Alain Berset erinnerte an einen Autofahrer, der Gas geben möchte und gleichzeitig auf die Bremse tritt. Er stellte am Freitag einen grossen Lockerungsschritt in Aussicht: Kinos, Theater, Konzertlokale, Fitnesscenter sollen am 22. März öffnen dürfen, die Restaurants zumindest ihre Terrassen. Ob das wirklich geschehen wird, ist jedoch mehr als fraglich.
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«Der Zeitpunkt ist nicht optimal für Öffnungen», betonte Berset vor den Medien. Denn die epidemiologische Lage ist fragil, die Zahlen bewegen sich in die falsche Richtung. Drei der vier Richtwerte, die der Bundesrat für Öffnungen definiert hat, werden überschritten. Einzig die Belegung der Intensivbetten ist im grünen Bereich, und das ist eigentlich zu wenig.
Das weiss der Bundesrat. Der Gesundheitsminister betonte, dass erstmals Öffnungsschritte bei steigenden Fallzahlen in Aussicht gestellt werden. Selbst bei der im Nachhinein fatalen Zulassung von Grossveranstaltungen im letzten August sah es besser aus. Deshalb befragt der Bundesrat erst einmal die Kantone, bevor er in einer Woche definitiv entscheiden will.
Die derzeitige Corona-Lage ist durch einen Dualismus geprägt. Die Menschen sehnen sich nach einer Rückkehr zur Normalität und wissen gleichzeitig, dass die steigenden Fallzahlen, primär aufgrund der mutierten Virus-Varianten, dies eigentlich (noch) nicht zulassen. Dies zeigen Befunde aus der Tamedia-Nachbefragung vom letzten Abstimmungssonntag.
Nicht weniger als 68 Prozent der Befragten wünschen eine Öffnung der Restaurant-Terrassen, 55 Prozent wollen die Gastrobetriebe gleich vollständig öffnen. Gleichzeitig empfinden 62 Prozent die Massnahmen des Bundesrats als angemessen, oder sie gehen ihnen zu wenig weit. Nur 15 Prozent finden, die Massnahmen gingen viel zu weit.
Wir wollen wieder in die Beiz oder zumindest draussen ein Bier oder einen Kaffee trinken und wissen gleichzeitig, dass die Zeit dafür noch nicht reif ist. Das läuft für den Bundesrat fast auf eine Quadratur des Kreises hinaus. Österreich versucht etwas Ähnliches. Man wagt vorsichtige Lockerungen, obwohl die Fallzahlen gerade wieder deutlich ansteigen.
Möglich machen soll es die Testoffensive im östlichen Nachbarland. Die Schweiz zieht nun nach. Ab Montag wird der Bundesrat wie vor einer Woche angekündigt die Kosten aller Schnelltests übernehmen, auch jener von asymptomatischen Personen. Falls dies zum erwünschten Effekt führt, werden die Infektionszahlen erst einmal steigen.
Das ist nur auf den ersten Blick eine schlechte Nachricht. Es wäre im Gegenteil ein Beleg dafür, dass das Testprogramm wirkt und viele Infizierte aufgespürt werden, die sonst unentdeckt bleiben würden. Voraussetzung ist, dass möglichst alle mitmachen. Wenn man wie der Kanton Zürich Schulen nur im Fall eines Ausbruchs testen will, wird nichts daraus.
Denn auch bei den Impfungen geht es mit angezogener Handbremse voran. Alain Berset dementierte, dass der Pharmakonzern Lonza dem Bund eine eigene Produktionslinie in Visp angeboten hat. Seine Aussagen wie jene von BAG-Impfchefin Nora Kronig überzeugten nicht. Sie verstärkten den Eindruck, dass der Bund eine konfuse Impf-Strategie verfolgt.
So wird das nichts mit raschen und grosszügigen Lockerungen. Berset räumte ein, dass die dritte Infektionswelle im Anrollen ist. Die angedachten Öffnungen sind deshalb durch Vorsicht geprägt. Kapazitäten werden beschränkt, in Innenräumen herrscht Maskenpflicht. Selbst in der Gartenbeiz darf man die Maske nur beim Essen und Trinken ablegen.
Um die Terrassen ist zeitweise eine Art Glaubenskrieg ausgebrochen. Vielleicht dürfen sie am übernächsten Montag öffnen, als «Zückerchen» für die Bevölkerung und die gebeutelte Branche. Hoffnung auf mehr wäre vermessen. Das Gaspedal durchzudrücken ist momentan keine so gute Idee.
In Anbetracht dessen, hätte ich die Überschrift anders gewählt. Anstelle von:
Am Ende öffnen vielleicht NUR die Terrassen
hätte ich geschrieben:
Am Ende öffnen vielleicht SOGAR die Terrassen.
Ich glaube wir können froh sein, wenn überhaupt etwas geöffnet wird.
Mich hat das Argument, dass man nicht mit dem Subunternehmer verhandelt, sehr wohl überzeugt. Der Lieferant ist Moderna und nicht Lonza.