Eigenmietwert-Abschaffung: Befürworter glauben an Trendumkehr
Lange sah es gut aus für die Liegenschaftssteuer, mit der die Abschaffung des bei vielen Hausbesitzern verhassten Eigenmietwerts verknüpft ist. In den ersten Umfragen zeichneten sich solide Ja-Mehrheiten ab. Bei Tamedia waren fast zwei Drittel der Befragten dafür. Die drei letzten, am Mittwoch veröffentlichten Erhebungen aber zeigen eine Tendenz zum Nein.
Beim Institut YouGov (ehemals Link), das seit Neuestem Abstimmungsumfragen durchführt, sank der Ja-Anteil auf unter 50 Prozent. Und die Erfahrung aus vielen Volksabstimmungen besagt, dass sich ein solcher Negativtrend kaum stoppen, geschweige denn umdrehen lässt. Es sieht nicht gut aus für die Befürworter der Eigenmietwert-Abschaffung.
Ihr Wortführer ist Gregor Rutz, Zürcher SVP-Nationalrat und Präsident des Hauseigentümerverbands (HEV). Von Unruhe oder gar Panik aber ist bei ihm während eines Gesprächs am Rande der laufenden Herbstsession aber nichts zu spüren. Das mag daran liegen, dass Rutz zu den entspannteren Figuren in einer oft überspannten Partei gehört.
«Erwartet, dass es knapp wird»
«Ich habe erwartet, dass es knapp wird», kommentiert er die aktuellen Umfragen. Trotz der unerfreulichen Entwicklung zeigt er sich zuversichtlich, dass es für ein Ja in einer Woche reichen wird: «Wir haben breite Unterstützung von verschiedensten Seiten – Junge, Rentner und auch Parteien verschiedenster Couleur.» Linksgrün allerdings legt sich quer.
In der ersten SRG/GFS-Umfrage gab es von dieser Seite noch eine verhaltene Zustimmung. Nun ist sie einer klaren Ablehnung gewichen. Dabei konnten sich die Bürgerlichen und die Hauseigentümer zum von links seit langer Zeit geforderten Systemwechsel durchringen: Neben dem Eigenmietwert fallen auch die Abzüge für Schuldzinsen und Sanierungen weg.
Seitenwechsel der SP
«Die SP war in der parlamentarischen Beratung immer dafür und wechselte vor der Schlussabstimmung die Seiten», sagt Gregor Rutz. Er begreife nicht, warum sie diesen Schwenker gemacht habe, denn selbst der frühere SP-Finanzminister Otto Stich habe die Abschaffung des Eigenmietwerts unterstützt, wenn die Schuldzinsabzüge wegfallen.
Tatsächlich musste SP-Vordenkerin Jacqueline Badran im «Blick»-Streitgespräch mit Rutz einräumen, dass der Systemwechsel in der vorliegenden Form richtig sei. Den Wechsel zum Nein begründete sie mit dem «explodierten» Preisschild, sprich den erwarteten Ausfällen von gegen zwei Milliarden Franken. Doch das Manöver der Linken bleibt zwiespältig.
Deutlicher Röstigraben
Allerdings ist der Widerstand von SP und Grünen (die Grünliberalen sind in dieser Frage gespalten) nicht das einzige Problem der Befürworter. Beim Eigenmietwert zeigt sich in den Umfragen ein deutlicher Röstigraben: In der Westschweiz dominiert das Nein. Die Romands seien eben mieterfreundlicher als die Deutschschweiz, heisst es dazu.
Gregor Rutz aber sieht einen anderen Grund: «In der Westschweiz sind die Eigenmietwerte viel tiefer als in der Deutschschweiz», sagte er im Gespräch. Konkret bedeutet dies, dass ihr Wegfall sich kaum in der Steuerrechnung niederschlägt, jener der Abzüge aber schon. Der HEV-Präsident weist darauf hin, dass es in der Romandie noch grossen Diskussionsbedarf gebe.
Widerstand der Gebirgskantone
Damit berührt er einen wunden Punkt der Befürworter, denn im Ja-Komitee findet man wenige profilierte Köpfe mit französischer Muttersprache. Auf der Gegenseite sieht es anders aus, dort engagieren sich namhafte Bürgerliche wie FDP-Ständerat Pascal Broulis aus dem Kanton Waadt oder Rutz’ Walliser Partei- und Amtskollege Jean-Luc Addor.
Die Aufholjagd in der Westschweiz dürfte für die Befürworter schwierig werden. Zu schaffen macht ihnen auch der Widerstand der Gebirgskantone. Für sie hatten die Bürgerlichen die Objektsteuer auf Zweitliegenschaften kreiert, die auf dem Stimmzettel steht. Die Kantone aber bezweifeln, dass sie damit die drohenden Einnahmeausfälle kompensieren können.
Ja-Argumente im Vorteil
Sie befürchten, dass der Widerstand gegen die neue «Chalet-Steuer» zu gross sein wird. Doch Gregor Rutz wiegelt ab: «Die Bergkantone werden diese Einnahmen nicht brauchen.» Steuersenkungen würden mit der Zeit zu Mehrerträgen führen, weil die Leute mehr Geld ausgeben: «Deshalb teile ich die Befürchtungen wegen Einnahmeausfällen nicht.»
Auch in diesem Fall ist es fraglich, ob er bei den Betroffenen durchkommt. Gregor Rutz bleibt trotzdem zuversichtlich. Hoffnung schöpft er daraus, dass in der zweiten SRG-Umfrage die Argumente der Befürworter tendenziell nach wie vor besser ankommen als jene der Gegner, etwa dass es nicht gerecht sei, auf ein Einkommen Steuern zu zahlen, das man gar nicht erhält.
«Bei einem Nein bleibt die ungerechte Steuer bestehen, während ein Ja für die Jungen den Erwerb von Wohneigentum erleichtert», sagt Rutz. Der zweite Punkt ist umstritten, denn das Hauptproblem ist das knappe Angebot. Der SVP-Nationalrat zeigt sich überzeugt, den Umfrage-Trend korrigieren zu können. Etwas anderes bleibt ihm auch nicht übrig.