Asthma ist eine Erkrankung der Atemwege. Typische Symptome sind Husten, zäher Schleim auf den Bronchien und Kurzatmigkeit. Laut Lungenliga Schweiz sind jedes zehnte Kind und jede 14. erwachsene Person in der Schweiz von Asthma betroffen.
Virale Infekte stellen Asthmapatientinnen und -patienten vor zusätzliche Probleme: Die Kombination einer Vorerkrankung der Atemwege und der Lunge mit einem Virus, das ebendiese angreift, gilt potenziell als sehr gefährlich. Deshalb befürchtete man auch, solche Menschen könnten während der Coronapandemie klar zur Risikogruppe gehören.
Das stimmt auch – allerdings nur für Menschen mit Asthma, das nicht durch Allergien hervorgerufen wird. Das ist mehr als die Hälfte der Asthmafälle. Im Zuge der Pandemie fanden einige Studien nämlich heraus, dass Menschen mit allergischem Asthma nicht wie erwartet schwerere Symptome durch Covid-19 entwickelten.
Auch andere Studien erkannten: Generell Personen mit Allergien (wie z.B. Heuschnupfen, andere Formen von allergischem Schnupfen, allergisches Asthma und Neurodermitis) schienen in der Gruppe der Corona-Infizierten gar unterrepräsentiert zu sein.
So fand eine Beobachtungsstudie aus Grossbritannien heraus, dass das Ansteckungsrisiko für Menschen mit Allergien um 23 Prozent niedriger liegt als bei Nichtallergikern. Für Menschen mit allergischem Asthma war das Risiko gar um 38 Prozent reduziert.
Da es sich nur um Beobachtungsdaten handelte, konnte aber noch keine Kausalität festgestellt werden. Und gäbe es einen direkten Zusammenhang, so wusste man nicht, was die Mechanismen wären, die dabei spielen. Eine der Hypothesen des Studienleiters: «Wir wissen, dass Allergiker weniger ACE-2-Rezeptoren besitzen.» Und diese Rezeptoren dienen auch als Andockstelle für das Coronavirus.
Eine neue Studie ist der Erklärung dieses Mysteriums jetzt etwas näher gekommen. Einem bestimmten Protein mit dem Namen IL-13 (Interleukin-13), das an der Auslösung allergischer Reaktionen massgeblich beteiligt ist, wird dabei die Schlüsselrolle zugeschrieben.
IL-13 hilft normalerweise gesunden Menschen dabei, Parasiten wie Würmer zu bekämpfen. Das Protein wird ausgeschüttet, und der Körper reagiert mit der Produktion von klebrigem Schleim und der Verengung der Atemwege. Dadurch werden die Würmer an Ort und Stelle «festgehalten», bis andere Zellen des Immunsystems eingreifen und sie töten können.
Im Falle von allergischem Asthma weist der Körper eine Art Fehlprogrammierung auf: Einfache Eindringlinge wie Pollen werden fälschlicherweise als Würmer identifiziert und das Protein IL-13 wird ausgeschüttet. Dieses Protein unterscheidet denn auch allergisches Asthma von anderen Asthmafällen.
Ein Team aus Wissenschaftlern um Camille Ehre von der University of North Carolina School of Medicine wollte nun dieses Protein im Zusammenhang mit Coronaviren genauer untersuchen. Dafür züchteten sie Zellen aus Teilen der Atemwege von sechs Lungenspendern. Einige der Zellen wurden mit IL-13 behandelt, um allergisches Asthma zu imitieren. Dann infizierten die Forscher die Zellen mit SARS-CoV-2.
Die Studienautoren verglichen nun jene Zellen, die mit IL-13 behandelt wurden, mit den unbehandelten.
Ihre Beobachtungen deuteten in der Summe darauf hin, dass IL-13 sowohl das Eindringen des Virus in die Zellen wie auch dessen Replikation in den Zellen und damit die Ausbreitung des Virus erheblich beeinträchtigt. Das heisst, es reduziert die Fähigkeit des Virus, tiefer in die Atemwege vorzudringen und eine schwere Erkrankung auszulösen.
Eine wichtige Rolle spielt unteren anderem, dass Menschen mit Asthma zu viel Schleim produzieren. IL-13 regt nämlich die Zellen in den Atemwegen an, eine Art klebrigen Schleim zu generieren. Dieser Schleim kann offenbar auch die Viren abfangen, bevor sie Zellen infizieren können.
Das Team fand heraus, dass unbehandelte Zellen kurz nach der Infektion mit dem Coronavirus eine grosse Menge dieses Schleims freisetzten, wodurch die «Vorräte», die der Körper an Schleim hat, aufgebraucht wurden. Mit IL-13 behandelte Zellen waren jedoch noch gut mit Schleim versorgt – was übereinstimmt mit der Beobachtung, dass Asthmatiker diesen Schleim typischerweise überproduzieren.
Ausserdem fanden die Wissenschaftler, dass IL-13 erheblich die Aktivität des ACE-Proteins unterdrückt – das Protein, das die eingangs erwähnten ACE-Rezeptoren steuert. Deshalb kann das Virus weniger gut bei diesen Rezeptoren andocken.
Leider können Proteine wie IL-13 aufgrund der Entzündungen, des übermässigen Schleims, Hustens und der Kurzatmigkeit, die sie auslösen, nicht als Therapeutika eingesetzt werden. Allerdings sei es laut Studienautoren wichtig, die natürlichen molekularen Wege zu verstehen, die Zellen nutzen, um sich vor dem Eindringen von Krankheitserregern zu schützen. Erkenntnisse solcher Studien hätten demnach das Potenzial, neue therapeutische Ziele zu entdecken.
Ein Lungenspezialist ordnet gegenüber «ScienceNews» die Erkenntnisse für Menschen mit Asthma ein:
Es sei aber in Ordnung, auch die Sonnenseite dieser Erkenntnisse anzuerkennen: «Es macht keinen Spass, Asthma zu haben. Also muss man für jede seltene Gelegenheit dankbar sein, bei der es etwas Nützliches bewirkt», so der Lungenspezialist.