Eiswürfel mit Sponsoren-Logo und weniger Publikum: Das war das ZFF 2025
Das Zurich Film Festival (ZFF) scheut die Superlative nicht. Deshalb war es nur konsequent, als die Moderatorin Kiki Maeder am offiziellen Ende der Abschlussfeier ihr Publikum in «die grösste Afterparty der ZFF-Geschichte» entliess (mehr Dancefloors als in früheren Jahren). Worauf die schönen Gäste aus dem Theatersaal des Opernhauses strömten und sich mit roten Getränken eindeckten.
Davor hatte Maeder durch die Preisverleihung geführt und auf die vergangenen Festivaltage zurückgeblickt. Es war Samstag, der letzte Abend des 21. ZFF, das schliesslich am Sonntag ausklang. «Zürich war im internationalen Spotlight, wegen der Premieren, wegen der Stars – und wegen zu viel Popcorn», so Maeder in ihrer Rede. Dabei unterschlug die Moderatorin das Festival-Thema, das die mit Abstand grösste mediale Aufmerksamkeit ausgelöst hatte: eine KI-Schauspielerin namens Tilly Norwood, vorgestellt am ersten ZFF-Wochenende, beim Branchenanlass Zurich Summit.
Kurz nachdem Eline van der Velden, die Schöpferin der KI-Schauspielerin, ihre Kreation in Zürich präsentiert hatte, hagelte es internationale Medienberichte und Kritik aus Hollywood. Die US-amerikanische Schauspielgewerkschaft SAG-AFTRA sprach von der Gefahr «gestohlener Engagements». ZFF-Direktor Christian Jungen hingegen schreibt auf Anfrage, er bereue nicht, Tilly Norwood an seinem Festival vorgestellt zu haben. Vielmehr hätte ihn die grosse Aufmerksamkeit «gefreut, weil die Reaktionen zeigen, dass der Zurich Summit eine wichtige Konferenz für Leader der Filmwirtschaft ist».
Weiter betonte er, dass ein breiter Einsatz der Technologie ein «Problem» wäre und er «Schauspielerinnen und Schauspieler aus Fleisch und Blut» bevorzuge. Allerdings könne er sich vorstellen, künftig auch mal einen Film mit KI-generierten Schauspielerinnen oder Schauspielern am ZFF zu zeigen – sofern dieser «künstlerisch überzeugend» sei und «eine entsprechende diskursive Einbettung» erfahre. Ob die Hollywood-Stars aus Fleisch und Blut, die das ZFF so gerne einlädt, noch immer so gerne an ein Festival kämen, das ihrer potenziellen Bedrohung zusätzlichen Raum gäbe, ist eine andere Frage.
Das ZFF und die (ge)schön(t)en Zahlen
Der «Sonntagsblick» rechnete nach und kam auf ein verkauftes Ticketvolumen von unter 100'000. Christian Jungen kommentierte dies folgendermassen: «Unsere Sponsoren interessiert nicht nur, ob jemand einen Film gesehen hat oder zur Opening Night kam. Es geht darum, wie viele eine Veranstaltung besucht haben – deshalb kommunizieren wir die Gesamt-Besucherzahl. Wenn wir uns künstlich kleinmachen, sägen wir auf dem Ast, auf dem wir sitzen.» (sme)
ZFF-Star Dylan O'Brien im Interview über Therapie
Aber noch kommen die Stars und bleiben das Element, worüber sich das ZFF am meisten zu definieren scheint. Dafür bezeichnend: Als Direktor Jungen die Bühne der Abschlussfeier betrat, stellte ihm Moderatorin Maeder die Frage nach seinem Festival-Highlight – welche Jungen nicht mit einem Film beantwortete, sondern mit den Besuchen der Schauspieler Russell Crowe und Colin Farrell.
Fairerweise hatten sich beide Schauspieler am ZFF in sympathischer Hemdsärmeligkeit gezeigt. Und auch die restliche Liste der geladenen Promis (darunter Amanda Seyfried, Benedict Cumberbatch, Claire Foy) funkelte genau so effizient wie in früheren Jahren. Womit der allseits beschworene «Glamour» für viele Besucherinnen und Besucher erfüllt gewesen sein dürfte. Auch wenn auf manchen Eiswürfeln im Negroni-Glas ein Sponsoren- Logo blitzte oder Festivaldirektor Jungen mitunter Turnschuhe eines Unternehmens trug, das das ZFF neu unterstützt.
Allgemein gilt jedoch: Jungen, der das ZFF gemeinsam mit vier weiteren Personen im Sommer der alten Eigentümerin NZZ abgekauft hatte, hat nicht nur erfolgreich neue Sponsoren und altbekannte Gesichter als Gäste angeworben, sondern auch das Programm interessant gehalten.
Da waren Kaliber wie Edward Bergers «Ballad of a Small Player» oder Benny Safdies «The Smashing Machine» in der Gala-Sektion. Da war eine starke Schweizer Präsenz mit Stefan Haupts «Stiller» oder der Dokumentation «Voice of my People» über den SP-Nationalrat Islam Alijaj. Und da waren Filme wie «The Voice of Hind Rajab» oder «All That’s Left of You», die vor dem Hintergrund der Geschehnisse in Gaza schmerzhaft aktuell brennen.
Und die besten Filme? Den Preis für den besten Spielfilm erhielt «Father», ein Drama der slowakischen Regisseurin Tereza Nvotová, das mit ehrgeiziger Kameraführung einem Vater folgt, der aus Versehen seine Tochter tötet. Grösster Gewinner aber war der 36-jährige Bündner Regisseur Moris Freiburghaus, dessen Dokumentarfilm «I love you, I leave you» sich gleich zwei Preise sicherte: den des Publikums und den für die beste Doku. In seinem zärtlichen Film begleitet Freiburghaus den Aargauer Musiker Dino Brandão, mit dem er seit Jahren befreundet ist, durch verschiedene Phasen von dessen psychischer Erkrankung.
In beiden seiner Gewinnerreden fehlten Freiburghaus nach wenigen Sätzen die Worte. Weshalb sein Freund Brandão, der auch auf der Bühne stand, einige der wärmsten Festivalmomente produzierte, indem er einsprang, ins Mikrofon sang und superlativfrei sagte: «Es ist schön, dass Weichheit einen Preis wert ist.»