Jeden Februar aufs Neue ist es wieder so weit: «Germany's next Topmodel» geht in die nächste Runde. Unbeschadet hat das Casting-Format die vorherige Staffel nicht überstanden. So ging im vergangenen Frühjahr ein Video der Ex-Kandidatin Lijana Risen viral, die 2020 an der Sendung teilgenommen hatte.
Mit ihren Schilderungen erhob sie schwere Vorwürfe gegen die Produktion – und löste einen Skandal aus, der diverse Statements ehemaliger Kandidatinnen, Aufrufe zum Boykott der Show und einen Rechtsstreit mit dem Sender ProSieben nach sich zog. Heidi Klum selbst äusserte sich hierzu nicht – bis jetzt. Denn zum Auftakt der diesjährigen Staffel gibt es erstmals ein zehnminütiges Statement.
«Das Thema Diversity lag mir schon immer am Herzen», steigt Klum ein. So habe sie selbst zu Beginn ihrer Karriere aufgrund ihrer Figur eine harte Zeit in der Modelbranche gehabt. Auch seien die GNTM-Kandidatinnen von der Produktionscrew stets gut behandelt worden und jegliche Gerüchte um rationierte Lebensmittel, eingecremte Fusssohlen und inszenierte Streitereien seien falsch.
«Wir sind nun mal eine Reality-Sendung und wir zeigen genau das, was passiert», sagt Klum. Und weiter:
Was Heidi eigentlich sagen will #GNTM
— Тhomas (@thomas__2290) February 16, 2023
ES BLEIBT ALLES WIE ES IST UND ES WIRD SICH NICHTS DARAN ÄNDERN pic.twitter.com/hlrOZuYKH5
Fraglich bleibt, ob ihre Worte womöglich nicht auch einen PR-Schachzug darstellen. Die selbsterkorene «Model-Mama» macht jedenfalls weiter und castet zum mittlerweile 18. Mal Deutschlands Nachwuchsmodels.
Und so geht es direkt zu Beginn der Staffel für die Teilnehmerinnen nach Los Angeles – wo sie sich im Falle eines Rauswurfs wieder in den nächsten Flieger zurück nach Deutschland setzen dürfen. «Wenn du direkt rausfliegst, ist das ein absolutes No-Go», fasst Kandidatin Leona zusammen.
In einer Hollywood-Filmstadt treffen die Models dann, auf einem Cabrio posierend, das erste Mal auf Klum. Wie immer können sie ihr Glück kaum fassen: «Heidi Klum ist das Höchste, was man erreichen könnte», strahlt eine Teilnehmerin. «Ich freue mich so sehr auf die Queen», eine andere. Zumindest bei ihnen scheint die Kritik an dem Format also keinen bleibenden Eindruck hinterlassen zu haben.
Dass Klums hierzulande doch eher fragiler Ruf international noch nicht die Runde gemacht hat, zeigt sich mal wieder in der Auswahl ihrer hochkarätigen Gastjuroren und -jurorinnen. So dürfen das US-Model Winnie Harlow und der norwegische Modedesigner Peter Dundas mitbeurteilen, wer ein Ticket in die nächste Runde bekommt. Denn auch dieses Jahr gilt natürlich: Nur eine kann Germany's next Topmodel werden.
Im Vergleich zu vorherigen Staffeln fällt auf: Das Thema Diversität ist zumindest erst einmal weniger präsent. Der diesjährige Cast mutet bisher weniger vielfältig an als erwartet. Die ein oder andere Überraschung gibt es jedoch: Zum Beispiel nimmt mit der 23-jährigen Cassy erstmals eine selbsterklärte feministische Aktivistin an der Show teil, die laut eigener Aussage bereits zwei Demonstrationen organisiert hat. Wieso sie bei GNTM mitmacht? «Du bist nicht fürs normale Leben gemacht, du musst vor die Kamera», das sei schon immer klar gewesen.
Das Dilemma mit dem Feminismus stellt sich auch dem Publikum. So schreibt jemand auf Twitter: «Wie jegliche Spur von Mitgefühl, Scham, Feminismus und Menschlichkeit mich heute Abend um 20:15 verlassen.»
Wie jegliche Spur von Mitgefühl, Scham, Feminismus und Menschlichkeit mich heute Abend um 20:15 verlassen.#GNTM pic.twitter.com/gDL8AKVeDm
— Seba (@wasisteinseba) February 16, 2023
Ein anderer User erklärt: «Da morgen ‹GNTM› startet muss ich leider meinen Feminismus für ein paar Wochen unterdrücken … Disclaimer: Die Girls tun das freiwillig!»
Da morgen #gntm startet muss ich leider meinen Feminismuss für ein paar wochen unterdrücken...
— Hans Hintersee (@HansHintersee1) February 15, 2023
Disclaimer: Die Gurls tun das freiwillig!
In dem Kontext stösst besonders eine Aussage des Gastjurors auf Kritik. So fragt Dundas tatsächlich eine Kandidatin: «Can you walk a little bit faster for papa?» (auf Deutsch: «Kannst du für Papa ein bisschen schneller gehen?»)
#GNTM
— josinator (@josinatorrr) February 16, 2023
Hat Dundas gerade gesagt: „Could you walk a little bit faster for Papa?“???! pic.twitter.com/fZxlmBFezw
Ich letztes Jahr nach Lijanas Videos: #GNTM wird gecancelt, Ich guck das nicht mehr
— Navina (@navinyy) February 16, 2023
Auch Ich heute: pic.twitter.com/WCCXdTSfEB
Ansonsten ist im GNTM-Universum alles beim Alten: Es gibt die, die kein Englisch kann; die, die sich selbst als «crazy» bezeichnet; die mit dem Schicksalsschlag; und die mit dem übertriebenen Ehrgeiz. Die Teilnehmerinnen stolpern über den Laufsteg, es wird viel geweint und der ein oder andere harte Spruch fällt. Tracy und Katherine überzeugen mit ihrem Walk, und mit Ana, Indira, Alina und Elisabeth müssen gleich vier Kandidatinnen die Show verlassen.
«Es ist so hart, wenn du gerade angekommen bist. Du bist so viele Stunden nach L.A. geflogen und dann musst du nach Hause», stellt Klum komplett unironisch fest. Für den Rest geht es jetzt in die Modelvilla. Laut Vorschau gesellen sich in der nächsten Folge neue Kandidatinnen dazu – dann wird sicherlich wieder «Diversityyy» geschrien.
Fakt ist aber auch, dass man die ehemaligen GNTM Teilnehmerinnen, die wirklich bekannt wurden, mittlerweile eher in der Erotik/Reality-TV Branche wiederfindet und nicht auf den Laufstegen der Welt.
Ich frage mich deshalb wirklich, was dieses Format soll.