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In «Mickey 17» von Bong Joon-jo verdoppelt sich Robert Pattinson

This image released by Warner Bros. Pictures shows Robert Pattinson in a scene from "Mickey 17." (Warner Bros. Pictures via AP)
Was 3D-Printer heutzutage alles können. Zum Beispiel Robert Pattinson vervielfachen.Bild: keystone
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Der doppelte Pattinson: Kann «Mickey 17» an den Welterfolg von «Parasite» anknüpfen?

Regisseur Bong Joon-ho ist nach sechs Jahren zurück, und Robert Pattinson torkelt, trotzt und kotzt als gepeinigter Klon. Doch kann die heiss erwartete Science-Fiction-Komödie die Erwartungen erfüllen?
05.03.2025, 20:3401.04.2025, 09:27
Tobias Sedlmaier / ch media
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Wie fühlt sich Sterben für dich an? Eine Frage, die ein Mensch üblicherweise weder gestellt bekommt noch zu beantworten vermag. Mickey Barnes (Robert Pattinson) muss sie ständig hören, trotzdem kann oder will er darauf keine richtige Antwort geben. Klar ist nur, dass er unbedingt weiterleben möchte, egal, wie oft er draufgeht.

Mickey ist kein Normalsterblicher, sondern ein sogenannter «Expandable», ein «Entbehrlicher», der nach seinem Ableben geklont werden kann. Seine Erinnerungen sind auf einem ziegelsteinartigen Block gespeichert, der Körper wird recycelt: Ist Mickey 1 tot, schiebt sich binnen Stunden Mickey 2 aus dem 3D-Drucker.

So verheissungsvoll die Unsterblichkeit klingen mag, in der Wirklichkeit des Jahres 2054 ist sie ein Drecksjob. Die Mickeys sind Fleisch gewordenes Humankapital, Testballons für Hochrisikoaufträge, malträtierte Versuchskaninchen. Reihenweise werden sie zum Wohl der Forschung Viren und tödlicher Strahlung ausgesetzt, verbrennen, ersticken, erfrieren oder verlieren schon mal eine Hand bei gefährlichen Wartungsarbeiten.

Trailer zu «Mickey 17»

Nach mehreren Wiedergeburten auf einer jahrelangen Weltraumreise erledigt Mickey seinen Knochenjob auf dem Kolonieplaneten Niffelheim. Die Eiswelt wird bewohnt von Wesen, die aussehen, als wären Gürteltiere mit Kellerasseln und den Sandwürmern aus «Dune» gekreuzt worden. Als eines Tages durch ein Versehen zwei Mickeys gleichzeitig existieren, bricht Chaos aus, denn eine solche Dopplung ist strengstens verboten.

«Parasite» schrieb Filmgeschichte

Vor sechs Jahren schrieb der Südkoreaner Bong Joon-ho mit «Parasite» Filmgeschichte. Die böse Satire über soziale Ungleichheit räumte Hunderte von Preisen ab, gewann 2020, neben drei weiteren Goldjungen, als erste nicht englischsprachige Produktion den Oscar für den besten Film. Lange zuvor war das südkoreanische Kino durch Regisseure wie Park Chan-wook («Oldboy») oder Kim Ki-duk («Pieta») auf die globale Landkarte gerutscht, nun wurde es endgültig hollywoodtauglich.

An der diesjährigen Berlinale war «Mickey 17» das heiss ersehnte Highlight, eines jener Prestigeprojekte, die man in Cannes erwarten könnte, wo «Parasite» 2019 die Goldene Palme erhalten hatte. Doch der Streik in Hollywood im vorletzten Jahr verzögerte das Projekt, dazu benötigte Bong Joon-ho, der sich das Recht auf den final cut erbeten hatte, mehr Zeit im Schnittraum als geplant. So wurde der Start mehrfach verschoben.

