten «Das ist Tom, der Hetero-Zwilling mit dem grossen Penis» vorstellen. Sollte ihm ein Hai vor Hawaii ebendiesen abbeissen, sagt Heidi, nun brauche er gar nicht mehr heimzukommen. Ein heiterer Haufen.
To be continued.