Es war eine der knappsten Abstimmungen in der helvetischen Geschichte: Mit 50,1 Prozent Ja-Stimmenanteil sprach sich das Schweizer Stimmvolk 2020 für die Beschaffung von neuen Kampfflugzeugen aus.
Inzwischen sind die Verträge unterschrieben. Die Schweiz kauft beim amerikanischen Verteidigungsministerium 36 Kampfjets des Modells F-35. Kostenpunkt: 6 Milliarden Franken. Die USA liefern die Flugzeuge von 2027 bis 2030 aus.
Doch dann kam der 20. Januar und Donald Trump trat zum zweiten Mal den Posten als US-Präsident an. Sein unberechenbarer Regierungsstil in den ersten Wochen im Weissen Haus löste auch in der Schweiz eine sicherheitspolitische Debatte aus. Eine der zentralen Fragen: Soll die Schweiz am Kauf des Kampfjets F-35 festhalten oder begibt sie sich damit zu stark in die Abhängigkeit der USA unter Trump?
Eine repräsentative Umfrage von watson zeigt, dass eine klare Mehrheit der Schweizer Bevölkerung nicht mehr hinter dem Kampfjet-Kauf steht. 81 Prozent der 13'799 Befragten sind (eher) gegen den Kauf des F-35 oder lehnen ihn sogar vollständig ab.
Die Ablehnung zieht sich durch alle politischen Lager. Selbst bei der SVP-Basis sprechen sich unter den aktuellen Umständen 67 Prozent der Befragten gegen den Kauf aus. Grünen-Wählende lehnen den F-35 mit satten 97 Prozent ab.
watson hat die Umfrageresultate mit Schweizer Sicherheitspolitikerinnen und -politikern diskutiert.
«Ich muss ehrlich sagen, die Deutlichkeit hat mich überrascht», sagt SP-Nationalrätin Priska Seiler Graf, als watson ihr die Ergebnisse vorlegt. «Dass sogar 54 Prozent der SVP- und 47 Prozent der FDP-Wählenden den Kauf des F-35 vollständig ablehnen, hätte ich nicht erwartet», so die Präsidentin der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrats.
Der Grund für das klare Umfrageergebnis ist aus ihrer Sicht klar: «Donald Trump ist der Game-Changer.» Ein Land, das selbst das Völkerrecht missachte, lasse berechtigte Zweifel daran aufkommen, ob Abkommen und Regeln überhaupt noch gälten. Dass dies in der Bevölkerung Skepsis gegenüber dem Kampfjet-Kauf weckt, «kann ich absolut verstehen».
Sie und die SP seien von Anfang an gegen den Kauf des F-35 gewesen, betont Seiler Graf. Der Kampfjet F-35 sei ein Hightech-Gerät, das nur mit einem dauerhaften und direkten Datenaustausch mit den USA fliege.
«Die Schweiz ist darauf angewiesen, dass die Zusammenarbeit mit den USA reibungslos funktioniert. Unter Donald Trump ist diese Abhängigkeit ein Risiko. Es wäre politisch viel besser gewesen, wenn die Schweiz sich für ein europäisches Kampfflugzeug entschieden hätte.» Zwar sei auch in europäischen Kampfjets amerikanische Technologie verbaut. Das Abhängigkeitsverhältnis sei jedoch viel kleiner als beim F-35.
Auch die Kosten bereiten der SP-Nationalrätin Sorgen. «Der F-35 wird am Ende viel teurer sein als bei Vertragsabschluss, bei dem Fixkosten vereinbart wurden. Diese Zusatzkosten müsste eigentlich der amerikanische Staat tragen. Ich habe jedoch grosse Zweifel, dass die Trump-Regierung dazu bereit ist.»
Trotz allem Unmut sei ein Ersatz für die in die Jahre gekommenen F/A-18- und Tigers-Kampfjets notwendig, so Seiler Graf. «Es stellt sich jedoch die Frage, ob innert nützlicher Frist und zu einem akzeptablen Preis ein anderes Kampfflugzeug als der F-35 zu beschaffen ist.»
Die SP-Fraktion hat aus diesem Grund ein Postulat eingereicht, das vom Bundesrat eine sicherheitspolitische Auslegeordnung verlangt. «Von meinem Bauchgefühl her müsste die Schweiz unbedingt aussteigen. Allerdings ist es fraglich, ob eine 180-Grad-Wende jetzt noch möglich ist.»
SVP-Ständerat Werner Salzmann kann mit der Kritik am bestellten amerikanischen Kampfjet nichts anfangen. «Es gibt kein besseres und moderneres Kampfflugzeug als den F-35», so der Sicherheitspolitiker.
Werde am Kauf nicht festgehalten, «droht die Gefahr, dass wir unsere eigene Luftwaffe grounden». Kein anderer Kampfjet sei bis 2030 einsatzbereit, erst recht nicht zu einem vergleichbaren Preis. «Eine Vertragskündigung wäre in der aktuell unsicheren geopolitischen Lage ein Fehlentscheid, den ich niemals unterstützen könnte.»
