«Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah?» Goethe ist unter Anlegern zwar kein Geheimtipp für Anleitungen zum erfolgversprechenden Investitionsverhalten. Trotzdem halten manche seiner Weisheiten auch locker dem Realitätstest der Finanzmärkte stand.
Im laufenden Jahr war es jedenfalls keine besonders gute Idee, das Geld in ausländische Aktien zu investieren – schon gar nicht in amerikanische. Der US-Dollar hat seit Anfang Januar mehr als 12 Prozent zum Franken verloren und ist nun zum ersten Mal seit fast fünfzehn Jahren unter die Marke von 80 Rappen gefallen.
Aus der Sicht eines Schweizer Investors kann der Wechselkurs dazu führen, dass sich positive Aktienrenditen im Ausland in empfindliche Verluste verwandeln, wenn diese in Franken umgerechnet werden müssen. Im laufenden Jahr war das Wechselkursrisiko ein guter Grund für hiesige Anleger, mit Auslandsinvestitionen zurückhaltend zu sein.
Der negative Wechselkurseffekt auf die Performance von US-Aktien war in den vergangenen sechs Monaten zwar aussergewöhnlich stark (siehe Grafik). Aber Schweizer Anleger, die im Ausland investieren, müssen eigentlich immer mit Wechselkursverlusten rechnen.
1973, als das Weltwährungssystem Bretton Woods auseinanderbrach und die Währungen der damals wichtigsten Industrieländer dem Spiel von Angebot und Nachfrage auf den Devisenmärkten überlassen wurden, kostete 1 Dollar noch nahezu 4 Franken.
Die Abwertung des Dollar, der wegen der Note mit der grün bedruckten Rückseite auch «Greenback» genannt wird, ist systematisch und hat damit zu tun, dass die Inflationsraten in den Vereinigten Staaten seit vielen Jahrzehnten höher sind als in der Schweiz. Das Phänomen ist seit dem letzten globalen Teuerungsschub im Zuge von Covid wieder stärker zutage getreten.
Zu Beginn des laufenden Jahres kostete ein «Big Mac» in der Schweiz umgerechnet 7,99 Dollar, in den USA aber nur 5,79 Dollar. Die Amerikaner konnten sich mit einem Dollar also mehr Big Macs leisten als die Schweizer mit der gleichen Menge Geld. In der Sprache der Ökonomen war der Dollar im Vergleich zum Franken überbewertet. Die nächste Veröffentlichung des Big-Mac-Index im Juli wird wegen des Dollarcrashs eine Angleichung der Preise zeigen.
Die Wirtschaftstheorie unterstellt, dass sich international unterschiedliche Preisniveaus von austauschbaren Gütern über den Wechselkurs angleichen müssen. Das Konzept nennt sich Kaufkraftparität. Der Big-Mac-Index der britischen Wochenzeitschrift «The Economist» zeigt auf spielerische, wenn auch nicht auf exakte Weise, genau diesen Effekt.
Aber Wechselkurse bewegen sich kaum einmal exakt am Gleichgewichtspunkt, wie er sich mit dem Instrument der Kaufkraftparität berechnen lässt. Die Kurse überschiessen an den Devisenmärkten nach oben wie jetzt vielleicht auch nach unten.
Anastassios Frangulidis, Chefökonom der Genfer Privatbank Pictet, stellt fest, dass Donald Trumps Zollhammer vom 2. April auch für die US-Valuta eine markante Zäsur war. Zwar erholte sich der Dollar am 9. April, als der US-Präsident seine scharfen Ankündigungen wenigstens vorübergehend etwas abschwächte.
Doch der Greenback ist nicht mehr zu seiner früheren Stärke zurückgekehrt: «Die Skepsis gegenüber dem Dollar ist offensichtlich gross geworden», sagt Frangulidis. «Ein gewisser Vertrauensverlust hat eingesetzt.»
Diese Entwicklung kann sich fortsetzen, zumal die amerikanische Schuldenpolitik inzwischen auch die Zahlungsfähigkeit des amerikanischen Staates in Zweifel gezogen hat. Zwar gehören die USA noch immer zum exklusiven Club jener Länder mit der zweithöchsten Bonitätsnote. Aber der Abstieg von der höchsten Bonitätsklasse hat dazu geführt, dass inzwischen vor allem ausländische Investoren einen höheren Zins (Risikoaufschlag) auf amerikanische Schuldpapiere verlangen.
Eine US-Schatzanleihe mit zehnjähriger Laufzeit rentiert derzeit knapp 4,3 Prozent. Eine vergleichbare Schweizer Bundesanleihe kommt auf eine Rendite von nur gerade 0,41 Prozent. Eine Investition in US-Anleihen liegt auf den ersten Blick somit auf der Hand. Doch Erwin Heri, Finanzprofessor an der Universität Basel, einstiger Investmentchef der Winterthur Versicherungen und Partner beim Finanzbildungsportal Fintool, ist für solche Fragestellungen theoretisch wie auch praktisch gewappnet und er sagt:
«Der Kauf einer ausländischen Obligation ist vor allem eine Währungsspekulation.» Heri findet, Schweizer Anleger hätten langfristig auch an ausländischen Aktienmärkten mehr zu verlieren als zu gewinnen. Dass Heri mit dieser Empfehlung 2025 spektakulär recht bekommt, dürfte ihn selbst am wenigsten überraschen. Vor exakt zwei Jahren dozierte er auf Fintool in seiner didaktisch bekanntermassen eingängigen Art, «warum Dollar und Euro auf 80 Rappen fallen werden». Die Begründung ist die niedrigere Inflation in der Schweiz. Das ist auch ein grosses Kompliment an die Nationalbank, die gerade den 175. Geburtstag des Franken feiert.
Viele Schweizerinnen und Schweizer zögern, ihr Geld vom Sparkonto abzuziehen und in Aktien zu investieren, zeigt eine aktuelle repräsentative Umfrage der Migros Bank. Das hat auch damit zu tun, dass es auf dem Konto seit Jahrzehnten auch bei kleinem Zins kaum Wert verliert. Bei relativ geringem Risiko notabene.
Aber natürlich zeigen langfristige Vergleiche, dass sich Aktiensparen à la longue auszahlt. Das wissen auch die von der Migros Bank befragten Sparer. Sie würden gerne mehr Geld in Aktien anlegen und die Rendite verbessern. Nur, wann ist der beste Zeitpunkt dafür? Herr und Frau Schweizer sind vielleicht notorisch vorsichtig mit Aktien. Derzeit ist das aber kaum ein Fehler.