Der Name der Vorlage ist kompliziert: Unternehmenssteuerreform III. Die offizielle Bezeichnung ist noch um einiges umständlicher. Auch inhaltlich ist sie von einer Komplexität, die viele überfordert. Folglich müssen sich Befürworter wie Gegner ein möglichst griffiges Argumentarium einfallen lassen, um in der Volksabstimmung vom 12. Februar bestehen zu können.
Bislang scheint keine der beiden Seiten die argumentative Lufthoheit erobert zu haben. Dies zeigt die Analyse des Instituts GFS Bern zur ersten SRG-Trendumfrage. Demnach verfügen «beide Seiten über mehrheitsfähige Botschaften». Populär seien sowohl das Argument der Befürworter, wonach die Schweiz ihre Konkurrenzfähigkeit im internationalen Standortwettbewerb erhalten muss, als auch die Warnung der Gegner vor Steuerausfällen.
Die Umfrage erbrachte ein entsprechendes Ergebnis. 50 Prozent befürworten die USR III, 35 Prozent sind dagegen und satte 15 Prozent noch unentschlossen. Gefordert ist das Nein-Lager, angeführt von der SP, die das Referendum gegen die Steuerreform ergriffen hat. Seine Kampagne segelt unter dem Motto «Aufruf zum Schutz des Mittelstands». Dieser müsse die Rechnung für die Entlastung der Unternehmen zahlen, «mit Abbau, höheren Gebühren und mehr Steuern».
Der frühere Preisüberwacher und Berner SP-Nationalrat Rudolf Strahm schrieb in seiner Kolumne in «Tages-Anzeiger» und «Bund», aus der Reformvorlage sei «ein unübersichtliches Steuersenkungsprogramm geworden, das die Milliardenausfälle durch den Mittelstand bezahlen lässt». Auch Daniel Leupi, der grüne Finanzvorsteher der Stadt Zürich, warnt vor einer höheren Belastung des Mittelstands.
Solche Argumente haben Gewicht. Umso seltsamer wirkt die Passivität der Befürworter bei diesem Thema. Selbst in der Abstimmungszeitung, die der Schweizerische Gewerbeverband an alle Haushalte verteilen liess, gehen sie kaum darauf ein. Sie verweisen lieber auf die Sicherung der Arbeitsplätze und warnen, dass ein Nein die Schweiz in eine missliche Lage bringen würde.
Erschwerend kommt hinzu, dass unklar ist, wie viel die Reform Bund, Kantone und Gemeinden kosten wird. Denn das Bundesgesetz gibt die Eckwerte vor, die Umsetzung aber liegt bei den Kantonen. Diese sind damit unterschiedlich weit voran gekommen. Einzelne wie die Waadt haben bereits abgestimmt, andere haben die entsprechende Vorlage noch nicht einmal vorgestellt.
«Niemand kann genau sagen, was es kosten wird», sagte Serge Gaillard, der Direktor der eidgenössischen Finanzverwaltung, im letzten Herbst an einem Medienseminar in Bern. Eine vorläufige Auflistung der Zahlen aus elf Kantonen ergab Mindereinnahmen von 1,9 Milliarden Franken. Allerdings wird der Bund rund 1,1 Milliarden Franken pro Jahr an die Kantone überweisen, um die Kosten der Reform abzufedern, sofern sie in Kraft treten wird.
Für die Befürworter ist dies ein wichtiger Punkt in der Mittelstands-Debatte. «Bei einem Scheitern der Reform gibt es weniger Geld für die Kantone und Gemeinden», sagt Frank Marty, Leiter Finanz- und Steuerpolitik beim Wirtschaftsverband Economiesuisse, der zusammen mit dem Gewerbeverband die Ja-Kampagne koordiniert. Auch bei einem Nein müsse die Schweiz ihre Gesetzgebung anpassen: «Entweder wird dieser Prozess mit einem geordneten Übergang abgefedert, oder es gibt ein Chaos.»
Ein heikler Punkt sind die geplanten Massnahmen zur Entlastung von Firmen, die international (noch) akzeptiert werden. Dazu gehören die Patentbox (Einnahmen aus Patenten dürfen weiterhin privilegiert besteuert werden) und die zinsbereinigte Gewinnsteuer (Firmen dürfen auf hohem Eigenkapital einen «fiktiven» Zins abziehen). Für die Gegner handelt es sich um «undurchsichtige Steuertricks, die nur eine Handvoll Steuerberater und Wirtschaftsanwälte versteht».
«Jeder Kanton kann genau justieren, wie er diese Massnahmen nutzen will», kontert Frank Marty von Economiesuisse. Keine kantonale Reform habe eine Zusatzbelastung für den Mittelstand geplant. Tatsächlich ist eher das Gegenteil der Fall. Waadt und Basel-Stadt, die stark von den nun verpönten Steuerprivilegien für gewisse Unternehmen profitiert haben, wollen die Reform mit Prämienverbilligungen und Familienzulagen abfedern. Auch in der SVP-Hochburg Thurgau will die Kantonsregierung ihrem Stimmvolk die Entlastung der Firmen mit höheren Kinderzulagen «versüssen».
«Die USR III ist eine Blackbox. Die Reform ist völlig unausgewogen», sagte SP-Präsident Christian Levrat im AZ-Interview. «Sie ist kein Fass ohne Boden und enthält klare Entlastungsbegrenzungen», erwidert Marty. Letztlich sind Steuervorlagen auch eine Glaubensfrage. Unklar bleibt etwa, wie die 1,1 Milliarden kompensiert werden, die der Bund den Kantonen primär aus der direkten Bundessteuer überweisen soll.
Wie es kommt, weiss man erst im Nachhinein. Wie bei der Unternehmenssteuerreform II, die 2008 mit 50,5 Prozent Ja hauchdünn angenommen wurde. Die Ausfälle bei der Dividendenbesteuerung waren weit höher, als Finanzminister Hans-Rudolf Merz prognostiziert hatte. Die Gegner der USR III schlachten dies aus. Zu Löchern in den Staatskassen aber kam es trotzdem nicht. Das Geld floss auf anderen Wegen, und die Firmen zahlten am Ende sogar mehr als zuvor.