Für die Sozialdemokraten läuft es ziemlich rund. Ihre Umfragewerte zeigen tendenziell nach oben. Ihr zweiter Platz in der Parteien-Hierarchie ist ungefährdet, und damit die beiden Bundesratssitze. Die Nachfolgerin oder der Nachfolger von Alain Berset dürfte aus den Reihen der SP kommen, selbst wenn die Grünen einen Angriff riskieren sollten.
Anders als im letzten Jahr, als Simonetta Sommaruga mit ihrem plötzlichen Rücktritt die Partei überrumpelt hatte, gibt es jetzt genügend Vorlauf. Die fünf Männer, die ihre Kandidatur angemeldet haben, sind alle valabel. Am Mittwoch gesellte sich der ehemalige Fraktionschef Roger Nordmann aus der Waadt unter die Möchtegern-Bundesräte.
Sein grösstes Handicap ist die Herkunft. Mit Nordmann und Elisabeth Baume-Schneider würden zwei Westschweizer die SP in der Landesregierung vertreten. Das ist nicht ganz unproblematisch für eine Partei, die im ganzen Land verwurzelt ist. Nordmann betonte denn auch, er sei ein «Brückenbauer» und ein «gesamtschweizerischer Romand».
Ihm kommt entgegen, dass man bei allen Kandidaten Vorbehalte anbringen kann. Bei Nordmann und Matthias Aebischer ist es die Herkunft, bei Beat Jans und Jon Pult vielleicht das Alter (der Basler ist fast 60 und der Bündner noch keine 40). Und die Konkurrenz dürfte es Daniel Jositsch noch schwieriger machen, eine skeptische Fraktion zu überzeugen.
Entscheidet sich die SP am 25. November für ein Zweierticket, müsste man beim heutigen Stand vermutlich auf Jans und Pult wetten. Eines fällt dabei ins Auge: Die Frauen glänzen durch Abwesenheit. Wird sich überhaupt eine melden? Eine andere Frage lautet: Kann die SP von der zusätzlichen Publizität bei den Wahlen am 22. Oktober profitieren?
Seit die SP am 2. September ihre Kriterien für die Bundesratswahl bekannt gab, folgt eine Bewerbung auf die nächste. Und das in immer rascherer Kadenz, je näher der Termin der nationalen Wahlen heranrückt. Manche fragen sich, ob dies absichtlich geschieht, damit die SP im Endspurt des Wahlkampfs im Gespräch bleiben und vielleicht profitieren kann.
Völlig unbegründet ist diese Vermutung nicht. Die SP hat mit ähnlichen Manövern schon recht gute Erfahrungen gemacht (Otto Stich 1995), aber auch durchzogene (Micheline Calmy-Rey 2011). Denn eine Parlaments- und eine Bundesratswahl sind letztlich zwei unterschiedliche «Baustellen». Man darf den Werbeeffekt nicht überbewerten.
Umgekehrt kann es auch nicht schaden, wenn eine Partei dank Bundesrats-Rücktritt im Gespräch bleibt. Die persönliche Profilierung dürfte bei den Kandidaten keine Rolle spielen. Die Wiederwahl von Jositsch, Pult und Nordmann ist kaum gefährdet, und Aebischer war 2019 der einzige Berner SP-Mann, der den «Frauenansturm» überstanden hatte.
Es war ein omnipräsentes Gesprächsthema in der Wandelhalle während der Herbstsession: Wann steigt eine Frau ins Rennen um die Berset-Nachfolge ein? Für eine Partei mit einem ausgeprägten feministischen Profil wie die SP wirkt es irritierend, dass sich bislang nur Männer gemeldet haben. Zumal die Partei die Geschlechterfrage ausdrücklich offen lässt.
Zwei Bundesrätinnen würden der SP gut anstehen, doch noch hat keine Frau ein konkretes Interesse signalisiert, geschweige denn ihre Kandidatur angemeldet. Andeutungen gibt es von Nationalrätin Tamara Funiciello oder Co-Präsidentin Mattea Meyer. Abgesagt haben Ständerätin Eva Herzog sowie die Nationalrätinnen Min Li Marti und Flavia Wasserfallen.
Hoch gehandelt wird die Berner Regierungsrätin Evi Allemann. Sie hatte sich schon um die Nachfolge von Simonetta Sommaruga beworben und war in der Fraktion gegen Baume-Schneider und Herzog unterlegen. Nun zögert sie. Laut der Co-Präsidentin ihrer Kantonalpartei will sich Allemann «nach den Berner Herbstferien Mitte Oktober» zu einer Kandidatur äussern.
Vielleicht tritt sie an. Vielleicht hat sie keine Lust auf ein erneutes Scheitern, das angesichts der starken männlichen Konkurrenz nicht unwahrscheinlich wäre. Denn nun kämpft Allemann mit einem zusätzlichen Handicap: Der Kanton Bern hat mit Albert Rösti schon einen Bundesrat.
Das Zögern der Frauen lässt Gerüchte erblühen. Hinter den Kulissen könnte es Bestrebungen geben, sich auf eine gemeinsame Kandidatur zu einigen, berichtete etwa «10 vor 10». Dies könnte die Chancen gegen die Männer erhöhen. Doch auch wenn die Meldefrist erst am 29. Oktober abläuft, wird es langsam eng für die Frauen.
Denn es ist nicht ausgeschlossen, dass sich weitere SP-Männer für die Berset-Nachfolge bewerben könnten – insbesondere Co-Präsident Cédric Wermuth. Gleichzeitig wäre es für die Schweizer Sozialdemokraten ein Armutszeugnis, wenn nicht mindestens eine Frau in den Ring steigen würde. Ob sie es auch aufs Ticket schafft, ist eine andere Frage.
Gewisse Leute wollen die Welt einfach nur brennen sehen...
Den SPlerinnen ist voll bewusst, dass eine Kandidatur sie sofort in die selbe, scheinbar unrühmliche Rolle wie Jositsch letztes Jahr katapultieren würde. Schliesslich hat man viel Wert darauf gelegt es so hinzustellen, als ob das reine Frauenticket eine freiwillige Vernunftsentscheidung und keine verfassungswidrige Vorgabe der Parteileitung gewesen ist.
Ich wüsste nicht, was es bezüglich Frauen-Kandidatur der SP überhaupt zu diskutieren gäbe...
Es ist ja noch keine 12 Monate (!) her, dass Co-Präsidentin Mattea Meyer sagte:
"Die SP will mit einem Mann und einer Frau in der Regierung vertreten sein, wie sie es seit den 90er-Jahren immer war. "
"Ich glaube nicht dass eine Frauenquote die Auswahl relevant einschränkt."
(Und da die Auswahl an geeigneten Kandidaten bei den Männern zweifellos noch grösser als bei den Frauen, wird die Auswahl durch eine "Männerquote" ja erst recht nicht relevant eingeschränkt.)