Die Schweizer Politik ist bekannt für ein eher gemächliches Tempo. Bei der Beschaffung neuer Kampfflugzeuge für die Luftwaffe aber wird fast schon der Nachbrenner gezündet. Erst vor knapp drei Monaten hat der Bundesrat den so genannten Planungsbeschluss im Umfang von sechs Milliarden Franken verabschiedet, und nun kommt die Vorlage bereits ins Parlament.
Am Dienstag berät der Ständerat über den Kampfjet-Kauf. Seine Sicherheitspolitische Kommission (SiK) hat ihm Anfang September mit 11:2 klar zugestimmt. Im Dezember folgt der Nationalrat, und schon in einem Jahr soll nach den Vorstellungen des Verteidigungsdepartements VBS die Volksabstimmung über den Planungsbeschluss stattfinden, falls das Referendum ergriffen wird.
Vor 30 Jahren besass die Schweizer Armee mehr als 300 Kampfflugzeuge verschiedener Hersteller. Im Jahr 2030 dürften es noch etwa 30 Stück eines einheitlichen Typs sein, falls das VBS mit seinen Plänen durchkommt. Sie sind für den Luftpolizeidienst bestimmt und sollen die bereits weitgehend ausgemusterten F-5E Tiger sowie die F/A-18-Flotte ablösen, die trotz regelmässigen Updates in rund zehn Jahren am Ende ihrer Lebensdauer angelangt sein dürfte.
Wegen der anspruchsvollen Topografie altern die F/A-18 in der Schweiz schneller als in anderen Ländern, heisst es aus dem VBS. Die Beschaffung des Nachfolgemodells soll im Rahmen eines Planungsbeschlusses geregelt werden, ohne Festlegung auf einen Flugzeugtyp. Der Bundesrat zieht damit unter anderem die Lehren aus dem Gripen-Debakel von 2014.
Ein Verzicht auf neue Kampfflugzeuge kommt für das VBS nicht in Frage. Der Zeithorizont bei solchen Beschaffungen betrage 30 bis 40 Jahre. In dieser Zeit könne sich die Bedrohungslage ändern. Man erlebe eine Rückkehr zu Konfrontationen mit einer militärischen Dimension. Europäische Länder wie Finnland, Niederlande und Norwegen würde ebenfalls neue Kampfjets kaufen.
Die Luftwaffe testete in der ersten Hälfte 2019 vier Kampfjet-Typen auf dem Flugplatz Payerne. Je zwei Modelle aus amerikanischer und europäischer Produktion hoffen auf den Zuschlag: Die F/A-18 Super Hornet von Boeing, eine Weiterentwicklung des heutigen Schweizer Kampfjets, die F-35A von Lockheed Martin sowie Eurofighter (Airbus) und Rafale (Dassault).
Die europäischen Modelle hatten sich bereits bei der gescheiterten Beschaffung eines Nachfolgers für den Tiger beworben, unterlagen jedoch dem schwedischen Gripen E, obwohl diese Version nur auf dem Papier existierte. Hersteller Saab wollte bei der F/A-18-Nachfolge erneut mitbieten, konnte jedoch kein für die Erprobung taugliches Flugzeug liefern.
Der Rückzug des Gripen wurde teilweise mit Bedauern zur Kenntnis genommen. Das relativ günstige Flugzeug aus dem neutralen Schweden sei die beste Wahl für die Schweizer Luftwaffe. Eine zweite Chance jedoch gibt es für Saab nicht, betont das VBS kategorisch. Einer der Gründe sind die fehlenden Daten aus den Tests in Payerne. Die anderen vier Jets hingegen sind alle noch im Rennen.
30 Jets für sechs Milliarden sind ein teurer Spass. Kritiker fragen sich, ob es nicht günstiger ginge. Das VBS aber winkt ab. Trainingsflugzeuge und leichte Kampfjets genügten in Sachen Leistung und Bewaffnung den Anforderungen nicht. Gleiches gelte für Drohnen. Gebrauchte F/A-18 seien auf dem Markt nicht erhältlich, und eine Kooperation mit dem Ausland sei wegen der Neutralität heikel.
Im Planungsbeschluss sollte ursprünglich der Kauf eines neuen Systems zur bodengestützten Luftverteidigung (Bodluv) enthalten sein. Der frühere Kampfpilot und Ex-Astronaut Claude Nicollier riet jedoch in seinem im Frühjahr auf Initiative von VBS-Chefin Amherd erstellten Bericht davon ab, die ohnehin schwierige Kampfjet-Beschaffung mit neuen Flugabwehrraketen zu verbinden.
Die Bodluv-Beschaffung im Umfang von zwei Milliarden Franken soll deshalb über das ordentliche Armeebudget erfolgen. Zwei Systeme stehen zur Auswahl und werden noch bis Ende Monat in Menzingen (ZG) getestet: Patriot aus den USA und SAMP/T aus Frankreich. Das VBS hätte gerne auch das israelische System David's Sling erprobt, doch der Hersteller reichte keine Offerte ein.
Unter Offsets versteht man Kompensationsgeschäfte. Als Gegenleistung für den Kauf von Rüstungsgütern sollen Schweizer Unternehmen Aufträge in einer ähnlichen Grössenordnung erhalten. Offsets sind umstritten. Sie sind korruptionsanfällig und verteuern tendenziell die Beschaffung. Eine Summe von sechs Milliarden lässt sich zudem nur schwer kompensieren.
Bundesrätin Amherd wollte die Offsets bei der Kampfjet-Beschaffung auf 60 Prozent der Vertragssumme beschränken. Die ständerätliche Kommission aber machte ihr einen Strich durch die Rechnung. Sie beharrt auf 100 Prozent Kompensation. Einer der Gründe war das Lobbying der Maschinenindustrie, die kürzlich über einen schlechten Geschäftsgang klagte.
Wichtiger aber war laut SiK-Präsident Josef Dittli (FDP) ein Brief der Westschweizer Kantone. Sie fürchteten, bei einer Beschränkung auf 60 Prozent leer auszugehen. Die Kommission hat deshalb sogar einen Verteilschlüssel festgelegt: 65 Prozent sollen in der Deutschschweiz kompensiert werden, 35 Prozent in der Westschweiz und 5 Prozent im italienischsprachigen Landesteil.
Im Ständerat dürfte der Planungsbeschluss am nächsten Dienstag glatt durchgehen, inklusive 100 Prozent Offsetgeschäfte, denen auch welsche Sozialdemokraten in der Kommission zugestimmt haben. Im Nationalrat könnte es im Dezember schwieriger werden. Linke und Grüne wollen die Vorlage an den Bundesrat zurückweisen, und die SVP will für die Jets mehr als sechs Milliarden.
Ist das Geschäft dennoch bis Ende Jahr unter Dach, rechnet das VBS mit einer Volksabstimmung am 27. September 2020. Falls es sich wegen Differenzen verzögert, könnte es November werden. Ein Referendum steht so gut wie fest. Die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (Gsoa) will den Planungsbeschluss bekämpfen und kann auf Unterstützung durch die Grünen zählen.
Stimmt das Volk dem Planungsbeschluss zu, wird der Bundesrat nach heutiger Planung vor Ende 2020 entscheiden, welchen Jet er beschaffen will. Endgültig darüber befinden wird das Parlament. Das Volk hätte nichts mehr zu sagen, ausser die Gsoa versucht, den Kauf mit einer Volksinitiative zu stoppen. Beim F/A-18 hatte sie dies 1993 versucht, war jedoch in der Abstimmung unterlegen.