Was für eine Exposition! Eröffnet wird «Füürabig», der aufregendste Schweizer Film dieses Frühjahrs, mit Weltenschöpfung und Weltuntergang zugleich. Aus blauer Nacht wird Licht (diese Farb-Choreographie!), doch ebendieses Licht wird alles verzehren und zerstören. «Am Anfang war das Feuer» von Jean-Jacques Annaud wird hier ganz klar ex negativo zitiert. Ein in seinem radikalen Fokus auf die Protagonisten «Holz» und «Flammen» schonungsloser Actionfilm, der durch die Langsamkeit der Gewaltdarstellung umso schmerzhafter, umso physischer nachwirkt.
Ist es tatsächlich nur Krieg? Oder nicht doch auch Liebe? Sind Krieg und Liebe, Sterben und Leben am Ende vielleicht nur Zwillingsgestirne? Dies fragen wir uns angesichts des gekonnt retardierenden Verschmelzungs-Epos, dem wir bis jetzt atemlos gefolgt sind.
Die grösste Überraschung: Regisseur Steiner, den wir aus Filmen wie «Wolkenbruch» oder «Mein Name ist Eugen» nicht nur als bild-, sondern auch dialogstarken Schüler Billy Wilders kennen gelernt haben, wagt zum ersten Mal in seiner Karriere einen Stummfilm! Das ist kühn, das ist klug, das ist auf konsequente Weise klassikerverdächtig.
Regisseur Steiner zeigt uns äusserste Intimität. Seine Protagonisten sind nackt und zunehmend entstellt bis zur Hässlichkeit – und gerade deshalb von hinreissender Schönheit. Liebevoll ruht die Kamera auf ihnen – und sie geben alles. Totales Method Acting von «Holz», Selbstaufgabe, so ehrlich, so absolut, wie man dies weder im Kino noch auf Netflix je gesehen hat. Davor kann man sich nur verneigen.
Bis jetzt war «Füürabig» ein Meisterwerk des Neorealismus. Aber was tut Steiner jetzt? Er lanciert einen filmhistorischen Coup! Magisch! Eine winzige, perfekt gesetzte Fantasy-Sequenz bricht sich Bahn, sprengt, ja transzendiert den puristischen Rahmen der Inszenierung!
Der strenge Dokumentarcharakter des Films, der entfernt an Steiners «Grounding» erinnert, wird gebrochen, und wir erleben hier nichts anderes als eine tief spirituelle Seelenwanderung. Wow. Wow, wow, wow.
Das Melodram nimmt seinen Lauf. Ausweglos. Wie wir dies ja schon von Beginn weg ahnten, wussten. Wohlig widmeten wir uns einer Liebesgeschichte, die nur scheinbar eine zerstörerische, ungleiche war, denn eines, das zeigt uns dieses intensive Kammerspiel einer Leidenschaft, kann ohne das andere nicht sein. Am Ende ist das Ende. Also das Nichts. Auflösung und Auslöschung. Stille. Schwarze Nacht.
Gleichsam symbolisch für die Blütezeit des Stummfilms, dessen Revitalisierung wir hier folgen durften. Als wäre eine Zelluloidrolle in einer Flamme verglüht. Was danach bleibt? Ein Kinosaal ohne Licht, dunkel wie die ewige Nacht des Herzens. Das Prädikat «Meisterwerk» wäre zu kurz gegriffen für diesen epochalen Wurf.
«Füürabig» steht den Kundinnen und Kunden von Swisscom TV als kostenloses Video on Demand zur Verfügung und kann ab sofort jahrelang in Wohn- und anderen Zimmern eingesetzt werden. Und nein, das hier ist kein bezahltes Native Ad. Was die euphorische Berichterstattung umso schlimmer macht. Wir bitten um Nachsicht.