Eine längere Produktionsdauer muss nicht zwangsläufig ein schlechtes Omen sein, man denke an «Apokalypse Now». Doch in diesem Fall hat sich eine leise Skepsis leider bewahrheitet: «Mickey 17» ist ein schleppendes, umständlich via Erzählerstimme vorangetriebenes Halbvergnügen, das in seinen Einzelteilen besser funktioniert als in der Summe. Ein Film voller Bruchstücke, als wäre er in einen Asteroidenhagel geraten. Die dramatische Kraft des grausamen Szenarios kommt ebenso wenig zum Tragen wie die essenziellen Fragen, die sich aus der neuen Doppelidentität von Mickey ergeben.

Ein flotter Dreier mit zwei Mickeys

Bereits in «Parasite» war der Kampf derer, die unten verkümmern, gegen jene, die oben dekadent schwelgen, das dominierende Thema von Bong Joon-ho. Auch in «Snowpiercer» (2013) prallten in einem um die vereiste Erde kreisenden Zug die Gesellschaftsschichten aufeinander. Und in «Mickey 17» nimmt der Protagonist seine Berufung als ersetzbare Eintagsfliege nur an, da er sich mit einer doofen Geschäftsidee hoch verschuldet hat; ein Problem, das südkoreanische Filme und Serien wie «Squid Game» oft umtreibt. Aber daraus wird hier wenig gemacht, «Mickey 17» geht es nicht konsequent um Klassenunterschiede.

«Mickey 17» mit Robert Pattinson, Regie 
Bong Joon Ho
Naomie Ackie brillierte eben noch im Horrorfilm «Blink Twice», jetzt ist sie das Liebesobjekt aller Pattinsons.Bild: Warner Bros. Ent.

So seicht der Film ist, so charmant und lustig ist er allerdings stellenweise in seiner albernen Überdrehtheit: Wenn die Crew sich als inkompetent und völlig ignorant und gegenüber dem Schicksal ihres gemarterten Expandable zeigt. Oder sich Mickeys Freundin Nasha (Naomi Ackie) auf einen flotten Dreier mit Nummer 17 und der ungeplanten Nummer 18 freut. Doch sogleich soll es wieder dramatisch werden. Der Rhythmus des Films ruckelt so sehr wie Mickeys aus dem Kopierer kommender Körper, wenn der Techniker mal wieder abgelenkt ist.

So bewegen wir uns in einem eigenartig abgesteckten Terrain zwischen «Starship Troopers», «Alien» und der Frankenstein-Neuinterpretation «Poor Things». Und auch die Beziehungen der Figuren zueinander bleiben schematisch. Am wenigsten liegt das an Robert Pattinson, der torkelnd, trotzig, kotzend und mit Talent für Slapstick doppelt gross aufspielt. Einmal mehr stellt der Brite unter Beweis, dass er so viel mehr draufhat als den bleichen Vampir aus «Twilight», für den die Teenager einst schwärmten.

This image released by Warner Bros. Pictures shows actors Anamaria Vartolomei, left, and Robert Pattinson, center, with filmmaker Bong Joon Ho on the set of "Mickey 17." (Jonathan Olley/Warn ...
Anamaria Vartolomei, Robert Pattinson und Bong Joon-ho beim Dreh.Bild: keystone

Trump-Karikatur: Überholt von der Geschichte

Zur 2022 erschienenen Romanvorlage von Edward Ashton gibt es etliche Unterschiede. Der gravierendste ist die Figur des Commanders Marshall, der die Kolonisierungsmission leitet und hier zur Karikatur auf politische Machthaber im Allgemeinen und Donald Trump im Speziellen aufgeblasen wird. Mark Ruffalo spielt diesen religiös beseelten, eitlen und trotteligen Business-Diktator, der die «reine Rasse» verkündet, mit Überbiss und geblähten Backen; an seiner Seite die intrigante Gattin Ylfa (Tony Collette).

Nicht nur wirkt eine platte Trump-Persiflage im Jahr 2025 abgedroschen. «Mickey 17» ist bemüht, den rasenden Zeitgeist irgendwie einzufangen. Doch das abgedrehtere Kino findet derzeit leider in der Realität statt.

«Mickey 17» läuft ab dem 6. März im Kino.

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