Schweiz
AHV

Drei Gründe, warum die Abstimmungen im Herbst emotional werden

Vier eidgenössische Vorlagen kommen am 25. September vors Stimmvolk.
Vier eidgenössische Vorlagen kommen am 25. September vors Stimmvolk. Bild: shutterstock/watson

Schweine, Steuern, Renten: Die Abstimmungen im September bringen Zündstoff

Die AHV-Reform, die Initiative gegen Massentierhaltung und die Verrechnungssteuer: Die Abstimmungsvorlagen im September bringen politische Brisanz. 3 Gründe, warum.
29.05.2022, 16:2909.08.2022, 15:46
Helene Obrist
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Nur 44 Prozent der Stimmberechtigten nahm an den Abstimmungen Mitte Mai teil. Weder das Frontex-Referendum noch die Organspende, geschweige denn das Filmgesetz, konnten das Stimmvolk mobilisieren.

Das dürfte sich im September ändern. Denn dann kommen vier Vorlagen an die Urne, die Zündstoff bieten.

Wütende Frauen

Beim Filmgesetz ging es faktisch um sehr wenig und die Abstimmung über das Transplantationsgesetz war eher eine philosophische denn politische Frage.

Wesentlich mehr politisches Konfliktpotenzial bringt der Herbst. Denn es stehen wohl zwei der wichtigsten Volksentscheide des Jahres an: die beiden Abstimmung über die Rentenreform «AHV 21».

Die Reform soll der ersten Säule mehr Geld in die Kassen spülen. Denn laut Bundesrat fehlen der AHV bis 2030 26 Milliarden Franken. Gestopft soll das Loch mit einer Erhöhung der Mehrwertsteuer um 0,4 Prozentpunkte werden. Über diesen Bundesbeschluss stimmt die Schweizer Stimmbevölkerung einerseits ab.

Andererseits soll auch das Rentenalter der Frauen von 64 auf 65 erhöht werden. Gegen diese Rentenerhöhung für Frauen wurde das Referendum ergriffen. Das ist die zweite AHV-Vorlage, über die im September abgestimmt wird.

Und insbesondere diese wird emotional werden. Denn gegen die Rentenalterhöhung kamen in nur 50 Tagen 100'000 Unterschriften zusammen – doppelt so viele als bei einem Referendum eigentlich nötig wären.

Video: watson/Helene Obrist, Emily Engkent

Bereits im September demonstrierten mehrere tausend Personen – mehrheitlich Frauen – gegen eine Erhöhung des Rentenalters. Die AHV werde auf dem Rücken der Frauen saniert, so Gewerkschaftlerinnen und die Linke. Dagegen gelte es, sich zu wehren.

Frauen anlaesslich einer Demonstration, am Samstag, 18. September 2021, in Bern. Nach dem Motto Haende weg von unseren Renten, AHV21- so nicht, demonstrieren Teilnehmer gegen den Rentenabbau zulasten  ...
«Hände weg von unseren Renten»: Bereits im September 2021 demonstrierten Gewerkschaften und linke Parteien gegen eine Erhöhung des Rentenalters für Frauen.Bild: keystone

Je näher der September rückt, desto emotionaler wird die Rentenreform diskutiert werden. Denn es steht viel auf dem Spiel. Seit fast 25 Jahren scheiterte jeder einzelne Versuch, die erste Säule zu sanieren.

Während Gewerkschaften und die Linke gegen die Reform Stimmung machen werden, wird man von Mitte bis rechts alles daran setzen, die Reform durchzuboxen.

Eingesperrte Schweine

Fleisch oder nicht Fleisch – darum geht es im Kern bei der Massentierhaltungsintiative. Lanciert vom Thinkthank «Sentience Politics», will die Initiative den Tieren in der Landwirtschaft mehr Platz und Würde verschaffen. Bis in 25 Jahren sollen sich alle Betriebe, die Tiere halten, mindestens an die Bio-Suisse-Richtlinien von 2018 halten.

Sicht auf ein Plakat mit mit Mastschweinen bei der Lancierung der Eidgenössischen Initiative “Keine Massentierhaltung in der Schweiz” von Sentience Politics, am Dienstag, 12. Juni 2018, in Bern. (KEYS ...
Schweine auf engstem Raum: Diese Bilder wollen die Initiantinnen und Initianten der Massentierhaltungsinitiative nicht mehr sehen. Bild: KEYSTONE

Aber Tiere unter Bio-Suisse-Richtlinien zu halten, ist teuer. Ein Grund, warum der Bauernlobby die Initiative ein Dorn im Auge ist. Und sie wird es auch sein, die gegen die Initiative massiv mobilisieren wird.