Salzmann bemängelt zudem die watson-Umfrage: «Die Frage, ob die Schweizer Bevölkerung ihre eigene Luftwaffe grounden will, haben Sie nicht gestellt.» Wäre diese gestellt worden, «hätte das Ergebnis ganz anders ausgesehen».
Wie viele bürgerliche Politiker stört sich auch Salzmann daran, dass beim F-35 ständig auf die Abhängigkeit von den USA hingewiesen werde. «Diese Abhängigkeit besteht aufgrund der amerikanischen Technologie auch bei allen europäischen Kampfflugzeugen. Das ist ein Fakt. Die Argumentation der Linken kann ich nicht gelten lassen.»
Der SVP-Ständerat weist zudem darauf hin, dass zahlreiche europäische Staaten den F-35 anschaffen. Nur wenn die Schweiz den F-35 ebenfalls nutze, sei die oft zitierte Interoperabilität gewährleistet.
Salzmann plädiert dafür, dass der Bundesrat diplomatisch vorgeht und sich für gute Handelsbeziehungen mit den USA einsetzt. «Immer nur über die Amerikaner schimpfen bringt nichts. Die Schweiz soll sich neutral verhalten, dann stehen die Chancen für gute Beziehungen mit den USA und Trump gut.»
Auch Mitte-Ständerätin Andrea Gmür sieht trotz des «unberechenbaren US-Präsidenten» keinen Grund, warum die Schweiz den F-35 nicht beziehen sollte. In den vergangenen Wochen sei so viel Falsches über den Kampfjet geschrieben und so viel Polemik betrieben worden, «da kann ich gut verstehen, dass die Leute den F-35 nicht mehr wollen».
Auch sie sucht die Ursache für die Ergebnisse an anderer Stelle:
Der F-35 sei mit Abstand das beste Kampfflugzeug auf dem Markt, deswegen hätten ihn auch so viele europäische Länder bestellt. «Die Schweiz hat sich auf Basis eines umfassenden «Kriterienkatalogs» zu Recht für den F-35 entschieden, die Diskussion jetzt erneut zu führen, bringt uns nicht weiter, überprüfen kann man aber immer», so Gmür.
Angesprochen auf die Sicherheitslage der Schweiz, die sich unter Donald Trump gemäss watson-Umfrage für eine Mehrheit der Befragten verschlechtert hat, sagt Gmür: «Die geopolitische Lage ist nicht erst seit Donald Trump extrem fragil, an vielen Orten herrscht Krieg. Es ist höchste Zeit, dass die Schweizer Bevölkerung erkennt, dass wir leider längst keine Insel der Glückseligen mehr sind.»
Die NATO-Staaten strebten ein Verteidigungsbudget von 2 Prozent des BIP und mehr an, während die Schweiz derzeit bei 0,8 Prozent liege. Bei dieser Ausgangslage täte es der Schweiz gut, mehr in die Verteidigung zu investieren, findet Gmür.
FDP-Nationalrätin Jacqueline de Quattro kann das Umfrageresultat nachvollziehen. «Dass Trumps Aussenpolitik derart unberechenbar sein würde, wussten wir 2020 beim knapp gewonnenen Kampfjet-Referendum noch nicht.» «Unter den heutigen Umständen würde ich auch gegen einen amerikanischen Kampfjet stimmen.»
Die Argumentation der Linken sei jedoch schlicht nicht ehrlich: «Die wollen einfach gar kein Kampfflugzeug.» De Quattro erwähnt die 2014 verlorene Abstimmung über die Beschaffung des schwedischen Kampfjets Gripen:
De Quattro ist dagegen, jetzt vom Kauf des F-35 zurückzutreten. «Trump stellt sämtliche Regeln auf den Kopf. Wenn wir den Vertrag mit den USA jetzt kündigen, dürfen wir uns auf die volatilen amerikanischen Gerichte freuen. Das wird die Schweiz viel Geld kosten.»
Die Situation sei momentan ungemütlich, doch «lieber die F-35-Kampfjets als gar keine».
Lieber Herr Salzmann von der SVP: Es mag ihnen entgangen sein, dass die USA mit Trump (zu Recht) kritisiert wird. Wer denkt, dass eine gute Beziehung mit Trump (dafür muss man ihm in den Hintern kriechen) positiv ist, hat sein Rückgrat gegen etwas biegsam schleimiges ausgetauscht.
Nein, genau umgekehrt!
Lernen von der Ukraine: Es braucht v. a. Luftabwehr, Flexibilität und Kampfmoral um militärisch gegen Putin zu bestehen. Die Rezepte von vorgestern helfen nicht!
V. a. sollten wir Putin da bekämpfen, wo er erfolgreich operiert: Bei der Desinformation und Subversion westlicher Demokratien!
Würde man realistisch auf den Bedarf schauen, könnte man feststellen, dass ein leichter, günstiger Jet für den als Argument strapazierte Begriff "Luftpolizeidienst" absolut ausreichend ist.
Will man schwereres Gerät, muss sich die Schweiz zuerst in Richtung Europa und NATO bewegen.
Für die paar qm namens Schweiz ist eine Armee in der heutigen Form eine Verschwendung sondergleichen.