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Neo-Schweizerin Funda Yilmaz: «Ich hätte nicht gedacht, dass es so weit kommt»

Funda Yilmaz mit ihrem Freund, ihren Eltern und dem Anwalt Markus Leimbacher bei der Abstimmung zu ihrer Einbürgerung. 
Funda Yilmaz mit ihrem Freund, ihren Eltern und dem Anwalt Markus Leimbacher bei der Abstimmung zu ihrer Einbürgerung. bilder: az/severin bigler

Neo-Schweizerin Funda Yilmaz: «Ich hätte nicht gedacht, dass es so weit kommt»

Sie hat es geschafft. Der Einwohnerrat von Buchs hat Funda Yilmaz gestern Abend im zweiten Anlauf doch noch eingebürgert. Die junge Türkin sagt, wie sie den Trubel erlebt hat und was eine gute Schweizerin ausmacht.
19.10.2017, 04:5719.10.2017, 07:09
Nadja Rohner / az
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Es dürfte noch nie vorgekommen sein, dass an einer Sitzung des Einwohnerrats Buchs fast so viele Medienvertreter wie Ratsmitglieder (40) im Gemeindesaal zugegen waren. Gestern Abend war es jedoch so. Und im Gegensatz zu den vielen Senioren auf den Besucherrängen, waren die Journalisten und Fotografen nicht wegen der traktandierten Altersheim-Motion gekommen, sondern wegen Funda Yilmaz.

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Die 25-jährige Türkin war schon im Juni persönlich anwesend, als ihr Einbürgerungsgesuch deutlich abgelehnt worden war. Gestern endete der Abend für sie nicht mehr in einer herben Enttäuschung: Der Einwohnerrat hiess ihr Gesuch gut. Mit 27 Ja zu 8 Nein, 3 Ratsmitglieder enthielten sich der Stimme.

Yilmaz, die während der Abstimmung zusammen mit ihren Eltern und ihrem Verlobten Nico sowie den anderen Einbürgerungskandidaten vor der Türe warten musste, wurde nach der Abstimmung mit einem Applaus im Saal begrüsst – und fotografiert wie ein Filmstar auf dem roten Teppich. Auch in der Pause war das Interesse an ihr gross; Fragen beantwortet die sichtlich nervöse, aber strahlende Yilmaz in ihrer gewohnt freundlichen und geduldigen Art.

Funda Yilmaz, der Einwohnerrat hat Sie jetzt doch noch eingebürgert. Wie fühlen Sie sich?
Funda Yilmaz: Sehr erleichtert und froh, dass es endlich geklappt hat. Ich hatte ein gutes Gefühl, aber ganz sicher sein konnte ich nicht.​

Wie empfanden Sie das dritte Einbürgerungsgespräch mit dem Gemeindeammann und dem Gemeinderat? Fiel es Ihnen leichter als die ersten beiden, waren Sie weniger nervös?
Nein, die Nervosität war etwa gleich, aber das Gespräch war angenehmer und ich fühlte mich wohler. Ich bin froh, dass der Gemeinderat die Vorlage noch einmal gebracht hat.

Yilmaz und ihr Verlobter wollen 2018 heiraten. 
Yilmaz und ihr Verlobter wollen 2018 heiraten. 

Waren Sie überrascht, als Ihre Geschichte bis nach China Schlagzeilen machte?
Ja und wie! Als ich zum ersten Mal vor den Medien war, hätte ich nicht gedacht, dass es so weit kommen wird.

Haben Sie es je bereut, dass Sie Ihre Geschichte mit den Medien geteilt haben?
Ein bisschen, ja – in den Sommerferien, als mein Handy nicht mehr aufgehört hat zu läuten, da wurde es mir zu viel. Meine Telefonrechnung hat mich noch mehr gefreut – ironisch gemeint.

«Die Einbürgerung sollte in der ganzen Schweiz etwa gleich sein, damit es gerecht ist.»

Sehen Sie etwas Positives an der ganzen Sache?
Ja, habe in dieser Zeit viel Positives erlebt. Zum Beispiel, dass ich nach 13 Jahren zwei ehemalige Freundinnen aus der Primarschule wieder getroffen habe. Nachdem sie von mir gelesen hatten, haben sie mir ein sehr süsses Kärtchen geschickt, daraufhin haben wir ein Treffen organisiert. Auch sonst erhielt ich sehr viele Briefe, Unterstützungen und ich wurde auf der Strasse angesprochen. Diesen Personen danke ich, es hat mich sehr gefreut.

Der Fall Yilmaz löste Medienberichte bis nach China aus. 
Der Fall Yilmaz löste Medienberichte bis nach China aus. 

Würden Sie am Einbürgerungsprozedere in der Schweiz etwas ändern, wenn Sie könnten?
Ja, die Einwohnerräte sollten mehr Informationen über die Personen erhalten, über die sie abstimmen. Und die Sitze in der Einbürgerungskommission sollten gerecht an alle Parteien verteilt werden. Zudem sollte die Einbürgerung in der ganzen Schweiz etwa gleich sein – damit Menschen, die sich einbürgern lassen wollen, nicht zuerst die Gemeinde wechseln müssen, damit sie es in der Nachbargemeinde leichter haben. Ich habe von solchen Fällen gehört. Und im Sommer, als ich die Kommentare zu den Berichten über mich gelesen habe, ist mir aufgefallen, dass mehrere Leute sagten, in ihrer Gemeinde wäre ich ohne Probleme eingebürgert worden. Das sollte es nicht geben.

Was macht für Sie eigentlich eine gute Schweizerin aus?
Schwierige Frage. An erster Stelle sollte man ein Mensch sein. Für mich ist jemand ein guter Schweizer, wenn er oder sie sich anpasst, die Sprache kann, sich an die Gesetze hält, zuverlässig ist und an Abstimmungen teilnimmt, da es um unsere Zukunft geht. Es gibt viele Gründe die ich nennen kann, jeder hat da eine andere Meinung.​

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11 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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majortom79
19.10.2017 06:30registriert August 2014
Gratulation, liebe Funda!

Der Einbürgerungsprozess ist sowas von veraltet und sollte definitiv schweizweit gleich sein. Zudem muss dieser von einer neutralen Stelle ausgeführt werden, welche einen Anforderungskatalog abarbeitet und nicht von ein paar polistisch motivierten Individuen, die je nach Sympathie oder Tagesform über ein Leben entscheiden. http://Ut
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demokrit
19.10.2017 09:00registriert Oktober 2015
"Was macht für Sie eigentlich eine gute Schweizerin aus?
Schwierige Frage. An erster Stelle sollte man ein Mensch sein. Für mich ist jemand ein guter Schweizer, wenn er oder sie sich anpasst, die Sprache kann, sich an die Gesetze hält, zuverlässig ist und an Abstimmungen teilnimmt, da es um unsere Zukunft geht. Es gibt viele Gründe die ich nennen kann, jeder hat da eine andere Meinung.​"

Das ist das Problem. Es gibt neben diesen formalen Erfordernissen keine Objektivität über diese Frage. Darum darf die subjektive Haltung der Kommissionsmitglieder auch nicht entscheidend sein.
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