Kein Ladenumbau ohne neue Self-Checkout-Kassen. Exemplarisch für diese Entwicklung im Detailhandel steht die Coop-Filiale im solothurnischen Biberist: Anfang Dezember verkündete der Detailhändler den abgeschlossenen Ausbau des Supermarkts zu einem «topmodernen Megastore» auf einer Fläche von 2700 Quadratmetern mit «weit über 30‘000 Artikeln». Im neu gestalteten Kassenbereich verdoppelte Coop die Zahl der Self-Checkout-Kassen fast auf insgesamt elf.
Aufgerüstet hat Coop auch in Schüpfheim LU. Seit Anfang November gibt es in der dortigen Filiale zwei Kassen zum selber scannen und bezahlen. Ebenso im Gäupark Egerkingen SO.
Bei der Migros zeigt sich ein ähnliches Bild: Seit November stehen etwa in der Filiale im Untergeschoss des Bahnhofs Luzern vier zusätzliche Self-Checkout-Stationen zur Verfügung. Auch Discounter Lidl macht vorwärts: «Momentan sind rund 300 Self-Checkout-Kassen in Betrieb – weitere sind geplant», heisst es auf Anfrage von CH Media.
Dahinter steht ein genereller Trend: «Wir werden das Angebot an Self-Checkout-Kassen, wo sinnvoll, weiter ausbauen und orientieren uns diesbezüglich an den Bedürfnissen der Kundinnen und Kunden», sagt Coop-Sprecherin Rebecca Veiga. Erfahrungsgemäss nutzten Personen mit kleinen Einkäufen gerne die Self-Checkout-Kassen. «Kundinnen und Kunden, die grosse Einkäufe tätigen, gehen tendenziell eher an die bedienten Kassen.»
Schweizweit stehen bereits mehrere Tausend Bezahl-Terminals im Einsatz, an denen Kundinnen und Kunden ihre Einkäufe selbst über den Strichcode-Leser führen (Self-Checkout) oder die zuvor am Regal gescannten Produkte bezahlen können (Self-Scanning). Hinzu kommen Angebote, wo bereits am Regal per App Produkte eingelesen und direkt bezahlt werden können. Hier entfällt der Gang zu einer Kasse komplett. Die Migros hat jüngst angekündigt, diese bisher testweise eingesetzte «Subito-Go»-Lösung schweizweit voranzutreiben. Und Aldi testet, nachdem der Discounter zuerst die Entwicklung bei der Konkurrenz beobachtet hat, in der Deutschschweiz Self-Checkout-Kassen.
Wie viele Selbstbezahl-Stationen im Einsatz sind, die in den Läden die herkömmlichen Förderband-Kassen mit Personal verdrängen, darüber schweigen sich die beiden Schwergewichte Migros und Coop aus. Vor vier Jahren kursierte die Zahl von rund 4000 Self-Checkout-Kassen.
Seither dürften die Händler mehrere Tausend solcher Anlagen neu in Betrieb genommen haben. Daraufhin deuten Daten der Migros. Sie allein führt mittlerweile ein Self-Checkout-Angebot an 574 Standorten, Self-Scanning in 415 Filialen und «Subito Go» an 316 Orten. Bei Coop verfügt bereits über die Hälfte der mehr als 2300 Filialen über Selbstbedienungskassen.
Bei den Kundinnen und Kunden kommt das gut an. Laut einer Studie der Credit Suisse von 2019 sagten 57 Prozent der Befragten, sie fänden Self-Checkout-Angebote interessant und nutzten sie bereits. 14 Prozent wollen sie laut der Befragung ausprobieren.
Michael Grampp, Chefökonom bei der Beratungsfirma Deloitte, sieht das grösste Potential für den Ausbau der neuen Bezahlangebote in den ländlichen Gebieten. «Im urbanen Raum ist das Self-Checkout-Angebot bereits sehr dicht.»
Warum dies für die Läden interessant ist, liegt für Grampp auf der Hand: Sie sparen Personalkosten. Er warnt aber davor, zu weit zu gehen: «Es besteht die Gefahr, dass sie den direkten Kundenkontakt vernachlässigen und so wichtige Kundenbindung verlieren. Der Schwatz an der Kasse ist nicht zu unterschätzen.»
Während die neuen Kassen bei Kundinnen und Kunden ein Bedürfnis abdecken, schürt ihr Einsatz beim Personal Ängste. Sie fürchten sich davor, von Maschinen ersetzt zu werden. Die neuartigen Kassen benötigen aber nicht nur weniger Personal, sie sparen auch Platz: In einer Coop-Filiale können auf Fläche einer konventionellen Kasse zwei Self-Checkout-Stationen betrieben werden.
Für das Personal können sie ein Stressfaktor sein, sagt Sozialwissenschaftlerin Tina Büchler von der Universität Bern. Sie hat die Arbeit an Self-Scanning-Kassen in einer Studie für die Gewerkschaft Unia untersucht. «Die Arbeit an diesen Kassen umfasst die Unterstützung der Kundschaft, die Kontrollfunktion, bei Coop die Alkoholfreigabe. Das alles ist für viele Mitarbeitende belastend, da sie vor allem für die Kontrollfunktion meist nicht genügend ausgebildet sind.»
Zudem litten die Angestellten oftmals unter dem langen Stehen – und zu Stosszeiten unter Multitasking. «Nicht nur müssen Sie die Self-Checkout-Kassen betreuen, sondern meist zusätzlich Gestelle einräumen oder Einkaufswagen versorgen», sagt Büchler. Problematisch sei ebenfalls, dass das Personal teils von den konventionellen Kassen aus den Selbstbezahlbereich überwachen müsse.
Gleichzeitig sei es mit der Androhung konfrontiert, für Diebstähle im Self-Checkout-Bereich verantwortlich gemacht zu werden. «Auch wenn diese Androhungen kaum je in Sanktionen münden, setzen sie dem Personal hohen Druck auf», betont Büchler.
Bei Coop sieht man das anders. «Durch die Self-Checkout-Kassen sind die Tätigkeiten für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Verkauf vielfältiger geworden», sagt Sprecherin Rebecca Veiga. In den Verkaufsstellen mit Self-Checkout-Kassen beschäftige man nicht weniger Personal als vor der Einführung.
Die Migros betont, es gehe nicht darum, Personal zu ersetzen. «Eine Kassiererin oder ein Kassierer hat heute auch beratende Funktionen und übernimmt rotationsweise Aufgaben am Kundendienst oder etwa auch in einer Blumenabteilung.» Trotzdem gibt der Händler zu, «dass in Zukunft weniger Kassierinnen und Kassierer benötigt werden – aber nicht weniger Mitarbeitende».
Ganz verschwinden sollen die konventionellen Kassen nicht. «Viele Kundinnen und Kunden schätzen sie und den dadurch ermöglichten Kontakt zu unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern», heisst es bei der Migros. «Wie die Situation dereinst in 20 oder 50 Jahren aussieht, können wir heute noch nicht deuten.» (saw/aargauerzeitung.ch)