Welche Schlagkraft sie dabei entwickeln kann, zeigte sich an den Abstimmungen im Juni 2021. Um der Trinkwasser- und Pestizid-Initiative den Garaus zu machen, wurde die Stimmbevölkerung in ländlicheren Gebieten an die Urne gepeitscht. Sie bodigte nicht nur beide Agrar-Intiativen – sondern auch das CO₂-Gesetz.

Im September ist das Kräftemessen mit der Bauernlobby vorporgrammiert.

Siegessichere Linke

Ebenfalls einiges an Mobilisierungspotenzial bringt die Teilabschaffung der Verrechnungssteuer. Ein politisches Déjà-vu – bereits im Februar liessen die Linken im Kampf um eine steuerrechtliche Vorlage ihre Muskeln spielen. Mit Erfolg: Die Abschaffung der Stempelsteuer wurde mit überraschend hohen 62,6 Prozent Nein-Stimmen über Bord geworfen.

Nationalraetin Jacqueline Badran, SP-ZH, vom Nein Komitee zur Abschaffung der Stempelsteuer, verfolgt die Resultate, am Sonntag, 13. Februar 2022, in Bern. (KEYSTONE/Peter Schneider)
Sie bodigte die Abschaffung der Stempelsteuer beinahe im Alleingang: SP-Nationalrätin Jacqueline Badran. Bild: keystone

Dementsprechend zuversichtlich wird sich die Linke in den spätsommerlichen Abstimmungskampf stürzen. Auf bürgerlicher Seite wird man einen erneuten Verlust mit allen Mitteln zu bekämpfen versuchen. Der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse plane bereits eine millionenschwere Kampagne, munkelte SP-Nationalrätin Prisca Birrer-Heimo gegenüber dem «Blick». Ein Armdrücken ist vorprogrammiert.

Die Vorlagen vom 25. September 2022 im Detail

Rentenvorlagen
Die Rentenreform «AHV21» will mit verschiedenen Massnahmen das finanzielle Gleichgewicht der AHV sichern. Es kommen zwei Vorlagen an die Urne. Einerseits soll die Mehrwertsteuer um 0,4 Prozentpunkte erhöht werden. Diese unterliegt dem obligatorischen Referendum. Andererseits wurde gegen den AHV-Gesetzesentwurf das Referendum ergriffen. Dieser Entwurf sah vor, dass das Rentenalter für Frauen von 64 auf 65 erhöht werden soll.

Massentierhaltungsinitiative
Der Name ist Programm. Die Initiantinnen und Initianten wollen die Massentierhaltung verbieten und die Würde der Tiere in der Landwirtschaft in der Verfassung verankern. Der Bund soll Kriterien für eine tierfreundliche Unterbringung und Pflege, den Zugang ins Freie, die Schlachtung und die maximale Gruppengrösse je Stall festlegen. Diese Kriterien sollen gemäss Initiative mindestens denjenigen der Bio-Suisse-Richtlinien von 2018 entsprechen.

Referendum Verrechnungssteuer
Die Verrechnungssteuer besteuert in der Schweiz Kapitalerträge, Lottogewinne, Leibrenten, Pensionen und Versicherungsleistungen. Ebenfalls versteuert wird der Handel mit bestimmten Wertpapieren und Obligationen. Im Dezember beschloss das Parlament gegen den Willen der Linken, die Verrechnungssteuer auf inländische Zinserträge weitgehend abzuschaffen und die Abgabe auf Schweizer Obligationen aufzuheben. Damit soll es attraktiver werden, inländische Obligationen zu erwerben. Gegen diese Teilabschaffung hat ein überparteiliches Komitee von SP, Grünen und Gewerkschaften das Referendum ergriffen.

Mit Material der sda

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quelle: shutterstock
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160 Kommentare
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Skunk42
29.05.2022 16:43registriert Februar 2022
Wor können die AHV nicht die ganze Zeit abschmettern. Das Paket ist nun relativ gut. Gleichberechtigung ist keine Einbahnstrasse. Zudem gibt es des öfteren verwirrte Blicke, wenn unsere Expats erfahren, dass wir Unterschiede beim Männer- und Frauenrentenalter haben. Es wird als rückständig angesehen.
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sweeneytodd
29.05.2022 16:38registriert September 2018
Es wäre ja im Sinne der Gleichberechtigung, dass Frauen und Männer gleichlang zu arbeiten haben. Die AHV braucht das Geld, am Schluss motzen wieder die Linken wenn es zuwenig Geld für die Renten hat.
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The fine Laird
29.05.2022 17:04registriert November 2014
"Fleisch oder nicht Fleisch – darum geht es im Kern bei der Massentierhaltungsintiative."

Tut mir leid aber dies ist falsch. Es geht darum die Standards zu erhöhen und nicht, dass keine Tieren mehr gehalten werden bzw. gegessen werden.
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